Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1893

Spalte:

380-382

Autor/Hrsg.:

Couderc, J.-B.

Titel/Untertitel:

Le vénérable Cardinal Bellarmin. 2 vols 1893

Rezensent:

Reusch, Franz Heinrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

379

Theologifche Literalurzeitung. 1893. Nr. 15.

380

immerhin manches abgewonnen, was der Beachtung
werth i(t.

Der 1. Auffatz behandelt den unter den Werken
des Hieronymus (Migne CPL XXX, 148 ff.) flehenden
Tractat de Septem ordinibus ecclesiae und feinen Verfallen
In einer Abhandlung in der Revue Benedictine 1891, p. 97 fr
hatte Morin den Nachweis zu führen gefucht, 1) dafs die
Schrift bald nach 422 entftanden fei, 2) dafs Verfaffer
und Adreffat in Gallien lebten, 3) dafs letzerer ein Metro-
politanbifchof gewefen fei, 4) dafs man in dem Verfaffer
Fauftus von Reji, im Adreffaten Rufticus v. Narbonne zu
fehen habe. Punkt 1—3 hat Morin erwiefen. Die Richtigkeit
feiner Schlüffe wird auch von E. anerkannt. Dagegen
laffen fich gewichtige Gründe gegen die von Morin vorgenommene
Identificirung des Verf.'s des Tractates mit
Fauftus geltend machen. M. E. hat E. in der That gezeigt
, dafs es nicht möglich ift, an Fauftus zu denken,
der, wenn der chronologifche Anfatz der Schrift in Ordnung
ift, damals kaum zwanzig Jahre alt gewefen fein
mochte. Auch eine Reihe von fprachlichen Argumenten
hat E. mit Glück geltend gemacht.

Nr. 2 giebt Kenntnifs von einer handfchriftlichen Ausgabe
der Briefe des Ruricius {Cod. Paris, lat. 11378) von
P. Joh. Danton, die feinerzeit, wahrfcheinlich weil die
Revolutionszeit dazwifchen kam, nicht zum Druck gelangte.
Neues handfchriftliches Material hat D. nicht benutzt;
er legte den von Canifius gebotenen Text zu Grunde.
Seine Conjecturen treffen zum Theil das Richtige; die
Anmerkungen enthalten manche Bemerkungen, die auch
jetzt noch der Beachtung werth find. Die Excerpte aus
den Papieren D.'s erhalten dadurch befonderen Werth, dafs
E. eine Reihe von werthvollen exegetifchen und text-
kritifchen Ausführungen dazu gethan hat, für die in feiner
Ausgabe kein Platz war.

Nr. 3 handelt von ,Titel und Titulaturen in den
Briefen des Ruricius und feiner Genoffen'. Wie E. S. 4 mittheilt
, foll der Auffatz der Vorläufer einer gröfseren
Arbeit fein, in der die in der fpätlateinifchen Briefliteratur
vorkommenden Titel und Titulaturen im Zufammen-
hange unterfucht werden follen. Dafs das Thema nicht
lediglich literarhiftorifches oder culturgefchichtliches Inte-
reffe hat, zeigt die forgfältige Abhandlung E.'s (vgl. bef.
S. 60 ff.).

Ob die S. 84 fr gegebene Revue der kritifchen Urtheile
über die Wiener Ausgabe des Fauftus und Ruricius ein
allgemeineres Intereffe erweckt, mufs ich bezweifeln. Am
intereffantelten wäre es ohne Frage gewefen, zu vernehmen,
was E. den Ausführungen Morin's {Rev. Bened. 1892,
49 ff.) gegen die Echtheit der von E. dem Fauftus zu-
gewiefenen Predigten zu erwidern hat. Allein leider ift
diefe Auseinanderfetzung auf eine andere Gelegenheit
verfchoben worden. Hier erhalten wir nur ein langes
Verzeichnifs aller Ausftellungen und Einfälle der Re-
cenfenten z. Th. mit kritifchen Bemerkungen. Den Benutzern
der Ausgabe wäre wohl mehr gedient gewefen,
wenn E. im zweiten Bande die Ausftellungen und Emendationen
, die er für berechtigt hält, mitgetheilt, die Spreu
aber einfach dem Winde überlaffen hätte. Wenn E.
S. 85 den Einwand gegen zwei feiner Emendationsverfuche
damit abweift, dafs er fie felbft durch die Einführung
mit nuni als unzutreffend bezeichnet habe, fo fcheint mir
das doch etwas fchulmeifterlich. Wenn er fie felbft nicht
für paffend hielt, fo hätte er fie nicht mittheilen follen.
Grammatifche Feinheiten des Unterfchiedes zwifchen num
und norme wird man im textkritifchen Commentar zu-
nächft nicht vermuthen.

,Loof, Leontius v. Byzanz' S. 97 ift ein bedenklicher
Druckfehler.

