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Ausgabe:

1894 Nr. 9

Spalte:

249-254

Autor/Hrsg.:

Caird, John

Titel/Untertitel:

Einleitung in die Religionsphilosophie. Neue Ausg 1894

Rezensent:

Glogau, Gustav

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249

Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 9.

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in der Darfteilung beizubehalten. Es bahrt auf Hegel's
Religionsphilofophie und will als ,organifches Denken'
Allgemeines und Befonderes, Idee und Wirklichkeit,
Denken und Sein, Unendliches und Endliches in ihrer
inneren Zufammengehörigkeit und untrennbaren wechfel-
feitigen Bezogenheit verftehen, ,ohne dafs wir der endlichen
Welt und jedem individuellen menfehlichen Geilte
die Wirklichkeit abzufprechen brauchen'. Auch läfst
der Verf. nicht etwa mit Hegel die Religion als untergeordnete
Form in den höheren philofophifchen Begriff
ganz aufgehen. Vielmehr meint er, ,alle die zerftreuten
Lichtftrahlen in den alten Religionen nimmt das Chri-
ftenthum in hch auf, alles erklärend, alles harmonihrend,
alles durch göttliche Alchemie verwandelnd und doch
alles unermefslich überragend'.

Nach Angabe des Ueberfetzers hat Caird's Werk in
England hohe Anerkennung gefunden. Sein in die Tiefe
gehendes Ringen fcheint auch mir wohlgeeignet, in diefem

produciren zu können, verweife ich auf die Mittheilungen
über das Berl. Religionsgefpräch von 1662, Stofch's An-
theil an den kurfürftl. Toleranzedicten und auf die Erörterungen
über die Verdrängung des luth. Conf.-Raths
Fromm aus feiner Stellung. Hier fällt auf den Charakter
des reform. Kirchenpolitikers der dunkle Flecken des
Vertrauensbruches durch den Mifsbrauch von Privatbriefen
feines Collegen. Endlich fei der lehrreiche Bericht
hervorgehoben über Stofch's Colloquia mit neuberufenen
luth. Geifllichen, die er ftets dazu mifsbrauchte,
diefe des Irrthums der luth. Lehre überführen zu wollen.
— Die Arbeit beruht auf gründlichen archivalifchen
Studien und läfst uns von der nachfolgenden gröfseren
Schrift über die Kirchenpolitik des Gr. Kurfürflen werthvolle
Auffchlüffe erwarten '). Je weniger im Ganzen für
die deutfehe Kirchengefch. des 17. Jahrh. gearbeitet
wird, um fo mehr follen diefe Forfchungen willkommen
geheifsen fein. — S. 104 lies ,geiftlichem Troff ft. ,gei-

ftigem'. Lande des Empirismus intenfive Anregungen zu geben.

Kiel fltrKÜ,,! G Kawerau kehrt hch z.B. gegen Spencer's .merkwürdige Theorie'

J^el iBreslau)____ Kawerau. ^gleich die Begreiflichkeit des Abfoluten zu verneinen

und doch ein gewiffes unbeftimmtes Bewufstfein von

1. Güttier, Privatdoc. Dr. C, Wissen und Glauben. Oeffent- feiner Exiftenz zu haben, fowie gegen viele andere
liehe Vorträge. München, Beck, 1893. (V, 214 S. gr. 8.) dort im Schwange gehende Theoreme, die ja dann natür-
M ! hch auch bei uns Bürgerrecht gefunden haben. Daher

• 3- 5°- : könnte die Ueberfetzung angezeigt erfcheinen. Ein anderes

2. Caird, Rect. Vicekanzler John, D.D., LL. D., Einleitung aber find Studenten anregende Reden, ein anderes das

in die Religionsphilosophie. Vom Verfaffer autorif. Ueber- 1 gedruckte Wort. Den Anforderungen, welche das ver-
fetzuno- von Pfr. A. Ritter. Neue Ausg. Zürich, Fäfi & i weilende Auge erhebt, können des Verf.'s Erörterungen
tj o , , vtw ->e-, q „r s 1 M e wemgftens bei uns wohl fchwerlich genügen. Sie find

Beer, 1893. (AlV, 202 o. ör. o.) m. 5. von ermüdender Breite und fo allgemein, dafs über den

3. Seydel, Prof. Dr. Rud., Religionsphilosophie im Umriss. Präliminarien und gelegentlichen Erwägungen eine ftrafife
Mit hiftorifch-kritifcher Einleitung über die Religions- j Entwickelung durchaus vermifst wird. Wer die ein-
philofophie feit Kant. Nach des Verfaffers Tode hrsg. : fchlägige deutfehe Literatur einigermafsen kennt, wird
von Prof. D. Paul Wilh. Schmiedel. Nebft e. Ver- I hier ^aum eine wirkliche Bereicherung gewinnen; und

. , .; , ' ,, ,,. , , ,. .. , umgekehrt: wer fie nicht kennt, der wird kaum bei dem

zeichnifs der wiffenfchafthchen Pubhcationen des Ver- , Buche ausharren wollen. Natürlich würde ich mich freuen,
faffers. Freiburg i/B., J. C. B. Mohr, 1893. (XIX, 396 S. : wenn der Erfolg an anders gearteten Geiftern meine
gr. 8.) M. 9. —; geb. M. II. —-

