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Ausgabe:

1893 Nr. 24

Spalte:

599-601

Autor/Hrsg.:

Schuster, C. F. Th.

Titel/Untertitel:

Der gute Vortrag, eine Kunst und eine Tugend. Praktisch-theologische Studie. 2. verm. Aufl 1893

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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599 Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 24. 600

brauch eifern kann. Klarheit und Beftimmtheit läfst be-
fonders die Ausführung über analytifche und fynthetifche
Methode (S. 286 ff.) trotz Anführung der trefflichen Arbeit
von Diegel vermiffen ; fynthetifch ift dem Verfaffer die
Predigt, welche Thema und Partition hat. Aus der ge-
fchichtlichen Darlegung der fynthetifchen Form geht eine
(farke Geringfehätzung derfelben hervor; gleichwohl wird
S. 296 ff. gerade diefe Form mit Vorliebe behandelt.
Nicht glücklicher ift die Ausführung S. 309 ff.; formale
Themata nennt Chr. peripherifche, materiale nennt er
centrale; als Mufter formaler Behandlung wird Mt. 8,
5—13 angeführt: Drei ftarke Stützen unferes Vertrauens
1) Chrifti Liebe, 2) feine Wahrhaftigkeit, 3) feine Macht,
und gar das Thema zu Mt. 20, 1 —16: ,Einige Fragen
aus unferem Text' foll vorbildlich fein.

Die Arbeit des Herausgebers war gewifs nicht leicht;
aber völlig gelungen ift fie nicht. Auf den erften Bogen
finden wir in der klein gedruckten Ausführung des Paragraphen
gewöhnlich dasfelbe, oft mit denfelben Worten
gefagt, was im Paragraph bereits zu lefen ftand; das
hätte befeitigt werden follen. S. 17. Luther Opp. XIII, 1592 —
heifst das Walch? aber weshalb dann Opp. ftatt ,Werke'?
S. 55, 16: ,f. Gefs' — welches Buch? welches Capitel?
welche Seite? — S. 198: ,Neffelmann XLVIIP — welche
Schrift? S. 30 wird Erasmus: Ecclesiastes sive concionator
evangelicus ftatt: sive de ratione concionandi citirt; S. 33:
,Die weitläufige „Paftoralunterrichtung" des Nie. Hemming
1566'; gemeint ift wahrfcheinlich das Buch: ,Pasior sive
Pastoris optimus vivendi agendique modus1. Auch die Urtheile
S.46: dafsKraufs, Homiletik und Baffermann, Handbuch der
geiftlichen Beredfamkeit .wenig brauchbar' feien, hätten
ausgemerzt werden follen, ebenfo die völlige Mifsdeutung,
die 316, 16 v. u. AI. Schweizer widerfährt, vollends
aber der recht unfeine Scherz über Beyfchlag S. 338. —
Die Autoren werden faft fämmtlich ohne Vornamen angeführt
; manche find falfch gefchrieben, z. B. S. 48 Hüffel
(ftatt Hüffell), H. (ftatt Cl.) Harms; im Regifter Gerock
(ftatt Gerok); S. 36: E. (ftatt St.) Gaufsen; S. 189, 15
Pametius (ftatt Pamelius). Ferner S. 46, 20: .holländische
Gefchichte der Predigt' ftatt Gefchichte der holländifchen
Predigt; auch die fatalen Ausdrücke wie Kanzelredner,
Jetztzeit, populär hätten geändert werden müffen. Endlich
aber würde es die Pietät nicht verletzt haben, wenn
der Herausgeber den Stil des Collegheftes fo verbeffert
hätte, wie man es bei einem gedruckten Lehrbuch billigerweife
beanfpruchen darf.

Marburg. E. Chr. A che Iis.

1. Schuster, Gen.-Superint. Konfift.-R. D. C. F. Tb.,
Der gute Vortrag, eine Kunst und eine Tugend. Prak-

tifch-theologifche Studie. 2. verm. Aufl. Stuttgart,
Greiner & Pfeiffer, 1892. (78 S. gr. 8.) M. 1.—

2. Schuster, Gen.-Superint. Konfift.-R. D. C. F. Th.,
Die Vorbereitung der Predigt. Praktifch-theologifche
Studie. 2. verm. Aufl. Stuttgart, Greiner & Pfeiffer,
1892. (VIII, 91 S. gr. 8.) M. 1.50.

