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Ausgabe:

1893 Nr. 23

Spalte:

568-571

Autor/Hrsg.:

Thomas, Carl

Titel/Untertitel:

Melito von Sardes. Eine kirchengeschichtliche Studie 1893

Rezensent:

Krüger, Gustav

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567 Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 23. 568

griechifchen Text find wir bis jetzt noch fehr im Unklaren
, da eine kritifche Ausgabe des kopt. N. T. vollkommen
fehlt und noch nicht zu erwarten fteht, wenn
fie auch als eine der dringendften Aufgaben im Intereffe
der Textgefchichte bezeichnet werden mufs. Dafs die
fahidifche und boheirifche Verfion aus der achmimifchen
gefloffen fei, hat Stern nur als eine Möglichkeit hinge-
ftellt, ohne irgend welche Gründe dafür anzugeben; aber
es giebt m. E. Gründe, die diefer Annahme, fo weit jetzt
unfere Kenntnifse reichen, entgegenftehen. Denn unfere
älteften koptifchen Bibelhandfchriften in fahid. Sprache
flehen an Alter den achmimifchen keineswegs nach, ja
der Ref. glaubt fichere Indicien dafür zu haben, dafs
die ällefte fahid. Bibelüberfetzung eine eigenthümliche
Stellung zu den uns fonft bekannten Stücken eingenommen
hat, d. h. dafs letztere fchon einen jüngeren, abgeleiteten
Text repräfentiren. Wenn nun, wie es hier der
Kall ift, der achm. Text mit dem fah. durchweg über-
einftimmt, fo geht daraus m.E. hervor, dafs beiden ein etwas
jüngerer griechifcher Archetypus zu Grunde gelegen hat

lichung koptifcher Texte geboten werde, und mit dem
Wunfche, dafs fpätere Ausgrabungen von Flinders Petrie
uns noch mit manchen werthvollen Stücken der einft fo
reichen koptifchen Literatur befchenken mögen.

Berlin. Carl Schmidt.

Thomas, Lic. Dr. Carl, Melito von Sardes. Eine kirchen-
gefchichtliche Studie. Osnabrück, Rackhorfl, 1893.
(VII, 145 S. gr. 8.) M. 4. —

Der Verfaffer diefer Arbeit hat fich crft im vorigen
Jahre durch eine umfangreiche Abhandlung über Theodor
von Studion eingeführt, die der philofophifchen Facultät
zu Leipzig als Doctordiffertation vorgelegen hatte (vgl.
darüber J. Dräfeke in diefer Zeitung, 1893, Nr. 3). Wenn
er binnen Jahresfrift eine ebenfo umfangreiche Arbeit
über einen Kirchenlehrer des 2. Jahrhunderts beendet
hat, fo darf er es nicht verübeln, wenn der Recenfent
einigermafsen fcharf zufieht, ob eine fo rafche Production
Die boh. Verfion (bei Tifchendorf cop.) nimmt in jeder auf ganz verfchiedenen Gebieten der zweiten Arbeit

Beziehung eine Sonderftellung ein; doch bedarf es noch nicht gefchadet habe. Ich glaube es ausfprechen zu
einer eingehenden Unterfuchung, um ein abfchliefsendes ■ dürfen, dafs diefe Abhandlung über Melito als Ganzes
Urtheil fällen zu können; fo viel ift aber ficher, dafs lie i und in den Einzelheiten gewonnen haben würde, wenn
fehr jungen Datums ift, darum mit der gröfsten Vorficht '■ der Verfaffer nicht fo rafch zugegriffen hatte. Es hätte
benutzt werden mufs. fich insbefondere alles viel kürzer fagen laffen, viele

Diejenigen Texte, welche der Verf. als patriftifch , vveitfchweifigeErörterungen vornehmlich im zweiten, aber
bezeichnet hat, find derartig zerftört, dafs man kaum i auch im vierten Capitel hätten wegfallen oder auf das
ihren Inhalt feftftellen kann. Nur Nr. V möchte von j knappfte Mafs zurückgeführt werden können und müffen.
Intereffe fein. Harnack hat vermuthet, dafs diefer Papyrus Ich wenigftens vermag nicht einzufehen, warum, lediglich
Epifoden aus der Gefchichte von Athanafius-Arfenius ! um ein ganzes Capitel über ,Melito und das Chriftenthum
(vgl. Hefele, Conciliengefch.2 I, 458, 464) enthalten habe; j alterthümlicher Form' zu füllen, diefes ,Chriftenthum
doch fcheint diefe Annahme fchon aus dem Grunde be- j alterthümlicher Form' breit erörtert werden mufs, wobei
denklich, weil Arfenius garnicht die Hauptperfon ift. ; doch nur Bekanntes und oft Gehörtes wiederholt werden
Der Ref. fieht in dem Ganzen eine Verherrlichung eines j kann. Man vergleiche z. B. was über den Montanismus,

unbekannten Zeitgenoffen des Athanafius, deffen Eltern
Heiden waren, bis ihn feine Mutter irgendwohin brachte

