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Ausgabe:

1893 Nr. 22

Spalte:

543-547

Autor/Hrsg.:

James, Montague Rhodes

Titel/Untertitel:

Apocrypha anecdota. A collection of thirteen apocryphal books and fragments. Now first edited from manuscripts 1893

Rezensent:

Preuschen, Erwin

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Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 22.

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fuchungen den Vergleich mit der Arbeit auf dem Gebiete
der antiken profanen Literatur zu fcheuen braucht.
Andererfeits ift ein ficherer Standpunkt zur fachlichen
Beurtheilung der vornicänifchen Literatur doch noch nicht
erreicht, wovon fich Jeder überzeugen kann, der beliebige
neuere Arbeiten über I Clemens, Didache, Ignatius, Pe-
trusfchriften, Gnofliker u. f. w. vergleicht; auch verfpricht
die Methode, die Handfchriften und die Fragmente auf das
genauefte zu unterfuchen, noch bedeutende Auffchlüffe.
Vor allem find folche für die von den Chriften angeeignete
und bearbeitete jüdifche Literatur zu erwarten,
deren Kenntnifs und Verftändnifs überall noch in den
Anfängen ift. Darum find zuverläffige Ausgaben mit
vollkommenem Apparat die erfte Vorbedingung für einen
weiteren Fortfehritt. —

Diefem Theil, der von der Ueberlieferung und dem
Beltand der altchriftlichen Literaturgefchichte handelt,
foll die eigentliche Gefchichte folgen; doch bildet er
auch für fich ein abgefchloffenes Ganze.

Nachträge und Berichtigungen: Einiges wichtige neue
Material zu den apokr. Schriften findet man jetzt in
James, Apocr. Anecdota 1893. S.64 Z. 2 lies xov xvqiov
loywv ötrjyriatis. S. 219. Die hier abgedruckte Stelle
gehört nicht dem Origenes an, f. Robinfon, Pkilocal.
p. L. S. 288. Das kleine griechifche Irenäusfragment, bei
Cramer, Catena z. Matth, u. Marc. p. 499 ift zu ergänzen
{Iren. III, 10, 6). S. 299 Z. 14. Die Handfchrift ift nicht
verfchollen, fondern = Monac. Gr. 479. S. 303. In der
Biblioth. des Bafilianerklofters zu Meffina befand fich
nach einem Katalog v. J. 1563 (f. Batiffol, Rossano p.
141): ,Clementis Alexandrini onomata'. Ebendort: ,Ori-
genis commentaria philosophos gentiles [sie] aliaque Phi-
lonis Judaei oppl S. 358 Z. 34 ift ftatt ,Proverbia' vielmehr
Prophetas' zu fetzen. S. 425 Z. 8 Turrianus
fchöpfte aus dem Vatic. 1431. S. 494. Zwei neue Citate
aus dem Diateffaron bei Hall: Joum. of Eibl. Litt. 1891
X P- 153—155. S. 544 Z. 15 1. Patmens. 270. S. 836 Z.
5 v. u. nicht nach einem alten Uncialcodex (aus ihm,
nämlich dem Alexatidr., ift nur der Text genommen),
fondern aus zwei Codd. Bodlej. S. 841 Z. 2 ift Cod. Gr.
Vatic. 792 hinzuzufügen. S. 852 zu no. 55 die Exiftenz
eines lateinifchen Henoch ift jetzt durch Zahn und
James {l.c.p. 146fr.) erwiefen. S. 969 zum Zwölf-Apo-
ftel-Evangelium füge S. 205 ff. hinzu.

Berlin. A. Harnack.

James, Dean Lecturer Montague Rhodes, M. A., Apocrypha
anecdota. A collection of thirteen apocryphal books
and fragments. Now first edited from manuscripts.
[Texts and Studies. Contributions to biblical and pa-
tristic literature, edited by J. A. Robinson. Vol. II.
Nr. 3.] Cambridge, at the University Press, 1893. (XI,
202 S. gr. 8.) 6 s.

Es ift eine reiche Tafel, vollbefetzt mit fehr ver-
fchiedenwerthigen Gerichten, vor die uns das neuefte Heft
der Texts and studies führt. Aber wenn auch nicht alle
Stücke gleiches Intereffe beanfpruchen können, fo mufs
man es dem Herausgeber doch Dank wiffen, dafs er die
wichtige Aufgabe der Erforfchung der alt- und neutefta-
mentlichen Apokryphen fowie der Apoftellegenden damit
wieder um einen Schritt gefördert hat.

1. Den Anfang macht eine bisher unbekannte Re-
cenfion der visio Pauli {Lx), die J. in einem Cod. Paris,
lat. Nouv. acquis. 1631 f. 3—25r sc. VIII gefunden hat.
Von diefer jungen Apokalypfe ift bisher bekannt und
gedruckt: eine griechifche Recenfion (67), bei Tifchen-
dorf, Apocal. apocr. p. 34—69, am Schlufs, wie L,, un-
vollftändig, eine fyrifche (S), nach einem Cod. von Ur-
miah in's Englifche von Perkins {Journal of sacr. lit.
I, 372 ff.) und nach Vatic. Syr. 180 in's Deutfche von
Zingerle (Heidenheim's Vierteljahrsfchrift IV, 139fr.)

