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Ausgabe:

1894 Nr. 7

Spalte:

179-182

Autor/Hrsg.:

Bovon, Jules

Titel/Untertitel:

Theologie du Nuveau Testament 1894

Rezensent:

Lobstein, Paul

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179 Theologifche Literaturzeitung. 1894. Nr. 7. 180

die fich in den quaestiones lubr. in librum Regutn des
Ps. Hieronymus fowie in andern alten Scholien finden.
Wir erhalten da aus den genannten handfchriftlichen
Schätzen fehr werthvolle Mittheilungen über die Schriftformen
der hebräifchen Buchftaben und ihre Ausfprache
zur Zeit der Karolinger. Befonders merkwürdig find die
S. 7 mitgetheilten tranfcribirten Stücke aus dem hebräifchen
Pfalter. Ebenfalls von Intereffe find die Mittheilungen
über Stephanus Harding, der Textfehler der latei-
nifchen Bibel nach dem Hebräifchen berichtigte und über
den fogar des Rabbinifchen kundigen Nicolaus Manjacoria
aus dem 12. Jahrhundert. — Auch zu den Studien über

gleich der keineswegs einem abftracten Intellectualismus
huldigende Theologe gewifs einer Ifolirung der chrift-
lichen Wahrheit vom chriftlichen Leben nimmermehr das
Wort reden würde, fo wäre es zweifellos beffer gewefen,
auch durch die Wahl der Ausdrücke einen falfchen Schein
zu meiden. — Der vorliegende Band ift die erfte Hälfte
des le fondement historique darftellenden erften Haupt-
theils. Er enthält einen Entwurf des Lebens und der
Lehre Jefu. Nach einer orientirenden Einleitung über
die Aufgabe der biblifchen Theologie des N.T.'s handelt
B. von den Quellen, hierauf von den Thatfachen (lesfaits)
des Lebens Jefu, und fkizzirt im letzten Abfchnitt die

die onomastica sacra erfahren wir Neues und Werthvolles Lehre Jefu, die er zunächft nach den Synoptikern, fo

aus HSS. Wir verweifen befonders auf die genaue Re-
production eines Stückes aus cod. bibl. nat. lat. 36 fol.
355 aL>f S. 22 und auf die Proben aus 3fprachigen Glof-
farien zu hebräifchen Perfonen- und Ortsnamen fowie
auf die Notizen über die damalige Ausfprache des
Hebräifchen. Das 13. Jahrh. brachte einen Auffchwung
der hebräifchen Studien im Intereffe der correctoria biblica
durch die Schule des Roger Baco, aus der Hugo a Sto Caro
hervorragt. Den Abfchlufs bildet die Unterfuchung über
die neue Ueberfetzung der lateinifchen Bibel aus dem
Hebräifchen von einem wahrfcheinlich convertirten Juden
und eine kurze Erörterung der Exegefe des Nicolaus
v. Lyra. Zu der hier aufgeführten Literatur S. XII und
S. 54 f. möchten wir noch hinzufügen: F. Mafchkowski,
Rafchi's Einflufs auf Nicol. v. Lyra in der Auslegung
des Exodus (Zeitfchr. für altteft. Wiff. 1891 S. 268—316)
und aufmerkfam machen auf O. Zöckler's Unterfuchung
des Verhältnifses Luther's zu Lyra auf S. 22—25 feiner
Schrift: Luther als Ausleger des A. T.'s . . . Greifswald
1884. — Ein Index zu den befprochenen Sachen und ein
folcher der biblifchen Stellen befchliefsen die feine und
dankenswerthe Studie.

Jena. C. Siegfried.

Bovon, Prof. Jules, Theologie du Nouveau Testament. Tome
premier: La vie et l'enseignement de Jesus. [Auch
unter d. T.: Etüde sur l'oeuvre de la redemption, I.:
Le fondement historique, Theologie du Nouveau
Testament]. Lausanne, Georges Bridel & Cie, 1893,
(549 S. gr. 8.) M. 8. -

Diefe Schrift des in den franzöfifch redenden Kreifen
des Proteftantismus durch eine Anzahl theologifcher Auf- | z. Th. höchft complicirten Probleme doch nur fehr funima-

