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Ausgabe:

1894 Nr. 8

Spalte:

203-205

Autor/Hrsg.:

Benzinger, Immanuel

Titel/Untertitel:

Hebräische Archäologie 1894

Rezensent:

Siegfried, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 8.

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zur Unterhaltung der Lefer fchrieb und mancherlei
SagenftofFe in's Lächerliche weiter ausfpann.

In einem zweiten Theil werden uns namentlich vier
Hauptgewährsmänner vorgeführt, auf welche die ein-
fchlägigen Traditionen zurückgeführt werden A) Ka b
el-ahbär, ein jüdifcher Convertit, der befonders bei
Ta'labi und Kifäi häufig genannt oder auch fälfchlich
als Autorität angeführt ift, B) IbnYVbbäs, der meift aus
apokryphifchen und haggadifchen Quellen fchöpfte, C)
der oben genannte Wahb, der behauptete, die heiligen
Schriften des Adam, Seth u. f. w. gelefen zu haben, aber
im Grunde manches von Juden und Chriften Ueberkom-
mene dem Islam angepafst und vieles dazu erfunden
hat, D) Ibn Ishäk, der zwar beffere Kenntnifs der jüdi-
fchen und chriftlichen Schriften befafs, aber doch auch
nicht direct aus denfelben fchöpfte. Lidzbarski legt mit
Recht darauf befonderes Gewicht, dafs wie von Muhammed
felbft, fo auch fpäter in Folge des freundlichen Verhält-
nifses zu Juden und Chriften fehr vieles mündlich von
diefen übernommen wurde. Im Einzelnen zeigen unfere
Kenntnifse in diefer Beziehung ja noch manche Lücken;
auch andere SagenftofFe find ja oft, theilweife blofs
halb verftanden, von den Muslimen verwerthet worden,
fo dafs diefes wunderfame Gemifch von theils fagen-
haften, theils abfichtlich ausgefchmückten Erzählungen
über die Propheten zu Stande kam, wie wir fie jetzt vor
uns haben. In einem kleineren dritten Theil geht der
Verfaffer nun namentlich noch auf einige fpätjüdifche
Werke (wie z. B. das Sefer hajjasar) ein, die eine Rückwirkung
der muslimifchen Legenden auf die jüdifche
Sage aufweifen.

Aus der vorftehenden Inhaltsangabe erhellt, dafs die
Arbeit Lidzbarski's allen P^achgenoffen, die an den Ausläufern
chriftlicher und jüdifcher Sagen Intereffe haben,
empfohlen- werden kann; der Verfaffer derfelben zeigt
lieh in der ausgedehnten Literatur, die fein Thema be-
fchlägt, aufserordentlich bewandert. Von einzelnen Fehlern
haben wir nur weniges entdeckt; der Verfaffer des
Münchener Handfchriftenkatalogs (S. 16) heifst Aumer,

nicht Auber (zweimal), S. 21 lies I^j ftatt ^y>: die Kämil-

verfe S. 63 und 64 gehen doch wohl auf p aus. — Wir

hoffen dringend, bald eine Fortfetzung diefer Studien zu
erhalten.

Leipzig. A. So ein.

Benzinger, Repet. Dr. J., Hebräische Archäologie. Mit 152

Abbildgn., Plan von Jerufalem und Karte v. Paläftina.
[Grundrifs der theolog. Wiffenfchaften, 6. Abth.] Freiburg
i/B., J.C.B.Mohr, 1894. (XX, 515 S. gr.8.) M. 10.—

Es ift bekannt, dafs erft die virtuofe Ausführung
der Graf'fchen Hypothefe, welche Wellhaufen geboten
hat, uns einen wirklichen Einblick in den Aufbau der
altteftamentlichen Literatur verfchafft hat. An diefe Kritik
der Quellen anfchliefsend und fie auf dem Gebiete der
prophetifchen Literatur erweiternd und vervolKtändigend
hat dann Stade ein Bild von der hiftorifchen Entwicke-
lung des alten Israel gezeichnet, welches für die hebrä-
ifche Hiftoriographie ebenfalls in vielen Beziehungen
epochemachend genannt werden darf, wie in ähnlicher
Weife für die Gefchichte des fpäteren Judenthums Schürer's
gediegenes Werk eine unerfchöpfliche Fundgrube bietet.
An diefe Vorarbeiten anfchliefsend (vgl. z.B. S. 239—247)
und fie weiterführend zeichnet der Verf. des oben angezeigten
Buches ein Gefammtbild des hebräifchen Alterthums
, deffen Ausführung befonders darin einen grofsen
Fortfehritt allen älteren Behandlungen der hebräifchen
Archäologie gegenüber bezeichnet, dafs der Verf. die Zu-
ffände, Sitten, Gewohnheiten des privaten, öffentlichen
und cultifchen Gefammtlebens des alten Israel nicht

