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Ausgabe:

1893 Nr. 6

Spalte:

157-159

Autor/Hrsg.:

Addis, W. E.

Titel/Untertitel:

The documents of the Hexateuch, translated and arranged in chronologial order with introduction and notes. Part I. The oldest book of Hebrew history 1893

Rezensent:

Budde, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 6.

158

8. Gräfe, Das Verhältnifs der paulinifchen
Schriften zur Sapientia Salomonis (S. 251—286).
Das vielbehandelte Thema erfährt hier eine Erörterung,
von welcher zu hoffen ift, dafs fie in den weiteften
Kreifen Zuftimmung finden und die Frage zu einem ge-
wiffen Abfchlufs bringen wird. Mit gröfster Vollftändig-
keit ift das Material zufammengebracht und mit mufter-
gültiger Umficht beurtheilt. Sicheres, Wahrfcheinlich.es
und blofs Mögliches wird auf's Behutfamfte unter-
fchieden und dadurch jenes Vertrauen erweckt, welches
zur Zuftimmung zwingt. Gräfe behandelt in drei Ab-
fchnitten I. belanglofe Berührungen. 2. die entfcheiden-
den Beziehungen, und 3. die übrigen beachtenswerthen
Parallelen. Der wichtiglte Abfchnitt ift der mittlere, in
welchem gezeigt wird, dafs an drei Punkten die Berührungen
Pauli mit der Sapientia Salomonis fo ftark
find, dafs wir eine literarifche Abhängigkeit anzuerkennen
haben. Diefe drei Punkte find: die Prädefti-
nationslehre, die Beurtheilung des Heidenthums und die
Anfchauung über das Verhältnifs von Seele und Leib,
wie fie II Kor. 5 vorliegt.

9. Karl Müller, Der Umfchwung in der
Lehre von der Bufse während des 12. Jahrhunderts
(S. 287—320). Verf. weift in der Einleitung
auf die Bedeutung eines wenig gekannten älteren Werkes
über die Gefchichte der Bufsdisciplin hin: auf des Ora-
torianers Mor inus Commentarius historicus de disciplina
in administratione sacramenti poaütentiae obscrvata, Paris
1651. Von ihm angeregt ift Müller zu dem Refultat
gelangt, dafs fowohl die bis zum 12. Jahrhundert herr-
fchende Lehre von der Bufse als die feitdem zur Geltung
gelangte in der Regel falfch aufgefafst und dargeftellt
werde. Namentlich fei es irrig, der unter Auguftin's
Namen gehenden Schrift De vera ac falsa poenilentia
einen tiefgreifenden Einflufs auf die Umbildung der An-
fchauungen von der Bufse zuzufchreiben. Diefe fei vielmehr
der getreue Ausdruck der Anfchauungen des
früheren Mittelalters, und der Umfchwung in den Anfchauungen
feit dem 12. Jahrhundert fei einerfeits durch
die Aenderungen im Bufs-Inftitut, andererfeits aber
durch Abälard herbeigeführt worden, deffen grundlegende
Bedeutung für die Scholaftik überhaupt noch
immer nicht gebührend gewürdigt werde.

10. Heinrici, Die urchriftliche Ueberliefe-
rung und das Neue Teftament (S. 321—352). Wenn
Ref. den Verf. richtig verftanden hat, fo ift es feine Abficht
, die Eigenart der neuteftamentlichen Schriften und
ihr Verhältnifs zur mündlichen Ueberlieferung zu dem
Zweck zu charakterifiren, um ,für die Aufgaben der
Kritik einige Abgrenzungen' feftzuftellen (S. 351). Er
erörtert zu diefem Zweck: 1) das Wefen der Ueberlieferung
überhaupt, 2) den literarifchen Charakter des
Neuen Teftamentes, 3) die patriftifchen Nachrichten
über die Anfänge der chriftlichen Literatur, 4) die Selbft-
beurtheilung der neuteftamentlichen Schriftfteller. Eine
kurze Formulirurig der Refultate hat dem Ref. leider
nicht gelingen wollen. Wir muffen daher die Lefer auf
die Abhandlung felbft verweifen.

Kiel. E. Schürer.

Addis, W. E„ M. A., The documents of the Hexateuch,

translated and arranged in chronological order with
introduction and notes. Part I. The oldest book of
I-Iebrew history. London, Nutt, 1892. (XCVI, 236 S.
gr. 8.) geb.

