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Ausgabe:

1893 Nr. 2

Spalte:

59-60

Autor/Hrsg.:

Blech, Ernst

Titel/Untertitel:

Pfarramtsideal, dargestellt seinen Amtsbrüdern und der denkenden Gemeinde 1893

Rezensent:

Köstlin, Heinrich Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 2.

60

Kirchengefang-Vereine hingewiefen werden als auf eine
Erfcheinung, die in der Richtung der von Knecht durch
feine Schrift (Luthers Verdienft um Mufik und Poefie
1817) gegebenen Anregung liegt, wie denn auch gerade
die Heimathftadt Knechts, Biberach, in faft ununterbrochener
Folge Knechts Erbe hierin bewahrt hat, was
ihr zu hoher Ehre gereicht. Zu S. 53 geftatte der Verf.
die Bemerkung, dafs Wolfrum's dort in der Anmerkung
angeführtes Buch nicht das erfte ift, in welchem fich
,ein gefunder hiftorifcher Sinn gegen die mit viel Scharf-
finn, aber ohne innere Wahrheit gemachten Combina-
tionen in manchen Schriften für Luther's Autorfchaft'
regt. Schon vor 11 Jahren bemühte ich mich, die hier
gemeinten Combinationen Bäumker's über die Quelle von
,Ein fefte Burg' auf das richtige Mafs zurückzuführen
(,Luther als der Vater des ev. Kirchengefangs'. Leipzig
1881), und ich bin nicht der einzige gewefen, wie in
den /Blättern für Hymnologie' in den achtziger Jahren
nachzufehen ift.

Darmftadt. H. A. Köftlin.

Blech, Archidiac. Ernft, Pfarramtsideal, dargeftellt feinen
Amtsbrüdern und der denkenden Gemeinde. Leipzig,
H. Bredt, 1891. (XV, 267 S. 8.) M. 3.— ; geb. M. 4.— ')

Das vorliegende Buch berührt fich ftoffiich vielfach
mit dem, was man gewöhnlich unter dem Titel der
Baltoral zu begreifen pflegt. Es befpricht zuerlt die Vor-
ausfetzungen des Pfarramts, beziehungsweife die per-
fönlichen Erfordernifse zur Führung desfelben (,Wer foll
Pfarrer werden'? ,Wer. darf Pfarrer fein'?), geht dann
über zu der Führung des Pfarramt's, handelt unter die-
fcm Titel von den erften Amtsjahren des Pfarrers, den
Gemeindeverhältnifsen, wie fie vielfach find aber nicht
fein füllten, von der Seelforge als der eigentlichen Seele
und oberften Aufgabe des Pfarramtes, von der Fortbildung
des Pfarrers, von den übrigen befonderen Obliegenheiten
des Pfarrers. Der dritte Abfchnitt deckt
mit Freimuth die Hinderungen und Gefahren des Pfarramtes
bezw. der Seelforge auf und zeigt den Weg zu
ihrer Ueberwindung (Bildung von leicht überfehbaren
Gemeinden, Organifirung derfelben nach dem Grundfatz
des allgemeinen Priefterthums, u. f. f.), entwirft ein überaus
anziehendes, Manchem wohl zu optimiftifch gehaltenes
Bild von der zukünftigen Kirchgemeinde-Arbeit und
fchliefst mit einem beherzigenswerthen Wort über den
Segen und Ertrag des Pfarramtes. Von einer Paftoral-
theorie unterfcheidet fleh das Buch, wie aus der kurzen
Inhaltsangabe erfichtlich, fchon äufserlich dadurch, dafs
es nicht ftreng fyflematifch zu Werke geht; es hätte
fonft mit der Definition der Aufgabe des Pfarramtes begonnen
werden müffen, ehe von den perfönlichen Er-
fordernifsen zur Führung desfelben gehandelt werden
konnte. Aber der Verfaffer zieht es mit Bedacht vor,
empirifch zu Werke zu gehen, in die Verhältnifse, wie
fie fich ihm in der Wirklichkeit darbieten, hineinblicken
zu laffen, das Ungenügende und Unbefriedigende daran
zur Empfindung zu bringen und den Lefer hiedurch für
das ,Ideal' (Ein Pfarrer in der leicht überfchaubaren, zu
lebendigem Organismus ausgeftalteten Gemeinde) zum
Voraus zu ftimmen und zu erwärmen. Allzuftrenge Anforderungen
dürfen fchon deshalb an das Buch nicht
geftellt werden, weil es gar nicht den Anfpruch darauf
erhebt, in fyftematifcher und grundfätzlicher Weife ab-
zufchliefsen, vielmehr zur lebhaften Befprechung anregen,
ja ftellenweife ausdrücklich zum Widerfpruch herausfordern
möchte. Manche Aufftellung ift deshalb etwas
auf die Spitze getrieben oder in einfeitiger Schärfe hin-
geftellt. Eine Fülle fchöner, beherzigenswerther Gedan-

1) Die Anzeige diefes Buches ift durch den Amts- und Wohnorts-
Wechfel des Referenten ohne Schuld desfelben verzögert worden.