Es ift fehr erfreulich, dafs die Beiträge Schufter's zur
Homiletik, von denen der erftere 1880, der andere 1888
entftanden ift, nunmehr in zweiter bereicherter Auflage
ausgehen. Denn man konnte nur wünfehen, dafs diefe
gehaltvollen, befonders an die jüngere Geiftlichkeit fich
wendenden, die Gewiffen fchärfenden Auffätze zu weiter
Verbreitung gelangten. Mit dem Aeufserlichften und doch
nicht Gleichgültigen, dem guten Vortrage, hat Schufter
feine Mahnungen begonnen, um fich im 2. Heft der Frage
nach der rechten Methode der Vorbereitung für die
Predigt zuzuwenden. Erftere Schrift wendet fich gegen
die Unterfchätzung der äufseren Darftellungsmittel, durch
welche der Prediger zu wirken hat; gegen die Meinung,
als wenn guter Vortrag und was dazu gehört, ganz von

i felbft dem Menfchen anfliege. Giebt es auch Menfchen,
| denen Regeln zu geben in diefem Stücke völlig über-
flüffig ift, da glückliche Begabung und natürlicher Takt
fie von felbft das Richtige finden laffen, fo hat doch der
| Verfaffer unzweifelhaft Recht, wenn er der Mehrzahl der
Theologen gegenüber eine Anleitung zu einem guten
Vortrage für erforderlich erklärt. Sehr richtig betont
Schufter die hohe Bedeutung, die ein verftändiger Ge-
[ fangunterricht für die Vorbildung des Theologen zum
Predigen haben würde. Der praktifche Theologe hat oft
genug Anlafs, an den Anfängern im Predigen, die er
kennen lernt, den völligen Mangel einer Vorbildung in
guter Ausfprache und verftändiger Behandlung der Stimm-
j mittel zu beklagen. Ebenfo fei die Forderung des Ver-
faffers notirt, dafs der angehende Prediger Gelegenheiten
zum Vorlefen fleifsig wahrnehmen möge, um durch diefes
Hülfsmittel die Stimme für den künftigen Kirchendienft
vorzubilden und modulationsfähig zu machen. Es ift
nicht nöthig, hier den Einzelausführungen weiter nachzugehen
; unfere neueften Homiletiker haben bereits den
Werth und die Brauchbarkeit derfelben freudig anerkannt.
Dafs freilich der Verfaffer den Weg zu feinen Anwei-
fungen fich durch Zufammenftellung aller biblifchen
Notizen über den guten Vortrag Jefu und der Apoftel
gebahnt hat, wird wohl mancher Lefer für ein opus
I supererogationis halten. Dafs auch Jefus beim Reden bei-
, fpielsweife den Mund aufgethan und feine Zuhörer an-
gefehen und bei grofser Volksmenge feine Stimme er-
j hoben hat u. dergl. m., ift ja unzweifelhaft richtig, und
man kann dem Fleifs, mit welchem hier mofaikartig eine
! Fülle derartiger Notizen aus dem N. T. gefammelt ift,
feine Anerkennung nicht vertagen; aber dafs diefer Weg,
die Bibel zum Lehrbuche einer beftimmten Technik
machen zu wollen, bedenklich ift und zu recht abfurden
Confequenzen verwendet werden könnte, wird dem Verfaffer
nicht verborgen fein.

Die 2. Schrift ift ein mit gröfstem Gewiffensernfte
I gefchriebenes Mahnwort gegen das Extemporiren auf
der Kanzel und für eine Predigtweife, welche vollftändiges
Concept und genaues Memoriren als das Normale und
daher auch als die beftändige Regel für die ganze Predigt-
thätigkeit betrachtet. Der Eifer des Verfaffers wendet
I fich nicht allein gegen die Bequemlichkeit und Trägheit
und das Ueberfchätzen der Begabung, durch welche
1 zahlreiche Geiftliche fchon frühzeitig ins Extemporiren
'< und daher inhaltlich zu immer gröfserer Leere, formell
zu allen möglichen Verftöfsen gegen einen guten Stil
gekommen find. Sein Eifer gilt auch und nicht weniger
denjenigen Homiletikern, welche zwar ihren Schülern für
den Anfang das Predigen auf Grund vollftändigen Con-
ceptes und genauer Memorie vorfchreiben, aber bei fortgefetzter
Uebung, je nach der Individualität, eine zu-
•' nehmende Freiheit dem Concept gegenüber, ja auch ein
1 conceptlofes Predigen als eine höhere Stufe vor
Augen führen. Mit gröfstem Nachdruck fucht der Ver-
! faffer diefer Theorie gegenüber die andere zu verfechten,
j dafs jenes conceptlofe Predigen nicht nur keine höhere
[ Stufe der Predigtkunft, fondern in der Regel ein Herab-
j linken von dem fein werde, was der Prediger zu leiften
I im Stande ift. Beruft man fich auf Schleiermacher zu
| Gunften der coneeptfreien Predigt, fo wirft er die Frage
I auf, ob diefer nicht noch viel höhere Meifterfchaft erlangt
j haben würde, wenn er fich überwunden und feine Pre-
! digten fein ordentlich aufgefchrieben hätte. Da eine
Lehre vom Concept aus dem N. T. nicht zu gewinnen
ift, fo hat der Verfaffer hier den intereffanten Weg ein-
gefchlagen, eine Enquete bei einer gröfseren Zahl von
Kanzelberühmtheiten unferer Tage anzuheilen mit dem
Ergebnifs, dafs diefe alle mit mehr oder weniger Ent-
fchiedenheit Zeugnifs für das Predigen in treueftem An-
fchlufs an ein vollftändig ausgeführtes Concept abgelegt
haben. So fehr ich dem Verfaffer in der praktifchen
Zweckbeftimmung feines Mahnwortes zuftimmen mufs