I. Das erlte Werk enthält fechzehn Vorlefungen, die

Annahme zu Schanden machte. — Die in den zehn Ca-
piteln unferer Einleitung behandelten Punkte find nun

I. i_/d.-> eine wein, cuuhii it>-ii/l.<.iiii .uiiviuii6v.i, uiv folgende Einwürfe gegen die wiffenfehaftliche Behand-
nach dem Vorwort an der Münchener Univerntat wieder- {* der Reiigion, Erfter Einwurf: Der relative Charak-
holt gehalten und mit Beifall gehört find. Es entlpncnt ^ der menfchlichen Erkenntnifs. Zweiter Einwurf: Die
feinem Motto: medio tutissuniis ibis. Was hier über unier unmitteibare oder jntuitive Natur der religiöfen Erkennt-
Erkennen und feine Grenzen; über Gott und Schoptung; , ^ Dritter Einwurf: Die autoritative Natur der reli-
über Entwickelung des Kosmos, der Erde, der organi- giöfen Erkenntnifs. Die Nothwendigkeit der Religion,
fchen Wefen; endlich über den Menfchen, über f reineit Dje Beweife für das Dafein Gottes. Das religiöfe Be-
und Unflerblichkeit gefagt wird, das Alles zeigt eine wufstrein Unzulänglichkeit der religiöfen Erkenntnifs in
vielfeitige Erudition, erhebt fich aber nirgends über ganz der unwirfenfcnartlicnen Form. Uebergang zu der fpecu-
verlländige Reflexionen, die ja für Anfanger anregena latiyen Idee der Religion> Das religiöfe Leben: Verfein
mögen, zumal die Daiflellung leicht dahinnielsr. uno haltnjfs yon Moral und Religion< Verhältnifs der Philo-
von zahlreichen Anführungen aus den geichicntncnen fophie jm Religi0nsgefchichte.

Autoritäten und zahlreichen Dichterftellen getragen wira. ( m ^ jft dag Vermächtnifs eines jüngft

— An der Endlichkeit des Menfchen in Zeit und Kaum, Verftorbenen und fchon als f0lches einer liebevollen

fo meint der Verf., finde fein Wiffen feine bchran . Beacbtung wertb- Es ift herausgegeben von einem pietäts-
Innerhalb derfclben aber geflatte es die urfprunglicn
vorhandene Veranlagung nun dennoch, dem von uer
Menfchheit hiftorifch entwickelten Wiffen fo ™™h™ ,n

allen Gebieten fein unverändertes Recht zu betauen. , Seydel-S u

nzugefügt hat, fo wie auch das Regifter und
Vor der Fülle der Anflehten und Streitfragen J^a°c"' ! die Formulirung des Inhaltsverzeichnifses. Nur zwei Drittel
mit welcher der Verf. feine Hörer oder Lefer uberhutnet, 1 deg hinterlaffenen Mfcr. hatten noch die durchgreifende
kommt, wie gefagt, kein einziger Punkt zu fcharler - . §cMufsrevifion erfahren, doch bildet das Ganze den voll
faffung. Auf den fehr berechtigten Einwand aber , | zurejchenden Ausdruck der Ueberzeugungen des Verf.'s.
ifl an der Wahrheit, wenn fie in demfelben AugenblicKe, £s zerfallt m zwd Tbeiiei eine hiftorifch-kritifche Ein-
da wir fie zu faffen wähnen, entfehlüpft?' antwortet er leitung über dje Reijgi0ns-Philofophie feit Kant und
mit dem Hierophanten in Schiller's Gedicht: ,das maene ejnen fyftematjfcben Theil, der als Ergebnifs philofo-
mit der Gottheit aus'. Der Menfch könne die Wanrnen. phifcber Unterfuchung der religiöfen Aufgaben und End-
nicht erreichen, weil er fie durch eigenes Verlchuioen zjde die Rdj

gion der freien Gotteskindfchaft eingehend
verloren habe. — • darfteilt. — Ich möchte in der Befprechung des Buches

II. Auch das zweite Werk ift aus Vorlefungen, die m dem Verf dn fcheinlores Denkmal zu fetzen verfuchen.
Edinburg gehalten find, hervorgegangen, ohne diele form ßas Werk ift ^ fdtener Gediegenheit und Ausführ-

r- i. urfb I hchkeit — jede Seite entfpricht räumlich faft zwei ge-

!) Ift inzwifchen erfchienen: H Landwehr, Die K.rchenpolitik a | wöhnljchen Seiten _ fe;ner Aufgabe gerecht geworden;
Gr. Kurfürflen. Berlin, Hofmann u. Co., l»y4-

vollen Schüler, der nur leife gebeffert, aber als Vorwort
einen kurzen Lebensabrifs, als Anhang ein chronologi-
fches Verzeichnifs der wiffenfchafthchen Pubhcationen