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Ausgabe:

1893

Spalte:

361-362

Autor/Hrsg.:

Bäumker, Clemens

Titel/Untertitel:

Ein Traktat gegen die Amalricianer 1893

Rezensent:

Mueller, Karl

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 14.

062

rechtliches und Liturgifches, V. Asketifches, VI. Aftro-
nomifches. Den Schlufs bilden einige Bruchftücke.

Seine Anmerkungen hat Ryffel nicht unter, fondern
hinter den Text geftellt. Es find wieder die leidigen
Korten gewefen, die das nöthig machten. Obwohl ich
diefe Zwangslage begreifen und würdigen kann, vermag
ich mich mit dem Verfahren durchaus nicht zu befreunden
. Trotz aller Vorfichtsmafsregeln, die R. angewendet
hat, bleibt die Unbequemlichkeit bei der Benutzung be-
ftehen. Es dürfte fich in ähnlichen Fällen empfehlen, die
Anmerkungen feparat zu heften. Man könnte fie dann
abtrennen und neben den Text legen. Das leidige Um-
fchlagen würde dadurch vermieden. Die Anmerkungen
felbft find ausgezeichnet forgfältig und zuverläffig gearbeitet
. Ich habe auf alle meine Fragen Antwort und,
was ich wufste, bertätigt gefunden. Der Excurs über die
chriftologifchen Fragen, S. 193 ff., im Wefentlichen nach
Loofs gearbeitet, hätte etwas weniger fchwerfälhg ausfallen
dürfen. In 166 engedruckten Zeilen nur 13 Sätze
von denen mehr als einer 18 Zeilen lang ift, das ift
etwas viel und trägt nicht dazu bei, die an fich fo fchwie-
rige Materie lichtvoll zu geftalten ! In den gelegentlichen
Bemerkungen über die fyrifchen Parteien und die kaifer-
liche Kirchenpolitik dürfte das eine oder andere Urtheil
nach Gelzer's Arbeiten fchärfer zu faffen fein. S. 177 nennt
Ryffel als Erften, der von den ,318 Bifchöfen' der Synode
von Nicäa weifs, Athanafius ep. ad Afros (316 ift hier
Druckfehler für 318). Aber bei Hilarius de Syn. 86 und
Liberius epist. ad episc. Asiac findet fich die Zahl.

Was Ryffel zur Charakterirtik Georg's und feiner
Schriftrtellerei fagt, bezw. aus feiner früheren Monographie
wiederholt, fcheint mir richtig und gut, obwohl
bisweilen etwas panegyrifch. Sicher war Georg ein ge-
fcheidter und warmfühlender Menfch, der es verdient,
als eine der Koryphäen der fyrifchen Literatur genannt
und beachtet zu werden.

Giefsen. G. Krüger.

Baumker. Prof. Dr. Clemens, Ein Traktat gegen die Amal-
ricianer. Paderborn, F. Schöningh, 1893. (FvkögS. gr. 8.)
M. 2.—

In feiner Histoirc dela Philosophie scolastique II, 1 S.8S ff.
hatte Haureau eine neue Quelle für die Kenntnifs der
Amalrikaner benützt. Da ich das Wefen der Secte anders
beurtheilen zu müffen glaubte, als das bisher gefchehen
war, liefs ich mir die Hf. aus Troyes kommen, fah aber
bald, dafs fie für meine Zwecke nichts wefentliches enthielt
, und machte mir daher nur Notizen. Mein hiefiger
Kollege Bäumker dagegen, der gelehrte Kenner der Philo-
fophie des Mittelalters, vorzüglich des 12. und beginnenden
13 Jhs., fand mehr Intereffe daran, und hat nun, nachdem
ich ihm die Hf. überlaffen hatte, den Tractat mit
gröfster Sorgfalt herausgegeben.

Es ift ein polemifches Werk, das in 12 Capiteln
zwölf Hauptfätze der Secte zufammenftellt. Der Inhalt
der Sätze ift im wefentlichen nicht neu, fondern eher neue
Formulirung von fchon bekannten Sätzen oder Folgerungen
aus ihnen. Er trifft auch m. E. den Kernpunkt der
Sache, die enthufiaftifche Myftik, nicht, hält fich vielmehr
durchaus an die theoretifchen Sätze. Wohl aber
ift manches aus den näheren Ausführungen über die
Hauptpunkte neu, z. B. (S. 27,21 vgl. mit 36, 2ff. 24f.) der
Satz, dafs der Vollkommene nicht Bufse thun könne, weil
er nur Freude, nicht Trauer empfinden könne. Dahin gehören
auch die mannigfachen Begründungen, die den ge-
fchulten, oft fophiftifchen Dialektiker verrathen.

