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Ausgabe:

1893 Nr. 18

Spalte:

458-459

Autor/Hrsg.:

Albertz, Ernst

Titel/Untertitel:

Der Brief Pauli an die Philipper in Bibelstunden 1893

Rezensent:

Everling, Otto

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Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 18.

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unity will be the establishment of siipcr-denominaüonal
schools for Christian study. Denn We can know what
Christiauity is, only by knowing what it has been. Indeed,
in a very profound sense, Christianity is a liistory (S. 77).

Wie fern freilich diefes Ziel auch den Kirchen Amerikas
fleht, zeigt doch auch diefes Jahrbuch felbff. David-
fon hatte bitter Klage geführt über the growth of crecd-
making rationalism in der Vergangenheit. Davon eben
berichtet aus der Gegenwart, aber wohl in entgegengefetzter
Stimmung Rev. J. Nicum: The confessional
liistory of the Ev. Luther an church in the Un. St. Auf
diefem Gebiet sind Unionsbeftrebungen, wie fie noch 1855
S.S.SchmuckerimSinneeinermildenVermittlungstheologie
verfolgen konnte, antiquirt. Die Freiheit auch der lei-
feften Kritik an der Auguffana (2. 9—II. 25. 28) ift verpönt
. Auch Schmucker's überlebende Gefinnungsgenoffen
haben fich davon überzeugen laffen. Freilich Einftim-
migkeit ift auch für diefe Bekenntnifskirche nur ein frommer
Wunfeh. Aber die Statiftik des Referenten zeigt
doch, wohin der allgemeine Zug geht. Denn er weift
einer mehr .liberalen' Richtung {Conf. Aug.) 16% der
Gemeinden (Communicanten), einer ,confervativen' {Conf.
Aug. invariata) 50%, einer ,extremen' {Form. Concord.)
34% zu.1) — Auf das Gebiet derBekenntnifse fuhrt noch
eine Arbeit von Willifton Walker über The ,Heads
of Agreement1' and the union of Congregationalists and
Presbytcrians based on tliem in London 1691. Diefes für
England faft bedeutungslofe Unionsdocument (f. Weingarten
, Revolutionskirchen S. 340) ift zum Theil unter
amerikanifchem Einflufs entftanden und hat dort eine
viel weiter reichende Geltung erlangt (Increafe Mather
und fein Sohn Cotton f. Döllinger, Akad. Vorträge3,3l8),
aber nicht, wie es urfprünglich gemeint war, als Com-
promifs zwifchen Presbyterianern und Congregationaliften,
fondern als Mittel zur fymbolifchen Fixirung und kirchlichen
Fertigung des in ruhigere Bahnen einlenkenden
Congregationalismus. Als folches hat es von 1708 {Say-
brook Synod) bis 1784 hohes Anfehen genoffen. — Mit
Amerika befchaftigen fich aufserdem zwei Arbeiten,
eine kurze Ueberficht über Urfprung und Gefchicke der
Bulls distributingAmerica von Rev.Gordon und eine Un-
terfuchung der ReligionsMotivcs ofChr. Columbus von W.K.
und Chr.R.Gillet. Derhier unternommene Nachweis, dafs
in der Zeit vor dem Erlafs der Bulle vom 4. Mai 1493 in den
Briefen und dem Reifejournal des Columbus religiöfe Motive
eine ganz untergeordnete Stellung einnehmen, dürfte geeignet
fein, allerhand Uebertreibungen (z. B. Carriere,
Philof. Weltanfchauug der Reform.-Zeit2 I, S. 125 f.) auf
ihr gehöriges Mafs zurückzuführen. — Endlich führen
noch zwei Abhandlungen in ältere Zeiten zurück. Mr.
Barr Ferree ,Christian Thought in Architecture' be-
fchäftigt fich mit den religiöfen Motiven der altkirchlichen
und mittelalterlichen Baukunft, ohne übrigens für jene
ausfuhrlicher auf neuere Streitigkeiten über die Bafilika
einzugehen und ebenfo, wie mir fcheint, ohne dietiefften
Gedanken der Gothik (f. Harnack, Dogmengefchichte
III, S. 391 Anm.) in volles Licht zu fetzen. Intereffant
war mir die wiederholte Hervorhebung des Gegenfatzes
zwifchen franzöfifcher und englifcher Gothik: The Frcnch
cathedrals zvere people's churches; the English ivere, many
ofthem, monastic churches and thus quitt outside ordinary
daily e.vistence (S. 131 Anm. vgl. 136f.). — A. H. New-
man giebt eine ausführliche Ueberficht über Recent Re-
searches concerning mediaeval sects, und zwar in der
Befchränkung auf diejenigen, denen er den Ehrennamen
von old-evangclical beilegen zu dürfen meint. Indem
der Verf. von Ritfchl's allgemeinen Anfchauungen über
Reformation im Mittelalter fchweigt, hat K. Müller mehrfach
unter feiner Mifsgunft zu leiden: ,M. betrays little
sympathy with religions life ofany kind; seems incapable
of appreciating the evangelical Clements that dijferentiated

1) Nach der Zahl der Geldlichen ergeben fich: 24%, 44%, 32%.

the Waldenses from the monastic Orders; for destructive
criticism he has a rare capacity. Umgekehrt wagt er
zwar nicht fich Kellers Extravaganzen unbedingt anzueignen
, ftimmt aber in gleicher Richtung um fo freudiger
Preger bei: P. has learned to sympathize with evangelical
mysticism; he recognizes whereever he finds it true
evangelical piety. Das Schlufswort über die Waldenfer
fpricht L. Lemme (Th. Stud. u. Krit. 1890 S, 186 f.).

