Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1893

Spalte:

79-81

Autor/Hrsg.:

Thomas, Carl

Titel/Untertitel:

Theodor von Studion und sein Zeitalter. Ein Beitrag zur byzantinischen Kirchengeschichte 1893

Rezensent:

Dräseke, Johannes

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

79

8o

als Kofi der Mönche und Einfiedler in Paläftina fchon
über ioo Jahre früher fehr beliebt und ganz gewöhnlich
waren. Marcus Diaconus erzählt uns im ,Leben des Bi-
fchofs Porphyrios von Gaza', des Mufters mönchifcher
Vollkommenheit, dafs derfelbe für gewöhnlich Brot und
Gemüfe nur nach Sonnenuntergang genofs, an heiligen
Tagen aber um die fechfte Stunde, aufser Olivenöl und
Käfe, eingeweichte Bohnen {ßgexrcöv oOstgicov Cap. IO,
S. 176, 28 Haupt) zu fich nahm. Diefelbe Kofi, u. a. auch
ßgexxov oOtcqlov läfst der Bifchof fich und feinem treuen
Diakon Marcus von dem heidnifchen Mädchen bringen,
das fie vor der Wuth des heidnifchen Pöbels in ficheren
Verfleck gebracht hat (Cap. 98, S. 213, 16 u. 21: ö 6h
oOioq agxov xal ßgexrov oöstgiov xccl vöaroq seil, pexe-
Zctßev). — Krumbacher's ,Studien zu den Legenden
des h. Theodofios' feien hiermit der Beachtung theolo-
gifcher Lefer empfohlen.

Wandsbeck. Johannes Dräfeke.

Thomas, Carl, Theodor von Studion und sein Zeitalter.

Ein Beitrag zur byzantinifchen Kirchengefchichte.
(Leipziger Inaug.-Diff.) Osnabrück, [Lückerdt], 1892.
(139 S. gr. 8.) M. 4. -

Wie fchwach es im allgemeinen mit unferer Kennt-
nifs der Kirchengefchichte des Byzantinifchen Mittelalters
fleht, ift bekannt. Einige bedeutende Perfönlich-
keiten und entfeheidende Thatfachen find durch die
Forfchung unferer Zeit aufgehellt worden; ich denke be-
fonders an Photios und die Kirchentrennung vom Jahre
1054. In beiden Fällen find es katholifche Gelehrte,
denen wir unfere genauere Kenntnifs verdanken, für
jenen, den berühmten Patriarchen, ift es Hergenröther,
für diefe Gfrörer im 3. Bande feiner ,Byzantinifchen
Gefchichten'. Von Arbeiten proteftantifcher Forfcher
feien Gafs' fchöne Werke (nebft Textveröffentlichungen)
über Nikolaos Kabafilas, fowie über Gennadios und
Plethon unvergeffen. Etwas eingehender hat fich fodann
befonders Kurtz in feinem Handbuch der Kirchengefchichte
um die byzantinifche Theologie gekümmert,
und Harnack in feiner Dogmengefchichte die grofsen,
dogmatifch wichtigflen Erfcheinungen berückfichtigt und
geiftvoll in ihrer Bedeutung gewürdigt und gekennzeichnet
, foweit dies eben der gegenwärtige Stand der Forfchung
zuläfst und möglich macht. Das ift es aber gerade,
woran vor der Hand aller weiterer Fortfehritt hängt,
der Stand der Forfchung. Auf völlig unzulänglichem
Grunde unternahm es fchon vor zwei Menfchenaltern
Ulimann, in den ,Studien und Kritiken' (1833, Heft 3,
S. 647—743) ,Nicolaus von Methone, Euthymius Zigabe-
mus und Nicetas Choniates oder die dogmatifche Ent-
wickelung der griechifchen Kirche im zwölften Jahrhundert
' zur Darfteilung zu bringen. Um ein Menfchenalter
fpäter waren dann die Hellenen Simonides und De-
metrakopulos fleifsig bemüht, bedeutende Schriften von
Theologen des byzantinifchen Mittelalters aus den flillen
Winkeln der Bibliotheken hervorzuziehen und durch den
Druck zugänglich zu machen, beide mit dem unverfchul-
deten Mifsgefchick, dafs ihre Ausgaben Jahrzehnte lang
völlig unbeachtet blieben (vgl. meine Nachweifungen in
der Theolog. Literaturztg. 1891, Nr. 13, Sp. 333/334).
So ift es hauptfächlich der Mangel an Licht und Auf-
fchlufs gebenden Veröffentlichungen unbekannter Schriften
und Schriftfteller fowohl wie leider auch an genügender
Kunde und Benutzung des bisher Gebotenen, der
formelleren Fortfehritt auf diefem Gebiete in widriger
Weife gehemmt hat. Jetzt beginnt fich's erfreulich zu
regen. Zwar liefs Kr um ba eher's ,Gefchichte der byzantinifchen
Litteratur', wie Ref. an diefer Stelle (1891, Nr. 13,
Sp. 332) rügen mufste, noch eine befondere Berückfich-
tigung der Theologie vermiffen, aber derfelbe umfichtige
Gelehrte verfpricht diefem Mangel in der von ihm in's |

