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Ausgabe:

1893 Nr. 5

Spalte:

131-133

Autor/Hrsg.:

Wünsche, August

Titel/Untertitel:

Midrasch Tehillim oder haggadische Erklärung der Psalmen 1893

Rezensent:

Dalman, Gustaf

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131 Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 5. 132

Ich theilc den theologifchen Standpunkt des Verf.'s
nicht und kann an manchen Stellen feiner Auffaffung
vom urfprünglichen Sinn einer Parabel nicht beipflichten,
aber meine dankbare Liebe zu dem greifen Theologen
ift durch folchen Widerfpruch nie verringert worden;
diefer Kiinftler von Gottes Gnaden fcheint mir insbe-
fondere auch ein Meifter in der feltenften Kunft, feft und
entfchieden feine Meinung zu vertreten, ohne doch Andersdenkende
je zu verletzen oder auch nur unbefriedigt zu
laffen. Unfere Pfarrer und Laien werden gewifs alsbald
das gedankenreiche Buch zu den Edelfteinen in unferer
religiöfen Literatur rechnen.

F. Nippold, von dem offenbar die Anregung zu diefer
deutfchen Ausgabe herrührt, hat ein Vorwort beigegeben,

cenfion hätte deshalb eine gröfsere Beachtung verdient,
und es ift recht bedenklich, dafs nicht wenige den Sinn
beftimmende Lesarten derfelben von Buber weder im
Text noch in den Anmerkungen feiner Ausgabe erwähnt
wurden. Wir bemerken dies nur, um der Meinung vorzubeugen
, als befäfsen wir jetzt eine wirkliche kritifche
Ausgabe jenes Midrafch. Auch diefes Werk Buber's
bietet nur eine werthvolle Sammlung handfchriftlicher
Lesarten und manche nützliche Bemerkung zum Text.
Der Befitz der alten Druckausgaben ift für das Studium
immer noch unerläfslich. Es ift natürlich berechtigt,
wenn Wünfche die von Buber publicirte Recenfion des
Midrafch zu den Pfalmen und nicht die des erften
Druckes feiner Ueberfetzung zu Grunde legt. Aber trotz

S. XIV—XVI Worte der Widmung an das grofsherzog- 1 der Bemerkung Wünfche's auf S. IX f. will mir eine

liehe Paar, vorher S. V ff. ,die wichtigften Perfonalien
über C. E. van Koetsveld', namentlich Mittheilungen über
das Anfehen, das er in feiner Heimath als Menfch und
als Schriftfteller geniefst. Gerne fähe ich diefen Abrifs
noch vollftändiger; ich wünfehte den vielen Lefern ,der
Gleichnifse', denen Nippold's gröfsere Werke mit genaueren
Angaben nicht zugänglich find, doch auch einen

Andeutung der von Buber in den Text aufgenommenen
Zufätze in der Ueberfetzung unerläfslich und auch durchführbar
erfcheinen. Unverftändlich ift mir, wie Wünfche
ebenda behaupten kann, Buber habe die fehlerhaft kürzeren
Stellen' in eckige Klammern, die ,Emendirungen'
in runde Klammern eingefchloffen. In Wirklichkeit bezeichnen
bei Buber eckige Klammern von ihm empfoh-

Ueberblick über Koetsveld's fo vielfeitige und fruchtbare lene Lesarten oder Zufätze zum Text der abgedruckten
Thätigkeit; und wenigftens die Jahre, in denen die beiden [ Handfchrift, runde Klammern verworfene Lesarten.
Bearbeitungen der ,gelijkenissen< erfchienen find, hätten Irrthümlich meint Wünfche S. VI, dafs die Ausgabe

wohl irgendwo genannt werden müffen. Meiner Arbeit des Midrafch Saloniki 1515 den Midrafch zum ganzen
an den Gleichnifsen Jefu thut Nippold hier in der freund- pfalter enthalte. Die vermeintliche Ausgabe Saloniki 1515
hchften Weife Erwähnung ; um fo mehr glaube ich den ift nur ein Anhang zur Ausgabe Konltantinopel 1512, von

Satz S. XIII, ohne mifsverftanden zu werden, beanftanden
zu dürfen: ,Andererfeits wird die überkünftliche Quellen-
conftruetion von B. Weifs, von der Jülicher mit fo grofsem
Lob redet, wohl nirgends fo fehr ad absurdum geführt
wie bei diefer in fich gefchloffenen Poefie ohne Gleichen'.

welchem weder die Jahreszahl noch der Druckort völlig
feftfteht. Auch mein Exemplar wie das von Buber benutzte
enthält hierüber keine Andeutungen.

