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Ausgabe:

1893 Nr. 23

Spalte:

573-576

Autor/Hrsg.:

Zahn, Adf.

Titel/Untertitel:

Abriss einer Geschichte der evangelischen Kirche auf dem europäischen Festlande im 19. Jahrhundert. 3. wesentlich verb. Aufl 1893

Rezensent:

Mueller, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1693. Nr. 23.

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Cardon, Georges, La fondation de l'universite de Douai. [ deutfche Mann nichts mehr als die Moral der Wilden' (96).
These presentee ä la Faculte des lettres de Paris. ; Die Mächte der Zukunft Deutfchlands find fader Libera-
p.r- p ai^„ t«o-> /Iii Kai et q, hsmus und wilder Socialismus, die verkommenen Söhne

Paris, F. Alcan, 189-. (lü, 543 *>) j des Proteftantismus und der weltmächtigfte Ultramon-

Diefes Buch behandelt fehr ausführlich die Gelchichte tanismus (86).
der Gründung und die Organifation der Univerütät zu Tjer Grund diefer .allgemeinen Verwefung des Pro-

Douai im fechszehnten Jahrhundert, ohne auf die folgende teftantismus' (56. 248) ift der Abfall von den Grund-
Zeit einzugehen. Schon 1530 beantragten die ftädtifchen j gedanken der Reformation (119) d. h. der ,Freivvahl der
Behörden bei Karl V. die Gründung einer Univerfität; j Gnade, der Knechtfchaft des menfchlichen Willens und
unter Philipp II. betrieben die Sache namentlich der ! der Gerechtfprechung des Gottlofen' (30). Der ,grund-
Löwener Jurift Jean Vendeville, der Präfident Viglius und j ftürzende Wahn der ganzen modernen Theologie' ift,
Franz Sonnius, der fpätere Bifchof von Antwerpen. Aber I dafs jder Menfch, der aus böfer Naturart nicht will',
crft 1562 wurde die Univerfität eröffnet. Sie follte den | aucn anders wollen könnte'(32) und dafs niemand ,wider-
Befuch auswärtiger (namentlich franzöfifcher) Universitäten willig zum Glauben käme' (46).

für den füdlichen (franzöfifchen) Theil der fpanifchen ln Folge deffen ift alles, was unfere Zeit zur Hebung

Niederlande unnöthig machen und, wie Löwen für den
nördlichen (flandrifchen) Theil, das Eindringen des Proteftantismus
hindern (S. 117). Unter den erften Profefforen
haben nur der Kanonift Boetius Epo und der Theologe
Richard Smith einen Namen. 1569 kamen hinzu Wilhelm

des Proteftantismus thun mag, umfonft. ,Die Hoffnungen
eines Idealiften wie Stöcker find Schwärmereien' (93;
vgl. 118). Der Ev. Bund, ein ,Einfall Beyfchlag's' kann
mit feinen ohnmächtigen Sticheleien' nur Rom ftärken.
Da ,unfer Licht nicht mehr leuchtet', ,follte man die Po-

Allen, der fpätere Cardinal, und Thomas Stapleton, 1582 I lemik aufgeben' (36). Auch unfere fociale Arbeit ift

Wilhelm Eftius, der bedeutendfte Theologe, den Douai
gehabt hat. Mit der Univerfität wurden mehrere Collegien
verbunden (S. 420), fchon 1568 das von Allen gegründete
englifche Colleg (S. 342). — Die Jefuiten waren fchon
bei den Vorbereitungen der Gründung der Univerütät
betheiligt (S. 44). Sie errichteten 1568 zu Douai ein

nichts: der erfte ev.-fociale Congrefs gewährte ,das ko-
mifche Schaufpiel, dafs fich Stöckerianer und Ritfchlianer
umarmten' (91). Auch die Gedanken Sulzes .ändern
eine Zeit nicht, die jede Autorität verloren hat' (93).
Die Miffion hat keinen Grund in der Schrift (Mt. 28
gilt nur den Apofteln), ift der Reformation fremd und

Colleg (S. 432), nahmen aber bald eine unfreundliche nur ein Werk des Pietismus, der, ,kaum nachdem er
Haltung gegen die Univerfität an, die 1613 durch einen , einige Plätze in feinem eigenen Haus wiedererobert hatte,
Profeffor 111 den Worten charakterifirt wurde: Est geniis d;e Miffionspläne ergriff' (132). Die Revifion der Luther-
hominum, gut esse pritnos sc omnium rerutn volunt, gm, bibel hat ,bis jetzt die Kirche auch nicht gefördert',
nisi quod ipsi faciunt, rede nihil factum putant (S. 441. ; enthält vielmehr ,drei Schriftfälfchungen', Gen. 4 1'
457). Der Gegenfatz trat offen hervor, als 1588 die theo- | pf. 8, 6, Hiob 19, 26 (108f.). Für die .Chriftl. Welt' ift der
logifche Facultät zu Douai nach dem Vorgange der von , /bezeichnende Name: Gift' (107).