Von wem aber hat der anonyme Vf. feine Angaben?
Schon an fich erhält man aus verfchiedenen Anzeichen
den Eindruck, dafs ihm eine fchriftliche Quelle vorgelegen
habe. Und da er die Gegner bald im Plural bald im Singular
(48,2 auch dicit haereticus) einführt, fo drängt fich

der Gedanke auf, er habe entweder protokollarifch oder
ähnlich aufgenommene Ausfagen eines Angeklagten oder
die Schrift eines Amalrikaners vor fich. Aus den dialekti-
fchen Begründungen möchte man das letztere vermuthen.
Da aber die Secte fich bis zu ihrer Entdeckung völlig
geheim hielt, und ihrer Entdeckung fofort ein furchtbares
Strafgericht folgte, fo könnte man nur an eine innerhalb
der Secte umgehende, vielleicht bei der Entdeckung
confiscirteSchrift denken. (Ganz ähnlichliegen dieVerhält-
nifse bei der älteftenDarfteilung der Secte des freien Geiftes,
die in zwei ganz verfchiedenen polemifchen Schilderungen
wiederkehrt; auch da kann man zwifchen jenen zwei Möglichkeiten
fchwanken.) Nun ift es auffallend, dafs der Vf. des
Tractats zweimal die Folgerungen aus den Amalrikani-
fchen Sätzen auf einen gewiffen Godinus anwendet, der
uns anderwärts als der ,letzte Amalrikaner' bezeichnet
wird und von dem wir wiffen, dafs er verbrannt worden
ift. (42,9 quid est absurdius quam quod Deus est lapis in
lapide, Godinus in Godino? Adoretur ergo Godinus non
solum dulia sed latria, quia Deus est. 46,21 jam isti Christum
praedicant ingodinatum u. f.w. vgl. auch 3,29.) Man
könnte alfo diefen Godinus als Verfaffer der amalrika-
nifchen Schrift vermuthen. Allein es ift ebenfo gut möglich
, dafs die Anwendung auf ihn als ein bekanntes Haupt
der Secte gemacht würde.

Als Zeit der Abfaffung des Tractats gegen die Amalrikaner
hat Bäumker die Jahre 1208—Anfang 1210, wahr-
fcheinlich aber den letzteren Termin erwiefen. Als Verfaffer
aber kann er mit grofser Wahrfcheinlichkeit den
früheren Bifchof von Langres, Garner von Rochefort,
geltend machen, deffen Predigten in der Hf. vor wie hinter
unferer Schrift ftehen. Auch die Predigten find in der
Hf. anonym, ftehen aber in einer anderen Hf. unter Gar-
ner's Namen. Die inneren Beziehungen zwifchen der
Schrift und den Predigten find gleichfalls fehr ftark, be-
fonders in eigenthümlich geometrifch-kabbaliftifchen Tri-
nitätsfpeculationen. Aufserdem find, wie B. nachweift,
beide ftark abhängig von Peter von Poitiers. Haureau,
der diefe Abhängigkeit wenn auch ungenügend erkannt
hatte, hatte daher auf einen Schüler Peter's als Vf. ge-
fchloffen. Allein das trifft doch bei Peter's allgemeiner
Bedeutung nicht zu.

Die Abfchrift mufste von B. fehr rafch gefertigt
werden. Eine durchgängige Collation war nicht mehr
möglich. Der Vergleich mit den von mir excerpirten
Stellen hat mir aber nur eine halbwegs nennenswerthe
Differenz ergeben: S. 25,17 fehlt nach ,Ergo est in hoc tempore
'', ,ergo in tempore1, was auch wirklich erft den gewünschten
Schlufs giebt.

Breslau. Karl Müller.

Albert, Dr. P., Matthias Döring, ein deutfcher Minorit
des 15. Jahrhunderts. Stuttgart, Süddeutfche Verlags-
buchh. (D. Ochs), 1892. (VIII, 194 S. gr. 8.) M. 2.50.
Der Minorit Döring gehört zu den Perfonen aus der
erften Hälfte des 15. jahrhs., die uns auf den verfchie-
denften Gebieten begegnen. Er hat fich feiner Zeit
literarifch bekannt gemacht als leidenfchaftlicher Verteidiger
feines Ordensgenoffen Nikolaus von Lyra gegen
Paul von Burgos. Er vertheidigt den Cultus des Wils-
nacker Bluts gegen Tocke und fteht hier wie an anderen
Punkten eifrig zu feinem Landesherrn, Kurfürften Friedrich
von Brandenburg. Er gehört zu den Vorkämpfern
des Basler Concils auch in der Zeit, da feine Sache fchon
verloren war: er felbft ift 1443 gegen den eugenifch ge-
finnten General zum Gegen-General gewählt und vom
Concil beftätigt worden, und feine Oppofition gegen
Eugen ift dadurch verfchärft, dafs er in ihm den eifrigen
Beförderer der Obfervanz findet. Denn er fteht als fäch-
fifcher Provinzial fei nes Ordens im Vordergrund des ver-
geblichen Kampfes gegen die fiegreiche Reform und die