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Ausgabe:

1893 Nr. 17

Spalte:

419-420

Autor/Hrsg.:

Büchler, Adolf

Titel/Untertitel:

Untersuchungen zur Entstehung und Entwicklung der hebräischen Accente. 1. Theil. Die Ursprünge der verticalen Bestandtheile in der Accentuation des hebräischen Bibeltextes und ihre masoretische

Rezensent:

Kautzsch, Emil

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419

Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 17.

420

fetzungen find falfch von Anfang bis zu Ende. Es ift
der reine Zufall, wenn er ein oder das andere Mal das
Richtige trifft.

Man follte glauben, dafs der Verfaffer, nachdem er
den ganzen Rigveda, ja felbft den Atharvaveda (fiehe
Appendix) aus dem Opfer erklärt und überall Opfervorgänge
fieht, wenigftens das Opfer aus den liturgifchen
Werken, aus Brähmanas und Sütras, ftudirt hätte, wie
es Hillebrandt und Bloomfield mit fo fchönem Erfolge
gethan. Es wäre ja gewifs verkehrt, das Opfer aus dem
Rigveda ganz wegerklären zu wollen, ebenfo verkehrt,
wie es überall hinein zu interpretiren. Aber für R. ift
der ganze Brahmanismus nur ein Product von fchlecht
verftandenem Vedismus (p. 58), wozu alfo die Werke des
Brahmanismus ftudiren? Er hat es da viel bequemer.
Mit Sorna, der Opferfpeife, mit Agni und Agni's Flammen
reicht er vollkommen aus.

Wenn es fo um Regnaud's Verfuch fteht, den Veda
nach einem neuen Syftem zu erklären, fo brauchen wir
uns um feine mythologifchen Anfchauungen kaum zu
kümmern. Von einer indogermanifchen Mythologie, die
der Titel des Buches ankündigt, ift ohnehin in dem ganzen
Band keine Rede. Die foll uns wohl der ver-
fprochene zweite Theil bringen. Wird uns dann R. auch
eine neue Homer-Interpretation befcheeren, wonach wir
unter Zeus die entzündete Libation und unter der rofen-
fingerigen Eos die Flammen des Opferfeuers zu verftehen
hätten?

Oxford. M. Winternitz.

Büchler, Adolf, Untersuchungen zur Entstehung und Ent-
wickelung der hebräischen Accente. I. Theil. Die Ur-
fprünge der verticalen Befiandtheile in der Accen-
tuation des hebräifchen Bibeltextes und ihre mafo-
retifche Bedeutung. [Sitzungsberichte der Kaif. Akademie
der Wiffenfchaften in Wien. Philof.-hiftorifche
Claffe. Band CXXIV.] Wien, F. Tempsky, 1891.
(182 S. gr. 8). M. 3. 60.

Um die Entftehung des hebräifchen Accentuations-
fyftems zu ermitteln, ift nach dem Verf. von den
Accenten auszugehen, die fich als anfcheinend nicht in
das ganze Syftem hineinpaffend darfteilen. Verf. unter-
fucht nun zuerft den Zufammenhang zwifchen Maqqeph
und den Verticalaccenten. Ausgehend von der Thefe
(S. 6) ,die erften Zeichen der Betonung wurden nur da
gefetzt, wo ein Wort, welches fonft unfelbftändig und
tonlos ift und auch in dem betreffenden Falle als folches
hätte betrachtet werden müffen, den Ton hat', zeigt er
an zahllofen Beifpielen, dafs das erfte von zwei Munach
immer dazu diene, das Ausbleiben des Maqqeph zu
markiren. Denn Munach fei urfprünglich nichts anderes
als die (nach S. 19 erft nachträglich mit dem wagrechten
Strichlein verfehene) Perpendicularlinie zur Hervorhebung
des felbftändigen Tons. Nicht minder häufig aber wurde
(bei der Umfetzung der primitiven Betonungszeichen in
mufikalifche Tonzeichen) eine der beiden Verticalen zu
Mercha. (Warum das Maqqeph durch die Verticale erfetzt
werden mufste, bleibt dabei freilich vielfach dunkel.)
Nicht minder dienen Mehuppakh, Jethib, Dechi, fowie
die (nicht dem Grundftock des urfprünglichen Syftems
angehörenden) Pazer, Galgal, Azla und Pafchta, Gerefch,
Grofszaqeph und Telifcha (urfprünglich nur der mafo-
retifche Kreis), ferner der Legarmehftrich, Schalfcheleth
und der mit dem Legarmeh eigentlich identifche Pafeq-
ftrich urfprünglich alle dem gleichen Zwecke — der
Andeutung des fehlenden Maqqeph. Die verfchiedenen
Umgeftaltungen der urfprünglichen Verticale find ein
Niederfchlag verfchiedener flreitender Theorien (S. 78).

