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Ausgabe:

1893 Nr. 18

Spalte:

447-449

Autor/Hrsg.:

Bacher, Wilh.

Titel/Untertitel:

Die jüdische Bibelexegese vom Anfange des 10. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts 1893

Rezensent:

Siegfried, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 18.

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Hier find die verfchiedenen Auffaffungen der neueren
Gelehrten forgfältig zufammengeftellt, ebenfo die fonfti-
gen Angaben alter Quellen jChronicon Paschale, Jor-
nandes, Ifidor) auf ihr Verhältnifs zu Epiphanius unter-
fucht. Das Neue, was unfer Forfcher beibringt, ift die
Anficht, dafs der Severus, in deffen Zeit Symmachus
nach Epiphanius lebte, Mark Aurel fei, und dafür ftützt
er fich auf eine Infchrift von Pompejopolis in Paphla-
gonien, in welcher M. Aurel den Beinamen Antoninus
Severus zu führen fcheint (C.IGr.. 4154 t 3, 118; zuerft
veröffentlicht 1840). Ich fage: fcheint; denn die Infchrift
ift fo fehlerhaft gefchrieben oder überliefert — fie betrifft
einen Gn. Claudius Severus, der yaiißgog Y.cctoctQog III.
AvQiq'ktov Avtwveivnv SsßijQov genannt wird — dafs ich
auf diefelbe nicht viel bauen möchte, zumal da die fy-
rifchen Handfchriften des Epiphanius, deren eine fchon
dem 6. Jahrhundert angehört, auf die Lesart Ovrjgog ftatt
^evrjQOV führen; f. Lagarde, Vet. Test, ab Orig. rec. fr.
1880. p. 25, 71. 73. 28, 35 — nur 27, 30 hat A u. B am
Rande Severus —; Symmict. II, 168, 1.4. 171,75fr. Die
letztere Stelle fehlt im griechifchen Text ganz: dafs
Marcus AureliusAntoninus, der auch Verus hiefs und 19
Jahr regierte, auch Comodus Lucius geheifsen und unter
ihm, wie fchon gefagt, Symmachus gelebt habe. Lagarde
hat angenommen, dafs Epiphanius bei der Vorbereitung
feines Werkchens verfchiedene Faffungen für fpätere Auswahl
neben einander geftellt, die Auswahl felbft nicht mehr
getroffen habe und ein fpäterer Diafkeuaft über dem Text
her gewefen fei. Der vorliegende Fall zeigt, wie erwünfcht
es wäre, wenn einmal die ganze Schrift de ponderibus
gründlich auf ihre Befchaffenheit unterfucht würde. Ebenfo
erwünfcht wäre es aber auch, wenn die Nachrichten über
Symmachus, feinen Matthäus-Commentar etc., neu geprüft
würden; hoffentlich geht die Anregung, welche Mercati
durch Inangriffnahme der Einzelfrage nach feiner Zeit gegeben
, nicht verloren.

Ulm. E. Neftle.

1. Bacher, Prof. Dr. Wilh., Die hebräische Sprachwissenschaft

vom 10. bis zum 16. Jahrhundert. Mit einem einleitenden
Abfchnitte über die Maffora. [Aus: ,Winter u.
Wünfche, Die jüdifche Litteratur feit Abfchlufs d.
Kanons'.] Trier, S.Mayer, 1892. (III, 114S. gr. 8.)
M. 2.25.

2. Bacher, Prof. Dr. Wilh., Die jüdische Bibelexegese vom

Anfange des 10. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts.
[Aus: ,Winter u. Wünfche, Die jüd. Litteratur feit
Abfchlufs des Kanons'.] Trier, S. Mayer, 1892. (III,
102 S. gr. 8.) M. 2.—.

3. Bacher, Prof. Dr. Wilh., Die Bibelexegese der jüdischen

Religionsphilosophen des Mittelalters vor Maimuni. Strafsburg
i/E., Trübner Verl., 1892. (VIII, 156 S. gr. 8.)
M. 4.-.

Zu der grofsen Anthologie der jüdifchen Literatur
von Winter und Wünfche, welche allgemeine Ueberblicke
mit Auslefen vorzüglicher Proben aus den einzelnen Literaturwerken
verbindet, hat Bacher mehrere fchöne Beiträge
geliefert. Für den hier zuerft vorliegenden war
der Verf. durch eingehende Detailftudien auf dem betreffenden
Gebiete in trefflicher Weife vorbereitet. Wir erinnern
nur an feine Arbeit über ibn Esra als Grammatiker
1882 und über Hajjug 1882, ferner an feinen Abrifs der
hebräifchen Grammatik des Benjamin ben Juda von Rom
{Revue des etudes juives IX 1885), an die Abhandlung
über des Abulwalid hebräifch-arabifche Sprachvergleichung
1884 und desfelben hebräifch-aramäifch-neuhebr.
Sprachvergleichung Wien 1885, an die Schrift über Jofeph
Kimchi's Sefer fikkaron 1888, an feine Würdigung des
Lexikographen ibn Parchon (in der Zeitfchr. f. altteft.

