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Ausgabe:

1893 Nr. 18

Spalte:

456-458

Autor/Hrsg.:

Papers of the American Society of Church history. Vol. 4. Report and papers of the 4. annual meeting, held in the City of Washington.

Titel/Untertitel:

Dec 29, and 30, 1891 1893

Rezensent:

Eck, Samuel

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Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr 18.

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durch fehr fchwierig, dafs er die Frage fo (teilt: Bildete [ berichten. Dafs der mittelalterliche Theologe die Dar-

die deutfche Predigt einen regelmäfsigen Beltandtheil des I bringung des Mefsopfers nicht für eine Unterweifung des

Sonntagsgottesdienftes? Da er natürlich findet, dafs dies Volkes halten konnte, kommt ihm nicht in den Sinn;

nicht in derfelben Art der Fall war, wie fpäter in der was gefchehen follte, ift gefchehen: die Erwähung der

evangelifchen Kirche, fo behauptet er, dafs vor dem Predigt ift befeitigt. Aehnlich in Dutzenden von Fällen.

zwölften Jahrhundert an eine deutfche Predigt nicht zu
denken fei. Hätte er das Problem fchärfer gefafst, und
demnach gefragt: 1) ob, wenn zum Volk geredet wurde,
deutfch oder lateinifch geredet wurde und 2) in wie weit
die Unterweifung der Gemeinde im chriftlichen Glauben
und Leben als Amtspflicht des Clerus betrachtet wurde,
fo würde er vermuthlich eine richtigere Antwort gefunden
haben. Seine falfche Antwort ift er nun genöthigt
durch fortgehende Vergewaltigung der Quellen aufrecht
zu erhalten. Dafür ein Paar Beifpiele. An der vorhin
erwähnten Stelle der vita s. Galli wird von einer Rede
Galls in Bregenz erzählt: Columbanus iussit Gallo ad po-
pulum recitare sermonem, qnia ille inter alios eminebat
lepore latinitatis nec non et idioma illius gentis... Quibus
congregatis electus Dei Gallus rigabat cor da eoriwi melli-
fluis verbis, ortando eos ad creatorem suum converti etc.

Für den unbefangenen Lefer kann das Verftändnifs der ! gender Form dargeboten wird:
Erzählung nicht zweifelhaft fein: Gall war der rechte
Mann zu predigen; denn i)verftand er Latein, die Vor-
ausfetzung für die nöthige theologifche Bildung war alfo
bei ihm gegeben und 2) verftand er deutfch; er konnte
fich alfo verftändlich machen. Nach dem vorhin über

Man ift geradezu erleichtert, wenn man auf S. 145 des
zweiten Theils lieft: ,Man wird gut thun, in jedem Fall
von dem überfchwänglichen Lob, welches den Bifchöfen
wegen ihrer Predigtleiftungen gefpendet wird, einen Theil
auf Rechnung der Begeifterung des Schriftftellers für den
Mann zu fetzen, deffen Leben er der Nachwelt glorreich
überliefern wollte, einen anderen Theil auf die Urtheils-
lofigkeit der Verfaffer felbft zurückzuführen'. Denn nun
weifs man doch, woran man ift: Der Verfaffer hat recht
und die gleichzeitigen Zeugen haben unrecht; fagen fie
es anders, als er es fich denkt, dann behaupten fie aus
üblem Willen oder aus Unverftand Unwahrheiten.

Auch hinfichtlich der Form läfst Albert's Werk manches
zu wünfchen übrig. Der Stil ift nicht feiten von
unerlaubter Nachläffigkeit. Und was foll man dazu fagen
, wenn das bekannte Diftichon Goethe's einem in fol-

Selber erfinden ift fchön,
Schöner von andren Gefundenes,
Glücklich erkannt und gefafst,
Nenn es nicht minder dein eigen.

Das überfchreitet doch das Mafs von Mifshandlung,

das Alter der vita s. Galli Gefagten hat die Stelle keinen j das fich deutfche Claffiker herkömmlicher Weife gefallen
Werth für unfere Kenntnifs der Perfönlichkeit Gall's; aber laffen müffen.

fie ift werthvoll, weil fie zeigt, dafs auch im 9. Jahrhun- Ich wiederhole, Albert's Werk ift nicht ohne Ver-

dert das Selbftverftändliche als felbftverftändlich galt: ! dienft; aber für die Fortfetzung desfelben ift dringend zu
wer ,mit honigfüfsen Worten die Herzen der Menfchen 1 wünfchen, dafs der Verfaffer etwas mehr Kritik an feinen
überftrömen' wollte, mufste die Sprache reden, die fie ! eigenen Gedanken übt und etwas wohlwollender auf die
verftanden. Der Verfaffer der vita s. Galli weifs es alfo j Gedanken der Aelteren eingeht.

