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Ausgabe:

1893 Nr. 5

Spalte:

141-145

Autor/Hrsg.:

Borgius, Eug.

Titel/Untertitel:

Der christliche Glaube nach den drei Artikeln des Apostolischen Glaubensbekenntnisses in einem Jahrgang von Predigten, zum 300jährigen Jubelgedächtnis seines größten Amtsvorgängers des Seniors der

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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141 Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 5. 142

menius. Stuttgart, Greiner & Pfeiffer, 1892. (XV, 405
S. gr. 8.) M. 4. —; geb. M. 5. —

Der Jahrgang Predigten, der uns in vorliegendem Buche
dargeboten wird, hat zu der Comeniusfeier nur die ziemlich
äufserliche Beziehung, dafs uns amSchlufs desfelben
die fchöne Feftpredigt mitgetheilt wird, welche Verf.
als derzeitiger Senior der .Unitätsgemeinden' in Pofen,
jenes noch in der Gegenwart beftehenden Abfenkers
alles dies beweift nur, wie er auf allen Sätteln gerecht j der böhmifchen Brüderkirche, am 28. März 1892 in Liffa
ift. Aber er zeigt endlich auch dem .chriftlichen' Staate, gehalten hat. Den Hauptinhalt bildet ein faft vollftän-
wie man's machen mufs, indem er am Schlufs einige diger Jahrescyklus von Predigten, welche die drei Ar-
Actenftücke über die Abfetzung Bruno Bauers abdruckt, tikel der Apoftolicums der Gemeinde auszulegen und
.Wo ift der Unterfchied,' fo fragt er, ,zwifchen diefen ,dem Zweifler einen Weg zum Glauben zu bahnen' be-
Lehren Bruno Bauer's und den angeführten Aeufserungen | abfichtigen. Der Verf. hat diefen Cyklus ganz unab-
der Theologie-Profefforen Harnack, Pfieiderer, Hafe, | hängig von der gegenwärtig die Gemüther erregenden
Beyfchlag, Schenkel, Wendt u. f. w. u. f. w? Man mache Controverfe gehalten; es fehlt ihnen daher jede Bezug-
den Vergleich. Und nach Anftellung des Vergleiches nähme ebenfo auf Harnack oder Schrempf wie auf die

,Wefen des Chriftenthums' ,das Bekenntnifs Gottes, den
Glauben an die Unfterblichkeit der Seele und an die
künftige ewige Vergeltung' oder den ,Hinweis auf die
Vergänglichkeit des Irdifchen und die Unterwerfung
unter die von Gott gefetzte Gewalt' (S. 3 f.) ausgiebt,
dafs er ferner der natürlichen Vernunft die Fähigkeit
beimifst, das Chriftenthum als nothwendig anzuerkennen
(S. I), und dafs er die .vernünftigen Denkgefetze' bei der
Conftruction der Zweinaturenlehre heranzieht (S. 130),

bitte ich' den Lefer um eines: noch einmal lefe er das
Gutachten der theologifchen Facultät zu Berlin und die
Entfcheidung des Königlich preufsifchen Cultusminifters,
Herrn von Eichhorn. Freilich, damals fchrieb man 1842
und heute 1892. Fünfzig Jahre liegen dazvvifchen. Das
„Chriftenthum" und die „Theologie" find andere geworden;
denn — die Todten reiten fchnell! Wohin?' (S. 166 f.)

Als Curiofitäten aus dem vorliegenden Buche theile

auf der Gegenfeite entftandene Bewegung. Um fo mehr
darf auch die Kritik ihr Urtheil über den hier vorliegenden
Verfuch, das Apoftolicum in allen feinen Theilen
als die feligmachende Wahrheit der Gemeinde zu verkündigen
, rein fachlich abgeben. Ueber das Aeufsere
der Predigten fei vorweg bemerkt, dafs B. nicht etwa
die einzelnen Sätze des Symbols, fondern Bibel-Texte
für die einzelnen Predigten ausgewählt hat, wobei er
mehrfach die Methode, mehrere Bibelftellen zu combi-

ich folgendes mit. S. 52 heifst es: .Nicht eigentlich Fach- »:««■««•» ,u .Cl""u VT,- t ■ p X- ♦ l '

theologe ift der Bonner Profeffor H. Ufener. Allein er «v™, emfchlagt. Er hat ferner feine Predigten nicht als
r 1. f.- * r u •.. n. a i r i c ,,„^i ,w 1 elne fortlaufende Erklärung des Symbols in fachlicher

befchaftigt fich mit ftreng theologifchen kragen und des- „ , , , . , ».., ,. ,' . ' ? ' .

, r ?. ' , r- to A„r,„iT upa,,. i,trnpr :n Ordnung gehalten, fondern ähnlich wie Kogel bei feinen

halb gehört auch leine Anlicnt nierner . ferner in n . ° ö.., , .U1.r , T,. , „ , „ ,to „ , , ,

<™Z:T" a~ v^r-n- „sn« inl™ „frh.Vnen T ehpnq fredigten über bibhfche Bucher f.ch fehr ftark durch

Wittichen, der Verfaffer eines in Jena erfchienen Lebens
Jefu, für den Verfaffer Profeffor und College von Lipfius
(S. 55). Endlich wird zu den drei Göttinger Profefforen,
welche angeblich Chrifti Gottheit leugnen, aufser Ritfehl
und Schultz auch Richard Schmidt (S. 40 ff.) gerechnet,
der aber nur einmal ein Semefter (Winter 1869/70)
Privatdocent in Göttingen war.