ken, das warme Intereffe des Herzens und die frifche
Begeifteiung für das Ideal, welche den Worten abzufühlen
ift, verföhnen mit einer gewiffen, ftellenweife ermüdenden
Umftändlichkeit der Darflellung, die von nicht dringend
gebotenen Wiederholungen nicht frei zu fprechen
ift. Auf das Einzelne einzugehen verbietet bei der
Reichhaltigkeit des zur Befprechung Gebrachten hier
der Raum. Nur Eine Bemerkung fei geftattet. So lebhaft
wir dem Verf. darin beipflichten, dafs die eigentliche,
bewegende Seele, der leitende Gedanke aller pfarramtlichen
Thätigkeit die Seelforge ift, halten wir es doch
für bedenklich, den Pfarrer mit dem Seelforger zu iden-
tificiren: denn einmal ift es nicht die Seelforge, die den
Pfarrer auf dem Boden evangelifcher Anfchauung von den
übrigen Gemeindegenoffen unterfcheidet, das Eigenthüm-
liche feines Berufes ausmacht, obfehon fie für deffen
Ausübung, die ijfioxont; wie die öia/.ovia zov Xöyov der
mafsgebende, leitende Gedanke ift; fodann fallen dem
Pfarrer als dem mit der berufsmäfsigen suioxofcy über
den Gemeinde-Organismus und mit der berufsmäfsigen
öiax.ovia zov Xoyov Betrauten eine Menge von Verpflichtungen
zu, die mit der Seelforge nur in fehr äufser-
lichem Zufammenhang flehen. Der Verf. beftätigt das
thatfächlich felbft dadurch, dafs er zur Seelforge ausdrücklich
unter Berufung auf den Grundfatz des allgemeinen
Priefterthums Helfer aus der Gemeinde herangezogen
fehen will und in dem Bilde von der zukünftigen
Kirchengemeinde-Arbeit den Pfarrer keineswegs auf die
Seelforge im engeren Sinn befchränkt. Auch klingt es
mifsverftändlich, wenn er als die Aufgabe des evangeli-
fchen Pfarrers bezeichnet, ,Seelen zu führen' — der
Seelenführer, der director animae ift ein katholifcher Begriff
; der evangelifche Seelforger hat die Aufgabe, den
ihm anvertrauten Seelen durch Darreichung des Heilsworts
zu dienen, wo, wann, foweit fie des Dienftes bedürfen
: principiell ift jeder Chrift fein eigener Seelforger
, wenigftens zunächft. — Bezüglich der von dem
Verf. geäufserten Wünfche für die Zukunft freuen wir
uns conftatiren zu können, dafs viele derfelben wie die
Claffification derPfarr-Befoldungen(an Stelle des Pfründen-
Syftems), die Verwaltung der Pfarrgüter durch die Cen-
tral-Stelle (ftatt durch den Pfarrer), die Zerlegung der
grofsen Stadtgemeinden in Parochien u. a. in einzelnen
Landeskirchen, wie in der Grofsh. hefsifchen mit gutem
Erfolge erledigt find. — Willkommen wäre bei der Frage
der Heranziehung der kirchlichen Organe zur kirchlichen
Arbeit die eingehende Erörterung der wichtigen Frage
gewefen, ob dabei der Grundfatz der Gebiets- d. i. Be-
zirkstheilung oder der Arbeitstheilung mafsgebend fein
folle. Denn dafs den Kirchenvorftehern, fowie fie meift
eben find, mit dem Amt immer auch gleich der Ver-
ftand, bezw. das für die ihnen zugedachte Arbeit erforderliche
Charisma komme, möchten wir bezweifeln.

Darmftadt. H.A. Köftlin.

Bibliographie

von Bibliothekar Dr. Johannes Müller.

Berlin W., Opernplatz, Königl. Bibliothek.

iLcutfdie tliteratur.

Jahrbuch, theologifches, auf d. J. 1893. Hrsg. v. R. Schneider. (Des
.Amtskalenders f. ev. Geiftliche' 2. Tl.) Gütersloh, Bertelsmann. (IV,
319 S. 12.) 2. 40; geb. 3. —

Abhandlungen, theologifche. Carl v. Weizfäcker zu feinem 70. Geburtstage
11. Decbr. 1892 gewidmet v. A. Harnack, E. Schürer, H. J.
Holtzmann, H. v. Soden, Th. Häring, H. Ufener, A. Jülicher, E. Gräfe,
K. Müller, C. F. G. Heinrici. Freiburg i/B., J. C B. Mohr, 1892.
(III, 352 S. gr. 8.) 8. -

Gottfchick, J., Die Bedeutung der hiftorifch-kritifchen Schriftforfchung
f. die evangelifche Kirche. Akademifche Antrittsrede. Freiburg i/B.,
J. C. B. Mohr, 1892. (32 S. gr. 8.) —. 80

Myszkowski, T., Chronologico-histotica introduetio in Novum Testa-
mentum. Lemberg, [Gubrynowicz & Schmidt], 1892. (VII, 179 S.
gr- 8 ) 4- -