Leben gerufenen /Byzantinifchen Zeitfchrift' (I, 1. S. 6/7)
gründlich abzuhelfen, und wir haben allen Grund, feinem
redlichen Streben und feiner Zufage zu vertrauen. Es
bedarf eben noch viel zahlreicherer Einzelunterfuchungen,
als die meiften Theologen gewöhnlich anzunehmen geneigt
find. Eine folche liegt uns in der oben genannten
Schrift von Carl Thomas über Theodoros von Studion
und fein Zeitalter vor. Die Zeit des Kampfes, welche
er nach den Quellen fchildert, ift eine der lehrreichften,
die Tiefen des religiöfen Bewufstfeins des hellenifchen
Volkes lange gefährlich erfchütternden, die Zeit der ein
volles Jahrhundert (726—787 bezw. 814—842) währenden
Bilderftreitigkeiten. Es handelt fich da um die Freiheit
der Kirche von jeglicher ftaatlicher Bevormundung, um
die Befeitigung jeglicher Form des Cäfaropapismus; Führer
und Rufer in diefem Streit ift eben Theodoros
von Studion. Der Kampf ift auch deshalb für uns
heute noch fo lehrreich, weil die Nachwirkungen des-
felben — worauf freilich Thomas nicht mehr geblickt
hat — fich deutlich bis in's 15. Jahrhundert erftrecken
und zur Erklärung fowohl der Annäherungsverfuche
mehrerer griechifcher Kaifer an das Abendland, als befonders
ihrer Beftrebungen, fich mit Rom und der abend-
ländifchen Kirche zu einigen, nothwendig herangezogen
und berückfichtigt werden müffen. Treten wir nach die-
fen die Sache unmittelbar berührenden Vorbemerkungen
an die Schrift von Thomas heran. Die quellenmäfsige
Grundlage, von der aus der Verf. feine Arbeit unternahm
, ift eine ziemlich breite. Alles bis jetzt Gedruckte —
nämlich Theodoripraepos. Studit. epistolae (zwei Bücher
bisher gedruckt, das erfte 57, das zweite 221 Briefe um-
faffend, bei Migne, Patr. Graec. XCIX, 903 —1116), Theodori
oratio funebris in Platonem, zwei Vitae Tlwodori (A
wahrfcheinlich von dem dem Anfang des 10. Jahrhunderts
angehörigen Theodoros Daphnopates, B von dem Mönch
Michael, einem Zeitgenoffen des Theodoros), Iguatü Vita
Tarasie (leider nicht nach Heikel's Ausgabe, Helfing-
fors 1889, griechifch angeführt und benutzt, fondern in
der lateinifchen Ueberfetzung) und desfelben Vita Nice-
phori (gleichfalls nicht in de Boor's Teubner'fcher Nike-
phoros-Ausgabe, 1880, benutzt) und die Vita Nicetae —
ift von ihm mit Verltändnifs und Sorgfalt verwerthet
worden. Aber eine Reihe höchft wichtiger Urkunden
hat auch von diefem fleifsigen jungen Mitarbeiter auf
dem Gebiete byzantinifcher Kirchengefchichte noch nicht
herangezogen und benutzt werden können, weil diefelben
noch ftill und ungeftört in der Parifer Bibliothek ruhen.
Es find Theodoros' Briefe, die nach Fabricius in
Paris in fünf Büchern noch vollftändig erhalten
und, wie das bei Migne Gedruckte zeigt, nur zum
kleinften Theile veröffentlicht find. Sollte fich
nicht bald ein junger Philologe mit hinlänglich reger
Theilnahme und dem nöthigen Verltändnifs für theologifche
und kirchliche Fragen oder ein genügend philologifch
gebildeter Theologe finden, der gelegentlich den in Paris
fchlummernden Schatz zu heben und dann der gelehrten
Welt zugänglich zu machen fich entfehlöffer Gerade des
Theodoros Briefe find, wie die gedruckt vorliegenden
zeigen, von befonderer Wichtigkeit, und jene Arbeit
wäre darum eine ganz ausnehmend verdienftliche. Was
nun Thomas' Ausführung anlangt, fo kann felbftver-
ftändlich von ihm billigerweife nicht verlangt werden,
dafs er auf jenem geiftig fo lebhaft bewegten Gebiete
der byzantinifchen Kirchengefchichte, befonders auch an-
gefichts des eben berührten Mangels der Vollftändig-
keit unferer Kunde von der handfehriftlichen Ueber-
lieferung, in allen Stücken das Richtige getroffen. Berichtigungen
in Einzelheiten werden in folchem Falle
ftets möglich und nöthig fein. Aber Ref. kann nicht umhin
, feiner Freude und feiner Anerkennung darüber Ausdruck
zu geben, dafs derfelbe ein folches Gebiet und
eine folche Perfönlichkeit wie Theodoros von Studion in
einer Einzeldarftellung in Angriff zu nehmen den Muth