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Ausgabe:

1893 Nr. 4

Spalte:

115-117

Autor/Hrsg.:

Nebe, August

Titel/Untertitel:

Der kleine Katechismus Luthers, ausgelegt aus Luther‘s Werken 1893

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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H5

Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 4.

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das Erlöfungswerk Jefu Chrifti näher befchreiben und ausführen
, und dafs Luther in dem fraglichen Hauptartikel
die ganze evangelifche Lehre habe zufammenfaffen
wollen. Endlich wird die metaphyfifche Auffaffung der
Gottheit Chrifti einer Kritik unterworfen, und auch in
formal theologifcher Beziehung ihre Schwäche im Vergleich
mit der praktifch religiöfen Anfchauung Jefu als
unteres Herrn und Gottes aufgewiefen. Als letztes Stück
ift in der vorliegenden Schrift eine Predigt über die
Lehre von Gott abgedruckt, deren Verfaffer, der frühere
Hamburger Paftor Johann John, durch feine Predigten
und Schriften Köfter die erften entfcheidenden Anregungen
zu feiner Auffaffung vom Chriftenthum gegeben hat und
ihm damit ,zuerft eine Frühlingsahnung einer Theologie
brachte, wie er fie fpäter bei v. Hofmann und Ritfehl
fand1 (S. 60. Anm. vgl. S. 54. 59. Anm.).

Die Ausführungen des Verfaffers find von einer
warmen Religiofität und von freudiger, begeifterter Glau-
benszuverficht getragen. Als theologifche Unterfuchung
ift feine Schrift gründlich, forgfältig und fcharfftnnig.
Nur find die Erörterungen manchmal etwas fchwerfällig
und nicht fehr überfichtlich. Dazu tragen zum Theil die
langen Citate bei, die an einigen Stellen in den Text
verflochten find, und namentlich die allzu reichliche Anwendung
eines dreifach abgeftuften Sperrdrucks. Von
den vorhandenen Druckfehlern kommt wohl nicht auf
Rechnung des Setzers die Form ,Patripafchianer' ftatt
jPatripaftianer' (zweimal S. 22).

üb die Hoffnungen, welche der Verfaffer in dem
erften Abfatz feines Vorworts äufsert, trotz der gut gelungenen
Beweisführung für feine Anficht, grofse Ausficht
auf Erfüllung haben, ift mir nicht wahrfcheinlich.
Denn an Egidy fcheinen fleh doch vorwiegend folche
angefchloffen zu haben, denen, wie ihm felbft, vor allem
hiftorifcher Sinn und hiftorifche Bildung mangeln, und die
daher auch der Abficht des Verfaffers wohl kaum ein
Minimum von Verftändnifs entgegenbringen mögen.
Aehnlich wird es wohl mit den meiften Gegnern der
confeffionell-evangelifchen Jugenderziehung ftehen, für
die man fleh auch überhaupt erft ohne Vorbehalt wird
entfeheiden können, wenn die Abficht fie durchzuführen
der katholifirenden Momente entkleidet ift, die den Zed-
litz'fchen Gefetzentwurf beherrfcht haben. Um fo beffer
fcheint fich freilich die Köfter'fche Schrift dazu zu eignen,
junge Theologen in das Verftändnifs der Reformation
und ihrer Bekenntnifsfchriften einzuführen.

Kiel. Otto Ritfchl.

Nebe, Prof. Pfr. D. Aug., Der kleine Katechismus Luthers,
ausgelegt aus Luther's Werken. Stuttgart, Greiner &
Pfeiffer, 1891. (IX, 397 S. gr. 8.) M. 4. 8o; geb. M. 6. —

Als ein hoffnungsvolles Zeichen der Zeit auf ka-
techetifchem Gebiete haben wir es zu begrüfsen, dafs die
Bearbeitung von Luther's kleinem Katechismus wieder
beginnt, aus dem reichen Borne Luther's felbft zu
fchöpfen. Den Werken von Hardeland (Göttingen 1889),
Dörries (ebenda 1891) fchliefst fich in ebenbürtiger Weife
das Werk von Nebe an, in welchem wir den bekannten
Sammelfleifs des fruchtbaren Schriftftellers aufs neue
bewährt finden. Zwar zur Anslegung find nicht ,Luther's
Werke' ausgenutzt (wie der Titel angiebt), es find nur
die f. g. katechetifchen Schriften Luther's, hie und da
auch die homiletifchen, herbeigezogen, — eine die Sache
nur fördernde Befchränkung. Von gleichartigen Vorarbeiten
ift dem Verf. nur Hardeland's Buch bekannt geworden
, nicht die in der ,Vorrede' Hardeland's angeführten
Schriften neueren Datums; auch die Vorarbeiten,
wie fie u.a. in dem 5. Capitel des Hauptregifters zu Band X
der Altenburger Lutherausgabe und in Chr. Matth.
Seidel: Der kleine Katechismus Herrn Dr. M. L.,
fonderlich aus dem grofsen erklärt etc. (Stendal 1713)
fich finden, find nicht erwähnt.