über Chiliasmus, Prophetie und Askefe vorgebracht wird.
Alles das mufste ja berührt werden, aber eben doch

und er Chrift wurde. Er erhielt das Amt eines Vorlefers 1 nur um Melito's Haltung zu beleuchten. Es konnte
und that grofse Wunder. Auf einer Reife nach Ober- ftatt auf 20 auf 6 Seiten abgehandelt werden. Dem
ägypten traf er einen Mann namens Arfenius, der ihn Verfaffer foll kein Vorwurf daraus gemacht werden, dafs
in fein Haus aufnahm, dafür Gott ihn und fein Haus in diefem Abfchnitt fo wenig von Melito felbft geredet
fegnete. Sein Ruhm ift fo weit gedrungen, dafs die werden konnte. Wir wiffen von ihm ja nur, dafs er
Patriarchen ihn zu fehen begehrten. Athanafius fcheint prophetifch begabt war, dafs er asketifch lebte, dafs er
ihn zu fich berufen zu haben, fonft werden noch Rom den Blick noch auf die baldige Erfüllung der chriftlichen
und Antiochien, wie ficher ergänzt werden mufs, erwähnt, j Zukunftshoffnungen richtete. Ein ,Bild' läfst fich daraus
Wer nun der genannte Arfenius gewefen ift, bleibt un- ■ nicht geftalten, wenn man nicht vom eigentlichen Thema
gewifs; er fcheint überhaupt keine hervorragende Perfön- j ganz abkommen will. Eher fchon vom Theologen Melito:
lichkeit gewefen zu fein, da er nur ganz vorübergehend denn die uns erhaltenen Bruchltücke feiner Schriften
erwähnt wird, u. z. aus dem Grunde, weil die Anwefen- machen es möglich, die Linien hier etwas fchärfer zu
heit des Vorlefers feinem Haufe Segen gebracht hat, und ziehen. Die Fragmente in diefer Beziehung gründlich zu
dadurch deffen Wunderkraft bewiefen werden foll. Unter unterfuchen, war eines Verfuchs wohl werth, und das
den liturgifchen Stücken iftnurder Papyrus Nr. VII zu er- vierte Capitel der Thomas'fchen Arbeit, das fich damit
wähnen, derden Gefang des Mofesunddender drei Knaben befchäftigt — es ift von der Göttinger Facultät als
enthält. Den gröfsten Theil der Sammlung nehmen die Licentiatenarbeit angenommen worden — will ich nicht
Briefe ein, und gerade in diefer Partie liegt der Haupt- fchelten, obwohl manches Unbewiefene und kühn Be-
werth des Buches. Mögen diefe Stücke auch für den hauptete mit unterläuft. Woher z. B. weifs Thomas,
Theologen keine grofse Bedeutung haben, fo doch für dafs Melito ,ein gefchloffenes theologifches und bei aller
den Kulturhiltoriker, der das innere Leben der Kopten Wiffenfchaftlichkeit doch kirchliches Syftem' geliefert
verfolgen will. Die gröfste Ausbeute liefern fie aber dem hat, ,an dem auch die fpätere Orthodoxie an faft keinem
Sprachforfcher, dem eine Fülle von neuem Material zu- Punkte etwas auszufetzen wufste'(S. 107). Das ift Schall und
fliehst. Doch legt diefes neue Material dem Forfcher Rauch. Wie kann er von einem ,Paulinismus des Melito'
viele Schwierigkeiten in den Weg, da fowohl der Sprach- oder gar davon reden, dafs ,die Theologie Melitos einen
fchatz als auch die Wortformen oft unbekannt find, um i Bund zwifchen Paulinismus und johanneifchem Chriften-
eine fichere Ueberfetzung zu geftatten. Der Verf. hat thum' bezeichne (S. 140)? Wie kann man in einem Athem
das geleiftet, was fich heute mit unfern geringen Hilfs- 1 davon fprechen, dafs das Vorhandenfein eines theolo-
mitteln leiften läfst. Später werden wir, fobald die grofsen gifchen Syftems fich bei Melito ,zumeift daraus erklärt,
Sammlungen von Wien, Paris und Berlin zugänglich ge- ! dafs er einen abgefchloffenen Kanon vor fich hatte
worden find, auch auf diefem Gebiete weiter vorwärts- und nur auf dem Grunde der in ihm enthaltenen
dringen können; ftets aber wird diefe Ausgabe mit ihren Schriften feine Theologie aufbaute', und dem Irenäus
vortrefflichen Bemerkungen und ausführlichen Indices ein ,Syftem' abfprechen? Die in diefem Zufammen-
eine gute Einführung in das Studium des Dialektes von hang beigebrachten Kriterien für die .Wiffenfchaftlich-
Faijum bleiben. Wir fchliefsen mit der Hoffnung, dafs keif eines Theologen reichen überhaupt nicht aus;
dem Herausgeber noch oft die Gelegenheit zur Veröffent- oder wie fteht es mit der Wiffenfchaftlichkeit des