Man dürfte fagen, dafs mit diefem Buche die Quellen-
fcheidung des Hexateuchs die Reife um die Welt beende.
Der letzte wichtige Beitrag kam aus Amerika, diefes
Buch ift zwar gedruckt in Edinburgh, erfchienen in London
, aber gefchrieben in Melbourne in Auftralien. Ein
neuer Beweis, welchen gewaltigen Eindruck die Quellen-

fcheidung des Hexateuchs in der Gegenwart auf die
englifch redende Welt macht, dafs hier der Engländer
mit demfelben Plane neben den Amerikaner tritt, ohne
von jenem zu wiffen. Hier wie dort gilt es, das Er-
gebnifs der Quellenfcheidung überfichtlich vorzuführen
und den Beweis für die Richtigkeit am Objecte felbft
zu erbringen. Dies Bedürfnifs ift dem Verf. vor allen
Dingen gegenüber Kuenen's weitverzweigten und nur
den eindringendften, mühfamften Studien zugänglichen
Arbeiten klar geworden; deren Ertrag unter gewiffen-
hafter Vergleichung und Verwerthung des fonft geleifteten
will er dem Lefer bieten. Mit feiner vollen Ueberzeu-
gung fleht er zu der ,Schule Grafs und feiner hervorragenden
Schüler', wie er fich S. VI etwas mifsverftänd-
lich ausdrückt. Den grofsen Commentar Dillmann's hat
er wieder und wieder gelefen, und immer mit fteigender
Bewunderung für feine tiefe und vielfeitige Gelehrfamkeit
und erftaunliche Sorgfalt, ift aber aufser Stande, fich
1 feinen Folgerungen anzufchliefsen.

Die .Einleitung' behandelt auf einigen 80 Seiten die
literargefchichtliche BYage. I. Die Gefchichte der Anflehten
über Urfprung und Alter des Hexateuchs, und
| zwar 1. das Selbftzeugnifs des Hexateuchs, 2. die vor-
1 kritifche Anficht, 3. die kritifche Forfchung nach Quellen-
fcheidung und Zeitbeftimmung für die einzelnen Quellen
und den Hexateuch als folchen. II.PofitiveErgebnifse und
deren Begründung. 1. Die Zufammenfetzung aus Quellen,
2. Inhalt und Eigenart der einzelnen Quellen, 3. das
Alter der Quellen, vom Deuterononium ausgehend. Die
benutzte Literatur, Seite VIIff. aufgezählt, ift zwar nicht
vollftändig, aber doch recht umfaffend und mit Urtheil
ausgewählt; als zu fpät zur Benutzung erfchienen werden
die Einleitungen von Driver und Cornill und die Ueber-
fetzung von Kautzfeh genannt. Zu bedauern ift, dafs
auch Bacon's Genesis of Genesis der Zeit des Erfcheinens
wegen, aber auch feine wichtigen Auffätze in der Zeit-
fchrift Hebraica, nicht benutzt find; ferner haben fich
Baenfch's Bundesbuch und mein Auffatz in ZATW 91
S. 193 ff. mit dem Drucke des Buches gekreuzt. Die
Darfteilung der hexateuchifchen Frage in diefer Einleitung
ift klar und anziehend, beanfprucht aber natürlich
nicht, neue Ergebnifse zu Tage zu bringen.

Der Reft des Bandes bietet den erften Theil der
Quellen in einer an die Revised Version nachträglich
nach Möglichkeit angenäherten eigenen Ueberfetzung.
Von den beiden möglichen Verfahren, entweder den
vorliegenden Zufammenhang zu geben und in ihm die
einzelnen Quellen durch diefe oder jene Merkmale von
einander abzuheben, oder die Quellen aus dem Zufammenhang
zu löfen und einzeln darzubieten, hat Addis
das letztere gewählt. Plier ift ihm Bacon überlegen, der
beides neben einander giebt und dadurch die Ueber-
zeugungskraft feiner Arbeit zweifellos bedeutend ver-
ftärkt. Aber für diefen Theil nicht nur darin. Des Verf.'s
,Oldest book of Iiebrezv history', ein etwas mifsverftändli-
cher Name, wie er S. V felbft zugiebt, bietet nicht eine
Quelle, fondern die beiden Quellen J und E in einander.
Hier ift alfo ein gemifchtes Verfahren beobachtet, weilAd-
dis nicht gewagt hatdieScheidung derbeiden überdasbis-
her Erreichte hinaus durchzuführen. Selbftverftändlich find
damit auch dem Verfuche, den urfprünglichen Zufammenhang
derQuellen herzuftellen.fehr engeSchranken gezogen.
Indeffen werden Andere vielleicht in diefer Zurückhaltung
im Vergleich mit Bacon's kühnem Vorgehen einen Vorzug
erblicken. Aber zweifellos ift es ein Fehler, dafs er in
der Genefis nur die ficher E zugewiefenen Abfchnitte durch
andere Schrift unterfcheidet, die ungefchiedenen Maffen
dagegen mit derfelben Schrift wie J drucken läfst. Wo
einmal der Augenfchein angerufen wird, können natürlich
die beigegebenen Anmerkungen den Schaden nicht gut
machen. Der Fehler wird übrigens von Ex. 1 an durch
Hinzutritt einer dritten Schrift verbeffert. In diefer Weife
wird dann JE bis zum Schluffe des Buches Jofua verfolgt,