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Ausgabe:

1893 Nr. 20

Spalte:

504-506

Autor/Hrsg.:

Vering, Friedr. H.

Titel/Untertitel:

Lehrbuch des katholischen, orientalischen und protestantischen Kirchenrechts, mit besonderer Rücksicht auf Deutschland, Oesterreich und die Schweiz. 3. umgearb. sehr verb. u. verm. Aufl 1893

Rezensent:

Frantz, Adolf

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503 Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 20. 504

flehen die Worte itoziteiv %oh)v iura bSorg (S. 33). Aber
ift denn wirklich die Angabe, dafs der Herr am Kreuz von
den Juden ,auch noch mit Galle und Effig getränkt' wurde,
,tm Unterfchied von aller anderen evangelifchen Ueber-
lieferung' nur an diefen Stellen zu finden? Wie durfte
ubergangen werden, 1., dafs nach Pf. 69, 22 auch in den
abendländ. Text von Mtth. 27, 34 das ri^ov flatt nlvov
Liezä /o/Tc eindrang, dafs Origenes fo las und noch in
den act.Pil.K u. B fo fleht; 2., dafs das xsQaaavzeg in PE.
nur dem f.ufiiy/.iivov bei Mtth. und nicht Barn, entfpricht;
3., dafs am Anfang des c. 7, 3 biotiCezo og~ei xai xni.fi
ficht und diefe Faffung genau ebenfo als flereotyper Zug
des Weisfagungsbeweifes bei Irenaeus (Harv. II, 104. j
267. 275) und Tertullian (adv. Jud. 10) wiederkehrt; 4.,
dafs alfo 7, 5 die Eaffung noz. xn).r]v /.azet bk~org d. h.
die Voranftellung der Galle das mit PE. allein Gemein-
fame ift, dafs aber diefe Wendung fich deutlich zurückbezieht
auf das vorhergenannte apokryphe Propheten- I
wort: cpayecwaav 01 legelg iiövoi navtsg zb evzeqov
IPiXczov iiEza b^ovg. Will man alfo etwas aus der I
gemeinfamen Wendung fchliefsen, fo könnte man höchstens
auf Bekanntfchaft des PE. mit Barnabas erkennen,
weil hier die Entftehung der Wendung aus einem Prophetenwort
erfichtlich (ein Verhältnifs wie zwifchen Juflin '
I, 35 und PE. v. 6), oder beffer auf Bekanntfchaft mit I
derfelben rabbin. Tradition, refp. derfelben pfeudoepi- |
graphifchen Schrift.

Um den Beweis für geglückt zu halten, dafs II. Clemens
das PE. benutzt hat, mufs man zuvor mit V. die
Anficht Harnack's aeeeptiren, dafs Juftin's aufserkano-
nifche Hauptquelle die aicoiivrjiiovet' [iura IltzQov feien
und alle aufserkan. Citate der Didaskalia gleichfalls auf
das PE. zurückgehen. Vermag man aber nicht mit V.
den II. Clem. nach Egypten zu fetzen, fo ift für den j
egypt. Urfprung des PE. überhaupt nichts gewonnen.
Unter den Argumenten für die Identität des Eg.-E. und
PE., von denen die e silentio in diefer Zeit gewifs am
leichterten wiegen, macht am meiften Eindruck die Anlicht
, die V. von Zahn aufnimmt, dafs das Gefpräch
Jefu mit Salome, das nach Clem. Alex, ficher im Eg.-E.
ftand, auch im PE. geftanden habe, hier habe es der
il-aQXtuv HJg öoxrioeiog, Caffian, gelefen. Aber felbft angenommen
, diefe Vermuthung fei richtig, fo beweift das
höchstens, da die Perikope beidemale abweichend citirt
wird, dafs die enkratitifche Tendenz beide Evv.-Schreiber
dazu führte, diefelbe Gefchichte aufzunehmen. Zu einer
Identität führt es nicht. Naheliegende Einwände werden
nirgends berückfichtigt. Wäre es nicht z. B. unbegreiflich,
wenn ein Ev., das unter der Autorität des Petrus in
1. Perfon einherging, durchweg nur unter der neutralen
geographifchen Bezeichnung v.az AiyvnzLovg bekannt
gewefen und geblieben wäre?

So fcharffinnig manches bemerkt ift, weder ift die
Unterfuchung erfchöpfend, noch auf irgend einem Punkte
fchlagend. Ref. beanftandet aber die ganze Methode der
Arbeit. Es ift unmöglich an der Frage nach dem Verhältnifs
zu den kan. Ew. mit einigen undeutlichen Wendungen
vorüberzugehen und durch das Vorurtheil zu
erfetzen, dafs auch hier eine Interpolation vorliegt. Haben
wir es mit einem Excerpt oder einer Compilation auch
nur von zwei uns bekannten Quellen zu thun, fo mufste
man fehen, ob die Ungleichheiten und Nähte nicht vielmehr
hierauf zurückzuführen feien. Auf ungefchickte
Quellenbenutzung, nicht auf Interpolation kommt man
zunächft. V. hat gewifs richtige Beobachtungen gemacht,
aber gerade an einem Hauptrifs v. 50 ift er vorbeigegangen
, und anderes ift willkürlich von der Ueber-
zeugung dictirt, dafs, was nicht ganz glatt ift, unmöglich
von einem Verfaffer fein kann. Aber wenn es trotz
Lachmann beim Worte des Horaz bleiben wird, dafs
felbft der gute Homer zuweilen fchläft, fo ift es noch
weit lehrreicher, wie jüngft A. Schöne (Ztfchr. f. deutfehe
Phil. 1893. 2. H.) gezeigt hat, dafs auch einem Schiller

und felbft einem Leffing in ihren heften Arbeiten directe
Widerfprüche unter die Feder gelaufen find.