Rumpenheim. S. Eck.

Albertz, Paff. Emil, Der Brief Pauli an die Philipper in Bibelstunden
. Strehlen, Affer, 1892. (IV, 168 S. gr. 8.)
M. 2. —; geb. M. 3. —

Es ift wohl begreiflich, dafs dem Verf. aus feiner
,Bibelftunden-Gemeinde' wiederholt der Wunfeh entgegengebracht
worden ift, ,ihr das gehörte Wort durch den
Druck zu bleibendem Befitz zu vermitteln'. Durch die
Betrachtungen geht ein frifcher, belebender Zug, der zumal
beim mündlichen Vortrage feine Wirkung nicht verfehlt
haben wird. Die Auslegung ift warm und klar, die
Anwendung taktvoll und gefund. Der Verf. hat eine
fchöne Gabe, feine Gedankengänge anfehaulich und red-
nerifch wirkfam zu geftalten. Oft ift fchon durch die
Ueberfchrift der Weg zu einer lebendigen Behandlung
gebahnt, fo i, 3—Ii .Paulus, wie er betet für fein Werk'.
1, 12—26 .Paulus, wie er leidet für fein Werk'. Die
Uebergänge find gewöhnlich recht gefchickt. Albertz
bemerkt, dafs es ihm ,nicht darauf ankam, jeden einzelnen
Zug in der Rede des Apoftels zur weiteren Ausführung
zu bringen'; er hat vielmehr ,im wefentlichen
immer gerade das herausgegriffen', was ihn ,perfönlich
beim Lefen des betreffenden Abfchnitts bewegte'. Trotzdem
dürfte an manchen Punkten z. B. 2, 21 (S. 88) und
3, 9 (S. 108) eine ausführlichere und einleuchtendere Auslegung
nöthig fein. Die zahlreichen Bilder find meift
zutreffend, würdig und zweckentfprechend. Es finden
fich aber auch Gefchmacklofigkeiten. S. 18 wird das allzu
häufig auftauchende .Gebetskämmerlein' mit einem ,Waf-
fenarfenal' und .Kräfterefervoir' verglichen. In demfelben
Kämmerlein ift ,des Apoftels Seele eine Harfe, die immer
zum Preife Gottes geftimmt ift'. S. 30 ift von .Selhofs
und Riegel' die Rede, die man dem Evangelium ,vor
den Mund gelegt'. ,Die Fahne des Evangeliums' wird oft
hochgehalten (S. 6. 7. 35), auch ,das Irr- und Wirrfal
diefer Welt' begegnet uns mehrfach (S. 7. 26). ,Das von
freundlicher Liebe triefende Schreiben' (S. 9) ift ebenfo
fchön, wie der .Appetit' auf Lebensbrot (S. 130). Ueber-
haupt leidet der Ausdruck durch die Häufung von Eigen-
fchaftswörtern (z. B. S. 13. 40. 130) und Hauptwörtern
(z. B. S. 48), durch fubftantivifch gebrauchte Zufammen-
fetzungen (z. B. ,das mit Chrifto leiden können'; ,mit
feinem in der Welt Sein und doch in jedem Augenblick
in Gott Sein' S. 46), bisweilen durch fchleppende Sätze
(S. 15 u. f. w.) und durch den auffallenden Gebrauch des
Gedankenftriches. Das .Evangelium, Evangelii, Evangelio,
St. Paulum, St. Pauli, St. Paulo' wird wohl fein und bleiben
müffen; ich war einmal in einem Kreife, da galt
diefe Declination als befonders entfehieden chriftlich und
fro mm. Albertz und manche andere follten kühn den
Zopf abfehneiden. S. 106, Z. 2 v. u. wird Nichtigkeit
ftatt Richtigkeit zu lefen fein. — Die meiften Mängel diefer
.Bibelftunden' Rheinen mit ,der Schnelligkeit der Ent-
ftehung' zufammenzuhängen, die der Verf. feltfam offenherzig
hervorhebt. Sollte er feine augenfeheinliche Begabung
für derartige Betrachtungen der heiligen Schrift
noch an anderen Briefen verfuchen und bewähren wollen,
fo werden die Lefer gerne auf folche Spuren ,der Schnelligkeit
' verzichten, fonft aber wohl alle feine Arbeit freudig
begrüfsen. Man kann den vorliegenden Vernich, der
Gemeinde ,die Bibel zu ihrem Erbauungsbuche machen
zu helfen' nicht nur Gemeindegliedern empfehlen, die
nach einer gut lesbaren, zufammenhängenden Schrif'taus-