Berlin. Erwin Preufchen.

Couderc, J.-B., S.J., Le venerable Cardinal Bellarmin. 2 vols.
Paris, V. Retaux et fils, 1893. (431 und 435 S. 8.)

Der Verfaffer diefer ftattlichen beiden Bände fpricht
gleich I, 3 die Hoffnung aus, dafs Bellarmin bald werde
feiig gefprochen werden, und giebt dabei als Zweck feines
Buches an, ,diefen grofsen Diener Gottes und der
Kirche beffer kennen zu lehren, und wenigftens den Lefer
zu erbauen'. Diefem Zwecke entfprechend handelt er
ausführlich von den Tugenden Bellarmin's, berichtet fehr
weitläufig über feine letzten Lebenstage, und hebt hervor
, dafs B. fchon bei Lebzeiten im Rufe der Heiligkeit
geftanden, dafs er übernatürliche Gnadengaben befeffen
und Wunder gewirkt habe. Das erfte Capitel des zweiten
Bandes ift überfchrieben Le thaumaturge und gleich in
den erften Zeilen desfelben heifst es: ,Das ganze Leben
des Cardinais war das eines Heiligen, aber zu Capua war
es das eines Wunderthäters. Der Geilt der Weisfagung,
den man fchon bei ihm wahrgenommen hatte, wurde
ihm dort reichlicher als jemals mitgetheilt'. Auch von
den Wundern, die nach dem Tode B.'s gefchehen fein
follen, wird gefprochen. Ein befonderes, allerdings nur
kurzes Capitel (II, 409) ift einer ,Reliquie von dem Blute
B.'s' gewidmet, welche die Jefuiten zu Salamanca befitzen
, für deren Echtheit fie allerdings keine Documente
aber eine ,conftante Tradition' anführen können: das Blut
wird alljährlich im December flüffig, im Juli wieder hart.

Das Buch von Couderc ift allerdings nicht ein blofses
Heiligenleben, fondern behandelt auch die kirchliche und
kirchenpolitifche und die fchriftftellerifche Thätigkeit B.'s;
aber jene Seite tritt fo ftark hervor und diefe fo fehr
zurück, dafs die Lücke, die in der kirchengefchichtlichen
und literargefchichtlichen Literatur bei dem Mangel an
einer ausführlichen und gründlichen Monographie über
B. empfunden wird, durch das Buch von C. nicht ausgefüllt
ift. Er hat aufser den Acten des Seligfprechungs-
proceffes, den älteren Biographien und anderen Büchern
auch ungedruckte Materialien benutzt, einige Briefe von
B. und namentlich Papiere, die er zu Simancas und Salamanca
gefunden hat. Was er aus diefen mittheilt, ift
zum Theil intereffant, dient aber gröfstentheils nur zur
Illuftration, nicht zur Berichtigung oder wefentlichen Ergänzung
deffen, was man aus anderen Quellen bereits
wufste. Das Intereffantefte bieten die in Simancas ge-
fendenen Briefe, über B. im Index, über die Ausgabe
der Vulgata, über den Streit de auxiliis und über die
drei Conclaven, an denen B. theilnahm; aber C. hat gerade
diefe Punkte mangelhafter dargeftellt, als die fchon
bekannten Quellen geftatteten.

Die Seibitbiographie B.'s theilt C. ftückweife voll-
ftändig in den Anmerkungen mit. Im Texte geblattet
er fich aber mitunter euphemiftifche Abweichungen von
derfelben. B. berichtet z. B. etwas felbftgefällig über
eine Disputation, die er als Scholaftiker hielt: Cum inter
disputandum cum suo praesidente P. Carolo Pharaone non
conveniret, jussit P. Provincialis, ut P. Carolus taceret et
sineret N. (Bellarmin) per se respondere. C. giebt diefes
I, 70 fo wieder: Le P. Fdraon voulut intervenir pour im-
poser ou proposer une Solution differente de celle quo re-
nait de donner son eleve. Mais le P. Provincial invita
publiquement le professeur a se contenter des triomphantes
reponses de Bellarmin. Ueber die Entftehung derSelbft-
biographie fpricht C. II, 171, wobei er zugiebt, man
dürfte ,in diefen naiven Seiten, nicht zwar Stolz, aber ein
wenig greifenhafte Selbftgefälligkeit finden'. Die von
Döllinger und mir herausgegebenen gefchichtlichen Erläuterungen
dazu zu kritifiren, fcheint neben dem oben
angegebenen Hauptzwecke ein zweiter Zweck feines Buches
zu fein. Ich kann mich hier natürlich nicht auf
eine Antikritik einlaffen, erlaube mir aber die Kritik an
einigen Beifpielen zu charakterifiren. S.^ 99 fpreche ich
von der Thätigkeit B.'s in Frankreich. C. vervollltändigt
meinen Bericht in fehr dankenswerther Weife durch den