Kiel. H. v. Schubert.

Vering, Prof. Dr. Friedr. H., Lehrbuch des katholischen,
orientalischen und protestantischen Kirchenrechts, mit besonderer
Rückficht auf Deutfchland, Oefterreich und
die Schweiz. 3. umgearb., fehr verb. u. verm. Aufl.
Freiburg i/B„ Herder, 1893. (XVI, 103I S. gr. 8.)
M. 14.— ; geb. M. 15.75.

Die vorliegende dritte Auflage des Vering'fchen
Lehrbuchs ift mit der Approbation des Erzbifchofs von
Freiburg verfehen. Zur Erklärung diefes fonft bei von
Laien verfafsten Werken nicht üblichen Verfahrens führt
der Herr Verf. in einer Selbftanzeige in dem von ihm
herausgegebenen Archiv für kath. Kirchenrecht, Bd. 69,
S. 165 an, dafs die Approbation nachgefucht fei mit
Rückficht darauf, dafs das Buch einen Theil der theolo-
gifchen Bibliothek bildet, deren übrige Theile, weil
fämmtlich von geiftlichen Verfalle rn herrührend, das bi-
fchöfliche Imprimatur tragen müffen. Dafs diefes Imprimatur
aber ertheilt wurde, liefert von vorn herein
den beften Beweis für den vom Herrn Verf. feftgehal-
tenen und überall zum Ausdruck gelangten ftreng rö-
mifchen Standpunkt.

Obwohl der äufsere Umfang des Werkes nur um
etwa 30 Seiten gewachfen ift (1031 S. gegen 1002 S. der
2. Aufl.), von denen noch dazu ein grofser Theil auf das
ausführlichere Regifter entfällt, fo hat doch der Verf.
durch eine gedrängtere Faffung bei einer Reihe von
Punkten weitern Raum für Zufätze und Vermehrungen
gefunden, die, wie er felbft in der Vorrede angiebt, ein
näheres Eingehen auf praktifch wichtige Fragen, besonders
die genaue Berücksichtigung der neueren römifchen
Entfcheidungen und Beftimmungen des Staatskirchenrechts
betreffen. Der Herr Verf. verfichert zwar, dafs
er fich im ganzen Werke, und fo auch bei der Darstellung
des Staatskirchenrechts möglichster Objectivität
befleifsigt und auch jeden die kirchlich-politifchen Ge-
genfätze fchärfer markirenden Ausdruck vermiede n
habe. Indeffen findet fich doch auch in der vorliegenden
Ausgabe Manches, was mit diefer Versicherung nicht
ganz im Einklang Steht. So z. B. bezeichnet er S. 162,
Note 6 die unter Friedrich Wilhelm III. erfolgte Gefangennahme
der Erzbifchöfe Droftc-Vifchering von Köln
und Dunin von Pofen-Gnefen als „Documente der .Willkür
und Ungerechtigkeit' gegen die katholifche Kirche'1.
S. 117, Note 10 fpricht er von einer fortdauernden, in
neuerer Zeit nur noch greller gewordenen unparitätifchen
Zurückfetzung( der Katholiken gegenüber den Protestanten
an den preufsifchen höheren Unterrichtsanftalten, fowie
bei den höheren preufsifchen Gerichtshöfen und Verwaltungsbehörden
. Die erforderliche Objectivität ver-
miffe ich auch bei der Darfteilung des Culturkampfes.
Nach der Auffaffung des Herrn Verfaffers (S. 164) hat
das Unfehlbarkeitsdogma der preufsifchen Regierung
einen ,Vorwand' abgegeben zur Aenderung der bisherigen
Staatsrechtlichen Stellung der katholifchen Kirche
. ,Die Idee, es fei die Aufgabe Preufsens als einer
proteftantifchen Macht, die katholifche Kirche durch
die Staatsgewalt zu bekämpfen, wurde, nachdem die
deutfehen Waffen 1870 Frankreich, „den Romanismus"(?!),
befiegt hatten, in Preufsen und in dem unter preufsi-
fcher Leitung begründeten neuen Deutfehen Reiche
in der gewaltfamften Weife geltend gemacht'. Wenn
Verf. auch zugiebt (S. 186), dafs der Kampf gegen die
katholifche Kirche durch die Gefetzesnovellen feit 1880
wefentlich gemildert ift, fo fei er doch keineswegs ganz
gehoben, und die kirchenpolitifche Gefetzgebung und
Verwaltung Preufsens bedürfe auch heute noch einer
Remedur. Vor Allem verlangt er (S, 192) Wiederher-