Der fchwieriglte Theil der Ueberfetzung der jüdifchen

Schwerlich hebt man den höchften Werth der Parabeln M'drafchwerke befteht in der Wiedergabe der in den
Jefu hervor, wenn man fie als ,in fich gefchloffene Poefie Korten des Bibeltextes von den Haggadiften gefundenen
ohne Gleichen' feiert; ob fie nach diefer Seite fo Uner- Andeutungen Dergleichenlafst fich deutfeh oft garnicht
reichbares darfteilen, ift mehr als zweifelhaft, und wes- ausdrucken. Um fo nothiger ift, dafs die hebraifchen
halb bei verfchiedenfach überlieferten hochpoetifchen i Stichwortes^

Stücken detaillirte Quellenkritik minder am Platz fein *eilr werden" Wünfche ift dann nicht mit der nothigen
follte und leichter als bei profaifchen Abfchnitten ad Confequenz verfahren Einige Be.fpiele mögen dies er-
absurdum geführt würde, vermag ich nicht einzufehen. ' lautern: Zu 1 falm ™ 1 wird von Midrafch ]ehill,m
Dafs die Quellenconftruction von B. Weifs immer das eine Deutung von Jef. 41 2 mitgethe.lt. Wünfche
Rechte trifft, ift damit nicht gefagt; meines Willens habe uberfetzt: Der Gerechte (p-«) begegnet ihm zu
ich fie (tets höchft fcharffinnig und beftechend gefunden, , fueInen.£ u{sfn £ '■ der Gerechte der Welt begleitete
aber keineswegs fie aeeeptirt; ich glaube zu denen zu j »hJ?' Aber der Gaggad.fi: meint gar nicht, dafs man
gehören, die im Gegenfatz zu der theologifchen Gewöh- ! J.ef- 4L ».pT* mlt ,der Gerechte' uberfetzen folle, ihm
nung, alles ficher zu entfeheiden und auf alle Fragen j !'e^ nur "P1 eine Hindeutung auf WH». Aufserdem
eine Antwort zu wiffen, am Beftimmteften gerade auch I f 1?^ willkürlich mit dem Plural wiedergegeben und
bei den Problemen neuteftamentlicher Exegefe und Kritik ! das -Geleiten' der Deutung in der Ueberfetzung desTextes
das ignoramus et ignorabimus vertreten. g.ar ™** ausgedruckt. Die Ueberfetzung, bei der wir

ö ö : die wichtigen Abänderungen unterftreichen, follte lauten:

Marburg. Ad. Jülicher. J.Gerechtigkeit (p-js) begegnet ihm auf feinem

-—— FTTfs7TaV~t] der Gerechte (p"Hx) der Welt [d. h. Gott]

Wünsche, Prof. Dr. Aug., Midrasch Tehillim oder hag- gaD ihm das Geleit'. Bei demfelben Pfalm überfetzt
gadifche Erklärung der Pfalmen. Nach der Textaus- j Wünfche: ,Als er aber fah, dafs eine Herrfchaft die
gäbe vonSalomon Buber zum erften Male ins Deutfche andere auch nicht um ein Haar breit berühre, fprach er:

überfetzt. 7 Lfgn. Trier, Sigm. Mayer, 1891/92. (X, Setze dicb zmr^ fechten d. i. warte auf Saul,
^ ' , .» den Sohn des Kifch den Mann Jemim, denn noch ge-

303 u. 255 S. gr. 8.) a M. 2. — : hört ihm die Stunde (d. i. denn noch hat er Zeit), und

Das neue Ueberfetzungswerk Wünfche's hat zu feinem j nach dem Tode Sauls follft du regieren. Ich fetze
Gegenftande den Midrafch zu den Pfalmen ,nach der deine Feinde als Schemel deiner Füfse'. Hier ift
Textausgabe von Salomon Buber', oder, wie es fach- nicht deutlich gemacht, wie David — im Sinne des Hag-
entfprechender heifsen würde, nach der von Salomon J gadiften — auf Saul zu reden kommt, auch keine Be-
Buber gedruckten Recenfion diefes Midrafch. Buber fagt ziehung zwifchen dem zweiten Theil der Schriftftelle und
S. 82 feines Vorworts, dafs er den Text des Cod. 1232 j der Deutung ift hergeftellt. Daneben finden fich noch
der Bibliothek de Roffi in Parma feiner Ausgabe zu 1 einige andere Ungenauigkeiten. Es mufs heifsen: ,Als
Grunde gelegt habe und denfelben mit Kenntlichmachung er [Gott] aber fah, dafs eine Herrfchaft die andere auch
der Hinzufügungen nach anderen Handfchriften ergänzt, nicht um die Breite eines Haares (durch gleichzeitiges
Nun ift aber nach Buber's eigenen Mittheilungen die von Beliehen] berühren dürfe, fprach er zu mir: ipyoib 3©
dem Konftantinopolitaner Druck und von Cod. 76 Vatic. ; [d n warte auf Saul den'Sohn des Kifch den Jeminiten
und Cod. 152 Parif. vertretene Recenfion die kürzefte, , . . .. . • „ y •„ , ,

hat alfo die Annahme für fich, dafs fie der urfprüng- ^W °^' denn noch gehort ,hnl "55 Zelt; aber nach
liehen Form des Midrafch am nächften ftehe. Diefe Re- Sauls Tod wirft du König werden [wie es heifst]: Ich