Wiffenfch. 1890. 1891). Diefen Arbeiten fchliefst fich die
vorliegende würdig an.

Einem einleitenden Abfchnitte über die Maffora, der
in kurzer Zufammenfaffung das Wefentliche des Stoffes
bietet und mit einer bis auf die neueitenArbeitenreichenden
Literaturüberficht fchliefst, läfst der Verf. die Darfteilung
der erften Anfänge einer hebräifchen Sprachwiffenfchaft
bei den Juden folgen, um dann in ausführlicherer Weife
die hervorragendften jüdifchen Sprachgelehrten des 10.
bis 16.Jahrhunderts zu befprechen. Es kommen da befon-
ders zur Sprache aus dem 10. bis 12. Jahrhundert: Saadja
Gaon, Jehuda ibn Koreifch, Menahem ben Saruk, Dunafch
ibn Labrät nebft den Schülern der beiden Letztgenannten,
Abulwalid, ibn Esra, Jofeph Mofes und David Kimchi.
Ueber das 13. bis 15. Jahrhundert, die im Wefentlichen
Perioden der Nachbildung waren, werden nur zufammen-
faffende Ueberblicke gegeben. Aus dem 16. werden dann
wieder Elias Levita und Abrah. de Balmes eingehender
behandelt. Zum Schlufs ift eine Ueberficht über die
wichtigfte Literatur zu den einzelnen Fragen gegeben.
Der inftructive Werth diefer Darfteilung liegt befonders
| darin, dafs der Verf. den allgemeinen Inhaltsangaben der
befprochenen fprachwiffenfchaftlichen Werke wörtlich
überfetzte Proben, die von der Art der Behandlung einzelner
Fragen eine Anfchauung geben, folgen läfst. Aus
den Wörterbüchern werden z. B. in deutfcher Ueber-
fetzung einzelne Artikel mitgetheilt. So wird der Lefer
überall in ein unmittelbares Verhältnifs zu den Quellen
verfetzt und bekommt eine lebendige Vorftellung von
der Methode der Sprachbetreibung des befprochenen
Gelehrten. In diefer Weife find, je nach ihrer Bedeutung
mehr oder minder eingehend, über 80 Autoren behandelt. —

Die zu zweit genannte Arbeit behandelt die Gefchichte
der jüdifchen Exegefe innerhalb des nahezu gleichen
Zeitabfchnittes. Auch hierzu war der Verf. nicht unge-
rüftet. Ueber ibn Esra als Schriftausleger hatte er 1876,
über Jofeph Kimchi und Abulwalid 1883 gefchrieben.
Die letzte Arbeit wurde 1885 noch durch eine Unter-
fuchung über die Quellen der Schrifterklärung des Abulwalid
vervollftändigt, vgl. auch des Verf.'s Schrift über
denfelben Gegenftand von 1889 (Leipzig, Schulze), fowie
die verwandten Stoffen gewidmeten Artikel in der rev.
des Hudes juives I. XVII. Dem entfprechend bietet denn
auch diefe Schrift des Verf.'s klar und fchön gefchriebene
exegetifche Charakterbilder zuerft der geonäifchen Zeit,
fodann der fpanifchen Glanzperiode, der fogenannten
Darfchanim und der nordfranzöfifchen Exegetenfchule;
darauf werden in befonderen Abfchnitten Abraham ibn
Esra und die Kimchiden abgehandelt, worauf zuletzt
Darftellungen der philofophifchen, der myftifchen Exegefe
und ein Ueberblick über die exegetifche Literatur
vom Ende des 12. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts
erfolgen. Die Zahl der behandelten Exegeten beläuft
fich auf ungefähr 118. Auch hier find in jedem einzelnen
Falle aus den betreffenden Commentaren Proben in deutfcher
Ueberfetzung beigefügt. Zur allgemeinen Einführung
in die exegetifche Arbeit unter den Juden diefer Zeitperiode
wüfsten wir ein zweckmäfsigeres Hülfsmittel
nicht zu nennen.

Die 3., nicht der Winter- Wünfche'fchen Encyclopädie
angehörige, fondern felbftändig erfchienene Arbeit behandelt
in eingehenderer Weife ausfchliefslich die philofophifchen
Exegeten der Zeit vom 10. bis Ende des 12. Jahrhunderts
. Im Einzelnen kommen zur Sprache: Saadja,
ibn Gabirol, Bachja ibn Pakuda, Abrah. ben Chija, Mofes
ibn Esra, Jofeph ibn Zaddik, Jehuda Hallevi, Abrah. ibn
Daud. Es handelt fich hier vorzugsweife um Gewinnung
des exegetifchen Stoffes aus den philofophifchen Werken
der genannten jüdifchen Lehrer und zwar kommt hiebei
weniger die Einzelexegefe in Betracht, als die Erkenntnifs
der hermeneutifchen Methoden, deren fich diefe Philofo-
phen bedienten, um den Gehalt ihrer Syfteme aus der
Bibel herzuleiten und als darin begründet aufzuzeigen.