übertragen; zwei kürzere lateinifche Recenfionen {L2 LI),
die Brandes {Visio S. Pauli. Halle 1885) veröffentlicht
hat; über weitere lateinifche Recc. und die Benutzung
der Apokalypfe in anderen Literaturen f. Brandes a.a.O.
und in deffen Differtation ,Ueber d. Quellen d. mittel-
engl. Paulus-Vifion', Halle 1883. Ueber ftavifche Texte
f. Bonwetfch bei Harnack, Altchriftl. Litgefch. I, 9106
Ein flavifcher Text ift von Tichonrawow, Pamjatnikietc.
II, 40 ff. veröffentlicht. Die von J. veröffentlichte Ree,
die mit S. den ausführlichften Text zu repräfentiren
fcheint, ift eine ziemlich ungefchickte Ueberfetzung aus
dem Griechifchen {scema p. i69. orfani p. 3012. 3135.
mouechi [/.lor/oi] p. 2120. etc.; post multarum orarum fcheint,
wenn nichts dahinter ausgefallen ift, eine finnlos wörtliche
Ueberfetzung von iiexu nollküv ojqwv zu fein).
Ueber das Verhältnifs der verfchiedenen Recc. kann ich
mir kein Urtheil bilden, da mir die Schrift von Brandes,
wie die beiden Ueberfetzungen des fyrifchen Textes —
ich kenne nur das, was Tifchendorf von Perkins in
den Noten mittheilt — hier unzugänglich find. Doch wird
das Material jetzt wohl ausreichen, um diefe Frage zu
entfeheiden. Wichtiger noch, als dies, ift die Frage nach
den Quellen. Dafs die visio Pauli die Petrusapokalypfe
benutzt hat, ift kaum einem Zweifel unterworfen. Die
Uebereinftimmung zeigt fich fowohl in einzelnen Zügen
{v. Paidi §31: Petr. v. 21 ff. Paul. § 37: Petr. v. 31;
Paul. § 392: Petr. v. 30; jj 395: v. 32), als überhaupt in
1 der ganzen Art, wie das Bild des Verdammungsortes
j durchgeführt wird. Die Züge, die fpäter zu dem alten
Kern zugefügt worden find, laffen fich leicht erkennen
und vielleicht wird es fo und mit Hülfe einer Ver-
gleichung der verfchiedenen Recc. gelingen, einen alten
Grundftock herzuftellen, den auf die Petrusapokalypfe zu
reduciren nicht allzufchwer fallen dürfte. Beiläufig bemerkt
wird durch die Paulusapok. die Ergänzung von
v. 8 der Petr.-Apok. uQog Voj olg (Ufener, James) be-
ftätigt. Denn nach Paul. § 31. 42 liegt der Ort der Strafe
im Wellen, nach Petr. 21 v.acurri/.Qvg Lxeivoc d. h. dem
Orte der Seligkeit; demnach ift diefer im Offen gedacht.
Auffallend ift übrigens, dafs die Schilderung des Para-
diefes kaum etwas mit der in der Petrus-Apok. gemein
hat, dafs fie vielmehr aus irgend einer jüdifchen Vorlage
geflohen zu fein fcheint. Bemerkenswerth ift § 22: uineae
autem uitis habebant X milia arbusla. in singidis uitibus
erant X milia [milia] butriones et in miliorum Ais singuli
butr(id)nes; singulae autem arb(pres) ille{d)e adferebant
(X) millid) fruetuum. G. und S. geben die Stelle nur
verkürzt wieder. Der Gedanke an die bekannte Papias-
ftelle {Iren. V, 33, 3 sq.) liegt nahe genug; dennoch fcheint
es mir nicht nothwendig, eine directe oder indirecte Benutzung
anzunehmen. Der Gedanke einer erftaunlichen
Fruchtbarkeit der Erde war feit Ezechiel (47, ff.) der
jüdifchen meffianifchen Hoffnung eigen (vgl. auch die Interpolation
am Schluffe des Arnos 9,3 ff. u. a.), und die Schilderung
derPaulusapok., inderauchdievierParadiefesftröme
wieder eine Rolle fpielen, mag daher fehr wohl aus einer
jüdifchen Apokalypfe geflohen fein. Ob man dann nicht
freilich noch einen Schritt weiter zu gehen und auch die
Schilderung der Hölle hier und in der Petrusapok. auf
eine beiden gemeinfame Quelle zurückzuführen hat, mufs
einer eingehenderen Unterfuchung diefer Literatur, die
hoffentlich nicht lange mehr auf fich warten läfst, vorbehalten
bleiben.

2. Das zweite Stück p. 58—85 bilden die Acta Xan-
thippae et Polyxenae, eine der Dichtungen, die wie Wurzel-
fchöfslinge um die Stämme der Apoftellegenden reichlich
aufgefprofst find. Es ift ein fpäterer Roman gewöhnlichen
Schlags, deffen Bedeutung der Herausgeber wohl
zu fehr überfchätzt hat. Der Abdruck beruht auf Cod.
Paris. Gr. 1458. Für die Abfaffungszeit ift die fpäte
Erwähnung der Namen (zuerft im Menologuim Basilii f.
James p. 43 ff.) wichtig. Der erfte Theil c. 1—21 erzählt
die Bekehrungsgefchichte der Xanthippe und ihres Ge-