blofs fchildert, fondern vor allen Dingen die gefchicht-
liche Entwickelung aller diefer Erfcheinungen in's Auge
fafst. Er hat dies mit einer Klarheit und Knappheit der
Form durchgeführt, dafs fein Buch zugleich ein ebenfo
belehrendes wie feffelndes Lefebuch geworden ift. Ohne
Ueberladung mit Notizenfchwall ift doch die Darftellung
von folideftem Material erfüllt. Von Literaturangaben
find nur die der neueften und gediegenften Werke beigefügt
. Nur an einzelnen Punkten fcheint uns da im Ver-
fchweigen etwas zu viel geleiftet. S. 5 würden wir gern
auch Naber's Jofephusausgabe mit ihren oft glücklichen
Conjecturen erwähnt fehen. S. 14 oder 364 hätten wir
auch Haneberg's religiöfen Alterthümern 2. Aufl. 1869 ein
Plätzchen gegönnt, das wohl neben Bähr's Symbolik des
mof. Cultus fich hätte rechtfertigen laffen. Die forgfältige
Stofffammlung von de Viffer Qieebreeuwsche archaeologie
i.Thl. 1891) ift auch unerwähnt geblieben.— Bei Cunaeus,
Goodwin, Seiden S. 9 wäre Angabe der Titel der Werke
zweckmäfsig gewefen. Sehr gefreut hat uns die Erwähnung
Dieftel's (S. 8), der in neuerer Zeit öfter ungerecht herabgefetzt
worden ift. S. 166 f. vermiffen wir die Unterfuchungen
zur QinaJi von Budde. — In der Dispofition des Stoffes
verfährt der Verf. fo, dafs er in einem erften Theile
,Land und Leute' behandelt. Der als gründlicher Pa-
läftinakenner bekannte Verf. weifs hier in einem erften
Capitel mit kundiger Hand das wichtigfte Material aus
den Forfchungen über das heilige Land, feine Natur-
befchaffenheit, fein Klima, fowie dasjenige aus den Gebieten
des Hierophytikon und Hierozoikon auszuwählen.
Zum Schlufs des Capitels erwartet man eigentlich eine
Topographie des heiligen Landes; der Verf. hat fich auf
eine folche der Stadt Jerufalem befchränkt, die in trefflicher
Weife die neueften Entdeckungen zufammenfafst.
Wünfchenswerth wäre es allerdings, auch über die Lage
anderer wichtiger Städte kurz orientirt zu werden. —
Ein zweites Capitel giebt eine Art Ethnographie und
Befiedelungsgefchichte des h. Landes. Hierauf folgt die
eigentlich und im engeren.Sinne fo genannte Archäologie.
Der Verf. theilt fie in die drei Haupttheile der Privat-,
Staats- und Sacralalterthümer, wie fich folche bereits
in der claffifchen Alterthumswiffenfchaft herausgebildet
haben und man fie auch für orientalifche Dinge bequem
finden wird, vorausgefetzt, dafs der Begriff Staat, den
man wohl im Orient kaum je felbft begriffen hat, hier
nicht in feiner ftrengen Faffung aufrecht erhalten wird.
Denn ganz fcharf wird es kaum möglich fein, die Darftellung
der Familie und ihrer Sitte zu geben, ohne
dabei zugleich rechtliche Verhältnifse zu erörtern, und
noch weniger wird das Staatsleben von dem der Familie
und ihrer Erweiterungen in Sippe und Stamm losgelöft
werden können, da an diefen letzteren die Anfätze von
fonftigen politifchen Organifationen im alten Israel fchliefs-
lich doch immer wieder gefcheitert find. Ueber die
Function einer Abgabenerpreffungsmafchine ift wohl auch
bei den Israeliten das Inftitut einer königlichen Beamten-
fchaft kaum je hinausgekommen. Von einer eigentlichen
Verwaltung des Landes dürften kaum fpärliche Spuren
fich finden. Auch ein allgemeines Landrecht hat es
offenbar nie gegeben. Es herrfcht hier nur der Zwang
der Sitte. Die Entwürfe von Rechtsbüchern im Bundesbuch
, in Deut, und PC enthalten, foweit fie Civilrecht
betreffen, mehr pia desideria als wirklich geltende Benimmungen
. Die Ausführungen des Verf.'s verdienen auf
allen diefen Gebieten das vorhin ausgefprochene Lob.
Die Auslefe des geficherten Materials ift in vortrefflicher
Weife getroffen. — Es fei geftattet, hier nur einzelne
Punkte zu berühren, bei denen wir Bedenken haben.
S. 37 nennt der Verf. das Kamel ein ,im bergigen Weft-
jordanland' unentbehrliches Thier ,zum Transport aller
fchweren Laften'. Wir haben bisher immer gehört, dafs
das Kamel ein Thier der Steppe und für den Gebirgs-
pfad unbrauchbar fei. Auch finden wir im A.T. es nur
in der legendenhaften Patriarchenzeit, die als nomadifche