Löwen 34 Sätze der Jefuiten Leffius und Hamelius cen- Indeffen .Luther's Bibel und Luther's Troft der

furirte, (Reufch Index I, 446), und dauerte fort, bis 1691, | Gnade bleibt bis ans Ende, wenn auch nur für einen
als Douai unter die franzöfifche Herrfchaft gekommen ; verborgenen Reff (98), die fpärlichen .Alpenveilchen'
war, die Univerfität ganz unter den Einflufs der Jefuiten I neben dem .Steingeröll' der grofsen Kirche (246). Und
kam. Ausführlich berichten darüber die Memoires im- diefer ,Reft' findet fich offenbar namentlich in den Krei-
portans pour servir a l'Jtistoire de la faculte de theologie I fen Kohlbrügge's, denen der Verf. angehört (70—72).
de Douay, 1695. ; Aber wie K. von Ritfchl's plumpem und rohem, aus

Bonn F. H. Reufch. unreinen Quellen gefchöpftem Urtheil getroffen worden

' ift, fo ift fein Schüler Wichelhaus von der Hallenfer

Zahn, D. Adf., Abriss einer Geschichte der evangelischen Facultät, an der er allein ,in diefem Jahrhundert: die

Kirche auf dem europäischen Festlande im 19. Jahrhundert, j Lehre Luther's verkündete', .gehäffig in die Ecke gefcho-

; wefentlich verb Auf! Stuttgart, J. B. Metzler's Verl., ben w?rd^' u ,d ^ ,an dem Gegenfatz einer Theolo-
3. wciciunon veru. .rxuii. ^im g» ,j gie geft0rben, die den Namen der Gläubigkeit trug, ohne

1893. (VI, 291 S. gr. 8.) M. 3. 50
Herr A. Zahn ift als Schriftfteller reicher Erzeugung
und lebhaften Temperaments bekannt. Für die erftere
fpricht die Lifte feiner Werke S. 292, vom letzteren das

fie zu befitzen' (72). Aehnlich ift es dort und in Göttingen
einem anderen reformirten Theologen fchon mit der
Habilitation gegangen, deffen Namen Verf. diesmal nicht
nennt (76 m).

ganze Buch, abgefehen von den Abfchnitten über üefter- Die Schuld an dem allgemeinen Abfall tragen

reich-Ungarn, die in jeder Beziehung fo von den übrigen
abweichen, dafs die Vermuthung geftattet ift, fie Hammen
der Hauptfache nach aus anderer Feder. In feiner
Sprache liebt er kräftige Worte, und Sätze, die nichts
als ein Subject befitzen, und hält fich gern an Flafe's
Schreibweife, fo dafs deren Beiwort .unnachahmlich' (S. 62)
angefichts feiner Kunft nicht ganz zutrifft. Freilich finden
fich auch einige Fehler und Sonderbarkeiten, unter denen
fich namentlich eine öfters wiederholt, z. B. von Tholuck
S. 33: ,zu dumm um ein Goldfchmid zu werden, über-
liefs man ihn dann ganz feinen Buchern'. Auf die übrigen
Spuren etwas fchneller Arbeit kann ich im Intereffe
des Raumes nicht eingehen. Ich laffe den Autor feine
Auffaffung des 19. Jahrh. felbft vorführen.

vor allem die Theologen. Das Jahrhundert beginnt
mit dem .Betrug der Hegel'fchen Philofophie' (100;
näheres 11 f.) und der .geheironifsvoll verfchleierten
Truggeftalt' Schleiermacher's (18), von dem der
Schein und die Täufchung des Jahrhunderts ausgeht (19).
Seine Reden über die Religion, im Kreis der fchönen
Jüdin Herz mit ihrem Tiziankopf entftanden, find der
.Triumph des aufgeklärten Judenthums über das Chriften-
thum'; die jüdifche Sybille (fo!) ift die Prophetin der
modernen Theologie' (14)'). Dazu kommt ,die frevelhafte
Kritik [der h. Schrift] von Straufs bis Wellhaufen:
der Abfall ohne Maske, Wiffenfchaft genannt' (IV), von
der ,das h. Buch zerfchnitten und in das Kaminfeuer der
winterlich erftorbenen Kirche geworfen wird' (58). Und nun

Ünfer Jahrhundert ift ,ein Jahrhundert der fortgefetz- I ergeht das Gericht über die einzelnen Theologen: ,Hat man
ten theologifchen Täufchung' (III u. 73) d. h. der be- Nitzfeh einen Spener des 19. Jahrh. genannt, fo doch

wufsten Fälfchung (73). Der Proteftantismus hat .völlig
Bankerott gemacht' (36, 2). Das Wort ift uns genommen
(44). Die Kirche der Reformation ,ift allen ihren Feinden
erlegen" (58) und liegt vielleicht in den .letzten Athem-

zügen' (96). ,Von Bebel bis Bennigfen glaubte [1892] der 1 richtet, nicht gelefen hat.

mehr im Dienft der Rhetorik als der Wahrheit' (31), wie

1) S. 17 heilst es von Schi.: ,Er fand, als er am Grab feines einzigen
Sohnes ftand, keinen Troft und keine Hoffnung'. Die milderte
Annahme ift hier, wie an anderen Stellen, dafs Herr Zahn d

as, was er