Von allgemeinerem Intereffe ift der zweite Haupt-
theil: ,die Verticalen als maforet. Zeichen', d. h. als

eine Art siel bei Wörtern, die leicht unterdrückt, mit ähnlich
lautenden verwechfelt, nach vermeintlichen Parallelen
corrigirt oder irgendwie angezweifelt werden konnten.
In diefelbe Kategorie gehören eigentlich die als dritte
Hauptclaffe vom Verf. unterfchiedenen .Verticalen der
Specification'. Die ftarke Abwechslung im Gebrauch der
j Verticalen beruht dabei (S. 165) auf dem Streben nach
einer logifchen Eintheilung der Specification (yergl. z. B,
1 Chron. 12, 41. Jof. 7, 24). Befondere Capitelfind fodann
j noch dem (Blasphemien verhütenden) Paseq euphemisti-
cuvi und den euphonifchen Pafeq-Strichen gewidmet.

Die Unterfuchung ift mit ftreng wiffenfehaftlicher
Methode, auf Grund genauefter Kenntnifs der einfchla-
genden Literatur und mit wahrhaft felbftverleugnendem
I Fleifse geführt; die vielen Hunderte von Belegen fetzen
überaus umfaffende und ferupulöfe Vorarbeiten voraus.
Ueber einzelne Künftlichkeiten in Folge von Confequenz-
! macherei fehen wir dabei ebenfo bereitwillig hinweg, wie
j über das oft fehr anfechtbare Deutfch. Genug, dafs die
Belege für die Hauptthefe des Verfaffers fo weit unanfechtbar
genannt werden können, als fie den Gebrauch der
Verticale zur Markirung des felbftändigen Tons ftatt der
zu erwartenden Maqqephverbindung als eine der Grundlagen
des jetzigen complicirten Syftems zu erweifen
fuchen. Warum freilich die urfprüngliche Verticale fo
überaus mannigfaltige Umgeftaltungen erfuhr, und vor
allem, was diefe mannigfaltigen Formen als mufikalifche
Zeichen zu bedeuten hatten, bleibt nach wie
vor gänzlich dunkel. Auch der Verf. begnügt fich S. 180
I mit dem Refultat, ,dafs in der Accentuation der Bibel
1 zwei von einander in Bezug auf Charakter und Urfprung
I verfchiedene Beftandtheile verfchmolzen find'.

Halle a. S. E. Kautzfeh.

Meyer, Heinr. Aug. Wilh., Kritisch-exegetischer Kommentar
über das Neue Testament, begründet von H. A. W. M.

2. Abth. Das Johannes-Evangelium. 8. Aufl., neu bearb.
von Oberkonfift.-R. Prof. Dr. Bernh. Weifs. Göttingen
, Vandenhoeck & Ruprecht, 1893. (III, 635 S. gr. 8.)
M. 8.—; geb. M. 9.50.

Schon die 6. Auflage des Meyer'fchen Commen-
tares zu Johannes war von Weifs bearbeitet (1880). Die
vorliegende 8. ift alfo bereits die dritte von Weifs be-
forgte. Die Umarbeitung hat diesmal formell noch viel
tiefer in den Meyer'fchen Text eingegriffen als früher.
Wie in anderen Abtheilungen des Meyer'fchen Commen-
tares (zu den Synoptikern und zum Römerbrief) fo hat
Weifs nun auch hier das Ziel verfolgt, im Text mög-
lichft nur die eigene Auslegung nebft Begründung zu
geben, die Erwähnung der Anflehten Anderer aber und
die Auseinanderfetzung mit ihnen in die Anmerkungen
zu verweifen. Es fcheint mir unfraglich, dafs damit in
formaler Hinficht eine wefentliche Verbefferung erreicht
ift. Der Text wird viel geniefsbarer, da er von vielem
Ballaft befreit ift. Allerdings hat Weifs, indem er diefen
Theil des Meyer'fchen Materiales in die Anmerkungen
verwies, damit auch zugleich eine Verkürzung desfelben
eintreten laffen. Aber diefer Verkürzung tritt anderer-
feits eine Erweiterung durch Berückfichtigung der neueren
Arbeiten an die Seite, fo dafs der Gefammt-Charak-
ter des Meyer'fchen Commentars doch erhalten geblieben
ift. Auch in diefer Umgeftaltung ift das Werk noch
immer, wie früher, unfere Haupt-Fundgrube nicht nur
für das exegetifche Material, fondern auch für die Ge-
fchichte der Auslegung hinfichtlich jeder Einzelfrage.

Zu erheblichen Aenderungen feiner Auffaffung hat
Weifs felbftverftändlich bei diefer neuen Auflage keine
Veranlaffung gehabt, nachdem er feine Anfchauungen
im Ganzen und im Einzelnen, wie fie auf Grund langjähriger
Befchäftigung mit dem Gegenftande fich ihm er-