dann auf Grund des vierten Evangeliums zu zeichnen
unternimmt. Die ganze Anlage der Unterfuchung ruht
auf einer doppelten Vorausfetzung, deren Richtigkeit
kein Befonnener beanftanden wird: einmal fei das Neue
und Schöpferifche an der Verkündigung Jefu nicht fowohl
die Botfchaft als der Bote felber, andererfeits können die
Himmelreichspredigt und das meffianifche Selbftzeugnifs
nur in ihren concreten Formen und in ihrem unauflöslichen
Zufammenhang mit der Gefchichte Jefu und
feiner Zeit erfafst und gewürdigt werden. Aus diefen
unanfechtbaren Praemiffen zieht B. den Schlufs, dafs
eine Darftellung des Lebens Jefu den Ausgangspunkt
für die neuteftamentliche Theologie bilden müffe. Ref.
kann diefe Folgerung nicht als richtig anerkennen. Für
die neuteftamentliche Theologie kommt es nicht auf die
Thatfachen an fich, fondern nur auf die religiöfe Bedeutung
, die die Erftlingsträger und -Zeugen des Chriften-
thums denfelben beilegten, an. So hat z. B. die neuteft
Theo), die übernatürliche Geburt oder die Auferftehung
Chrifti nicht auf ihre Glaubwürdigkeit zu unterfuchen,
fondern als Elemente des Glaubens an Chriftus zu ver-
ftehen und zu beurtheilen. Erinnert man fich ferner,
dafs es B. auf eine Darftellung des Heilswerkes in feiner
gedankenmäfsigen Ausprägung und feiner fittlichen Be-
thätigung abgefehen hat, fo wird man fich vollends davon
überzeugen, dafs eine Unterfuchung der einzelnen Thatfachen
des Lebens Jefu die von dem Verf. felbft be-
ftimmten Grenzen weit überfchreitet. Diefe Nichtbeachtung
der durch das Wefen des religiöfen Erkennens und
des evangelifchen Heilsglaubens gebotenen Grenzregu-
lirung und Arbeitstheilung begründet einen doppelten
Uebelftand. Erftens vermag der Verf., trotz feiner um-
faffenden Kenntnifse und feiner reichen Belefenheit, jene

fätze und erbaulicher Betrachtungen bekannten und ge
fchätzten Profeffors an der theologifchen Facultät der
freien Kirche in Laufanne ift der erfte Band eines grofsen
auf fechs Bände angelegten Werkes. Ausgehend von

rifch oder in fehr ungleichem Umfang zu erörtern; zum
Zweiten wird durch das Eingehen auf das biographifche
Detail, durch die Discuffionen über Quellen und Hifto-
rizität, durch die Virtuofität im Eintheilen und Zergliedern

der im Vorwort ausfuhrlich und lichtvoll dargelegten und der Lefer eher zerftreut als gefammelt, von der Hauptbegründeten
Thatfache, dafs das Chriftenthum in der ; fache mehr abgelenkt als der Aufgabe näher gebracht.
Perfon und dem Lebenswerke Chrifti feinen gefchicht- j Das Charakterbild Jefu, feine aus feinem Lebensberuf und
liehen Urfprung und feinen unverrückbaren Mittelpunkt feinem Selbftzeugnifs erkennbare gefchichtliche Geftalt,
hat, will der Verf. die evangelifche Lehre und das evan- | tritt hinter dem Rahmen ungebührlich zurück, verliert
gelifche Leben von diefem Centrum aus darfteilen und be- feine Deutlichkeit und daher feine Bedeutung, feine fitt-
leuchten; mit anderen Worten, er beabfichtigt eine chrifto- ; liehe und religiöfe, Gewiffen und Gemüth überwältigende
centrifche Entwickelung der proteftantifchen Glaubens- Macht. Abgefehen von diefem fachlichen Mangel, welcher
und Sittenlehre. Die zwei erften Bände haben es mit j in einer Etüde sur l'oeuvre de la redemption gewifs von
der hiftorifchen Grundlage des Lehrgebäudes der fyfte- j prinzipieller Tragweite ift, unterliegt das von B. geübte
matifchen Theologie zu thun und follen dem Zeugnifs ! Verfahren auch formellen Bedenken. Die von dem Inhalt
Chrifti und der im N. T. urkundlich enthaltenen älteften des Heilswerkes und der Verkündigung Jefu entleerte
Verkündigung der chriftlichen Kirche gewidmet fein. ! Skizze feines äufseren Lebensganges, welche den Haupt-
Von den weiteren durch den muthigen Verf. in Ausficht ge- | theil des ganzen Werkes bildet (S. 191—375) mufs ent-
ftellten Bänden werden Bd. III—IV unter dem Titel Jefus weder Wichtiges aus dem zweiten, dem Leben Jefu ge-
Chriftus die Wahrheit' und Bd. V—VI Jefus Chriftus das '< widmeten, Theil vorwegnehmen (vgl. den Abfchnitt la
Leben' von der Heilslehre und dem neuen Leben (Dog- conscience messianique de Jesus und die fpäteren Aus-
matik und Ethik) handeln. Wir wollen mit dem Verf. führungen über le fondateur du rayatme de Dien), oder
über diefe Beftimmungen nicht weiter rechten; allein man fie fieht aus wie ein Gerippe, welchem die folgende Darwird
zugeben muffen, dafs eine Formel, die auf chrift- ftellung erft Fleifch und Blut, Leben und Bewegung zu
lichem Boden eine folcheUnterfcheidung zwifchen Leben ; geben im Stande ift.

und Wahrheit aufftellt, keine glückliche ift, und ob- I Doch gehen wir zur Betrachtung des reichen Inhaltes