Dem Danke für des Herrn Verf.'s reiche und fchöne
Gabe möchten wir nichts abbrechen, wenn wir auf folgende
Umftände, mit denen wir nicht einverftanden find,
aufmerkfam machen.

Der Haupteinwand, den wir gegen das Werk erheben
, bezieht fich darauf, dafs, wie uns fcheint, der
Herr Verf. feine Aufgabe fich nicht klar geftellt hat. Ein
zwiefacher Weg ftand dem Verf. offen. Entweder follte
eine Gefchichte der katechetifchen Anfchauungen
Luther's hauptfächlich von 1518 an gegeben werden;
in diefem Falle empfahl fich der chronologifche
Weg, den der Herr Verf. einfchlägt, aber es durfte dann
auch nichts ausgelaffen werden, worin Luther der in der
römifchen Kirche traditionellen Anfchauung und Behandlung
der Katechismusftücke folgte. Es würde eine
rein wiffenfehaftliche Aufgabe fein, bei deren Behandlung
es jedoch mindeftens fraglich fein dürfte, ob
der kleine Katechismus Luther's derfelben zu Grunde zu
legen fei. Oder die Aufgabe ift praktifcher Art; es
foll an der Hand des kleinen Katechismus Material zur
Erklärung bezw. zur weiteren Ausführung aus Luther's
katechetifchen Schriften dargeboten werden. In diefem
Fall würde der chronologifche Weg nicht angebracht
fein. Es müfste die authentifche Ausführung des kleinen
Katechismus (vgl. die Vorrede hierzu), nämlich der
grofse Katechismus, die Grundlage bilden, und die
übrigen fog. katechetifchen Schriften Luther's könnten
zur näheren Beleuchtung einzelner Ausführungen herbeigezogen
werden. Der Herr Verf. hat diefe beiden Möglichkeiten
vermifcht und dadurch feine Aufgabe und
deren Durchführung verwirrt. Er verfährt chronologifch,
aber nicht fo, dafs er die katechetifchen Anfchauungen
Luther's jedesmal vollftändig giebt, fondern er wählt aus
den verfchiedenen Schriften aus, was ihm praktifch benutzbar
fcheint; die Gefichtspunkte, auf die es ankommt,
werden leicht durch eine Fülle von Einzelheiten verdeckt
, und das Befte, nämlich der grofse Katechismus,
kommt oft fo ziemlich zuletzt.

Ganz diefelbe Unklarheit herrfcht in Betreff des
Katechismustextes. In § 4 der Einleitung wird erklärt,
es folle der Wortlaut Luther's feftgeftellt werden, wenn
auch nicht in der damaligen Schreibung. Allein als Text
des erften Gebotes wird aufgenommen: ,Ich bin der
Herr, dein Gott, du follft nicht andere Götter haben
neben mir', obgleich anerkannt wird, dafs in keiner Originalausgabe
des Katechismus die Worte: ,Ich bin der
Herr dein Gott' und ,neben mir' fich finden. In den
Text des zweiten Gebotes wird die Drohung aufgenommen
: ,denn der Herr wird den nicht ungeftraft laffen,
der feinen Namen mifsbraucht', obgleich wiederum anerkannt
wird, dafs fie erft nach Luther's Tod hineingekommen
ift. So geht es fort durch das ganze Buch. Aber
auch nicht fchliefst der Herr Verf. an einen beftimmten
Normaltext (etwa den Eifenacher) fich an, fondern nach
gewiffen praktifchen Erwägungen wählt er aus den vorhandenen
unzähligen Textrecenfionen jedesmal die ihm
paffende aus. Praktifch und den Bemühungen um einen
gemeinfam zu reeipirenden Text förderlich fcheint uns
dies Verfahren nicht zu fein.

Dafs ,der Uebergang von dem erften Hauptftück zum
zweiten' (S. 160 ff.) ganz in traditioneller Weife hergeftellt
wird und die hauptfächlich von Steinmeyer datirenden
neueren Unterfuchungen, die in ihren Ergebnifsen unferes
Erachtens auf die reformatorifchen Gedanken Luther's
felbft zurücklenken, nicht anerkannt werden, foll hier nur
mit Bedauern conftatirt werden.

Durch feine Quellen ift der Herr Verf. veranlafst, auf
das erfte Hauptftück den gröfsten Raum zu verwenden.
Während dies 167 S. in Anfpruch nimmt, wird das zweite
auf 78, das dritte auf 73, das vierte auf 41, das fünfte
auf 34 Seiten behandelt. Der Schaden unferer Katechismus-
Erklärungen und des gewöhnlichen Katechismus-Unterrichts
, das erfte Hauptftück fo ausführlich zu behandeln,