Das jefuitifche Machwerk diffimulirt fehr gefchickt
die den orthodoxen Proteftanten anftöfsigen Eigenthüm-
lichkeiten des Katholicismus. Die Gefellfchaft Jefu ift ja
bekanntlich fchon lange darauf aus, in der f. g. Schwefter-
kirche, mit deren .gläubigen' Gliedern der Verfaffer fich
in feiner Darfteilung einig zu wiffen erklärt (S. 15. Anm. I.),
im Trüben zu fifchen. Dafs die Mittel, die hierbei verwendet
werden, der feit Pascal bekannten und berüchtigten
Jefuitenmoral nichts nachgeben, davon kann fich jeder
aufrichtige Lefer aus dem befprochenen Elaborat über
die .Gottheit Chrifti' leicht überzeugen. Indem man
aber unfere orthodoxen Proteftanten anzulocken fucht,
verräth man einen feinen Inftinct dafür, dafs deren Vorhandenfein
für den Katholicismus nicht die gröfste Gefahr
bedeutet. Mit ihnen traut man fich fchon zu, auf gütlichem
Wege durch gemeinfames Vorgehen gegen den
gemeinfamen Feind fertig zu werden. Aber uns andere
denuncirt man als Widerchriften, gegen uns foll daher
auch der Staat einfehreiten. Alfo dazu ift diefer nach
der Beendigung des Culturkampfs den Jefuiten gerade
gut genug, für die Hierarchie die Kaftanien aus dem
Feuer herauszuholen und einen Theil feiner bellen Bürger,
blofs weil diefe die Wahrheit lieben und erftreben, ihres
f egensreichen Berufs zu berauben! Vor einigen Jahren

das Kirchenjahr in der Anordnung beftimmen laffen.
Auch im Druck bietet er uns jetzt feine Reden nach
Anordnung des Kirchenjahres, alfo fachlich ungeordnet,
hat aber durch ein befonderes Regifter den Lefer angeleitet
, diefelben Predigten auch in der von ihm beab-
fichtigten fyftematifchen Anordnung nach den drei Artikeln
des Credo zu lefen. Ich bemerke noch, dafs in
formeller Beziehung die Predigten fich durch angemeffene
Kürze, durch eine klare und edle, der Kanzel gemäfse
Sprache, — den .Calvarienberg' fchenkten wir ihm freilich
gern — und fachlich durch das ernfte Beftreben
auszeichnen, über den doctrinären Abfichten die Erbauung
der Gemeinde nicht zu vergeffen. Freilich wird der
Homiletiker bei mancher Predigt das Bedenken erheben
müffen, dafs die gewählten Bibeltexte doch nur als An-
lafs benutzt werden, über ein beftimmtes Capitel der
Dogmatik einen erbaulichen Vortrag zu halten; es ift
nicht gelungen und konnte auch bei der Abficht des
Verfaffers fchwerlich gelingen, wirklich nur aus dem
Schriftwort felbft zu fchöpfen und an dem fchlichten Inhalt
desfelben fich genügen zu laffen. Das Arfenal, aus
dem der Verfaffer fortwährend feine Vorräthe hervorholt
, ift die Dogmatik und vor allem die moderne Apologetik
. Wer über die immanente Trinität nach Matth.
28,19 predigen will, der redet eben nicht mehr über
feinen Text, fondern wie fein Beifpiel uns zeigt, über
die Speculationen eines Auguftin und anderer Väter.
Was mir die vorliegenden Predigten zu einem ganz be-
fonders intereffanten und lehrreichen Document der in
weiten kirchlichen Kreifen verbreiteten Anfchauungen
macht, das ift der zwiefpältige Glaubensbegriff,
hätte man diefe Zumuthung noch naiv nennen können. ; der fich in denfelben kund giebt und recht deutlich das

Amalgam reformatorifch-evangelifcher und katholifch-
traditioneller Gedanken vom Glauben verräth, das in

Kann man das heute noch?

Kiel. Otto Ritfehl

Borgius. 1. Senior Konfift.-R. 1. Phr. Dr. Eug., Der christliche
Glaube nach den drei Artikeln des Apoftolifchen
Glaubensbekenntnifses in einem Jahrgang von Predigten
, zum 300jährigen Jubelgedächtnis feines gröfsten
Amtsvorgängers des Seniors der Unität Arnos Co-

weiten Kreifen als die allein legitime Gläubigkeit angesehen
wird. Borgius hat in der fyftematifchen Ueberficht
mit Recht feine Septuagefimä-Predigt über den felig-
machenden Glauben an die Spitze geftellt. Vortrefflich
ift, was er hier und fonft gelegentlich feine Gemeinde
lehrt, Glaube fei nicht ein Wiffen, fondern eine innere
Gewifsheit von dem, was man nicht fehe- nicht
eine blofse Ueberzeugung, die auf Anzeichen und Gründe