Leipzig. Hauck.

nicht anders als dafs man in Deutfchland deutfch pre
digte. Was macht nun aber Albert aus diefer Stelle ?
Er erklärt: ,Von dem alten Biographen wird der Auftrag
Columba's an Gallus zu predigen in erfter Linie Papers of the American Society of Church history. Vol. IV.
durch die Feinheit feiner Latinität begründet, ehe die ; Report and papers of the 4. annual meeting, held in
Kenntnis der Volksfprache erwähnt wird. Faft fcheint es the City of Washington., Dec. 29, and 30, 1891. Edited

alfo,als habe man auch hier an ein Nebeneinander desLa- I u v>^, c™ .„1 m«.____i„„ rni.,a„„ tvt-,„ v^-u- ^„a

. ■ t , , , -it ,, r ■ . . t, . , by Rev. Samuel Macaulay Jackson. New York and

teinilchen und der Volksfprache in der Predigt des Gallus 1 ' 1 J

zu denken. Ja eine gelegentliche Aeufserung in feiner London, Putnam s Sons, 1892. (LVIII, 235 S. gr. 8.)
Predigt berechtigt uns zu der Annahme, dafs allerdings Diefer vierte Band des Jahrbuchs der American So-

Gallus auch keinen Anftofs genommen, blofs lateinifch ; ciety of Church History — vgl. Th. Lit.-Ztg. 1892, Nr. 14
vor dem Volke zu predigen. Er rechnet es nämlich zu ; — enthält den Bericht über die Jahresverfammlung von 29.
einer bleibenden, von Chrifto verheifsenen Wirkung des ' und 30. December 1891. Der Plan einer Amerikanifchen
Pfingftwunders, dafs alle Hörer . . . eine chriftliche Predigt i Kirchengefchichte in Einzeldarfteilungen der verfchiede-
verftehen, die in irgend einer Sprache gehalten wird'. ; nen Denominationen ift gefichert, Verleger und Ver-
Die Stelle aus der pfeudo-gallifchen Predigt lautet: Quia i faffer für das grofse Werk find gewonnen. Die letzteren
apostoli cunctis gentibus et Unguis ?wvam hanc doctrinam follen regelmäfsig der kirchlichen Gemeinfchaft felbft
praedicare debuerunt, dedit eis diversarum linguarum ' angehören, deren Gefchichte fie darftellen. Auch für
agnitionem. Quin etiam ipsis et eorundem fidei sequaeibus den römifchen Katholicismus wird davon nicht abge-
midtomaiora promisit et concessit, ita ut dumplurimarum wichen. Den betreffenden Band hat Rev. Th. O'German
linguarum hominibus i?i una loquerentur a cunctis intelli- ' — nach dem Mitgliederverzeichnifs ,D.D. by Pope Leo XIII,
gerentur et unibra illorum inürmi sanarentur etc. Was j 1891, Prof. of Modern Church History, Catholic Univer-
der Redner des neunten Jahrhunderts als ein Zeichen 1 sity Washington' — übernommen. Den Verfalfern ift auserwähnt
hat, fo aufserordentlich, wie wenn ein Kranker j drücklich ein fraternal regard to all other portions of
durch den Schatten, der auf ihn fällt, gefund wird, das j Christs Kingdom auferlegt. Für die Erfüllung dieferFor-
läfst Albert ihn für eine regelmäfsig vorkommende Er- ! derung bürgt aber nicht nur das leitende Comite, fondern
fcheinung halten. Ein zweites Beifpiel! Thietmar von mehr noch diefe kirchengefchichtliche Gefellfchaft felbft,

Merfeburg erzählt von fich felbft: Dies dominica crastino
illuxit et ego peccator missam cantans populos advenientes
amonicionis egentes institui. Strebitzki überfetzt: Der
nächfte Tag war ein Sonntag. An diefem fang ich
Meffe für die Sünder (nach der Lesart peccatonim), lehrte

in der Angehörige der verfchiedenften Denominationen
friedlich mit einander arbeiten. Spricht diefer weitherzige
Sinn aus Philipp Schaffs Abhandlung über die Freund-
fchaft Melanchthons und Calvin's, fo lefen fich die
Ausführungen von Th. Davidfon über Church Unity

die herbeigekommenen, der Vermahnung bedürftigen or the kingdom of Heaven wie das idealfte Programm

Chriften etc. Dafs diefe Ueberfetzung richtig ift, wird nie- 1 einer folchen Arbeitsgemeinfchaft. Denn durch eine

mand bezweifeln; ebenfo wenig dafs fie von einer An- 1 geiftvolle, an paradoxen Wendungen reiche Skizze der

fprache des Bifchofs an feine Gemeinde handelt. Dagegen Vergangenheit, die dadurch nur gewinnt, dafs fie wieder-

umfehreibt Albert: Da fei das einer Ermahnung bedürftige holt zu energifchem Widerfpruch reizt, bahnt fich der

Volk herzugekommen, und er habe es ,eine Meffe fin- , kühne Redner den Weg zu feinen überrafchenden Vor-

gend' unterwiefen. Von einer Predigt habe er nichts zu fchlägen: The first step, then, toward restoring Christian