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Ausgabe:

1893

Spalte:

346-348

Autor/Hrsg.:

Meyer, Heinr. Aug. Wilh.

Titel/Untertitel:

Kritisch exegetischer Kommentar über das Neue Testament. 1. Abth. 2. Hälfte. Die Evangelien des Markus u. Lukas. 8. Aufl., neu bearb. v. Bernh. Weiß u. Johs. Weiß 1893

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Kiel.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 14.

8. Juli 1893.

18. Jahrgang.

Annales du Mus6e Guimet, t. XXI: Le Zend-
Avesta trad. par Darmesteter, I. vol. (Oldenburg
).

Meyer, Kritifch-exegetifcher Kommentar über
das Neue Teftament. I. Abth. 2. Hälfte:
Markus und Lukas, 8. Aufl. bearb. von Bernh.
und Johs. Weifs (Holtzmann).

Mayor, The epistle of St. James (Holtzmann).

Schaefer, Die Bücher des Neuen Teltamentes

erklärt, III. Bd. Der Brief Pauli an die Römer

(Weiffenbach).
Wake, The genuine epistles of the apostolical

fathers (Krüger).
Wirth, Der Verdienft-Begriff in der chriftlichen

Kirche. I. Der Verdienft-Begriff bei Tertullian

(Preufchen).

Mommfen, Zweifprachige Infchrift aus Ary-
kanda (Preufchen).

St. Athanasius Select works ed. by Robertson
(Krüger).

Ryffel, Georgs des Araberbifchofs Gedichte

und Briefe (Krüger).
Baumker, Ein Traktat gegen die Amalricianer

(Karl Müller).
Albert, Matthias Döring, ein deutfcher Minorit

des 15. Jahrh. (Karl Müller).
Notiz (Preufchen).

Annales du Musee Guiniet. Tome XXI. Paris, E. Leroux, j
1892. (gr. 4.)

Inhalt: Le Zend-Avesta. Traduction nouvelle avec commentaire
historique et philologique par James Darmesteter. I. vol. La
liturgie (Yasna et Vispered). (CXIX, 500 S.)

Ein Werk, dem eine der vornehmften Stellen unter
den neueren Hervorbringungen der Aveftaforfchung gebührt
, und das auf Beachtung auch theologifcher Kreife
vollen Anfpruch hat. Um das Wefen der Arbeit D.'s zu
charakterifiren, mufs daran erinnert werden, dafs in der
Erklärung des Avefta genau wie in der des Veda zwei
Richtungen fich gegenüberftehen: die eine fucht in der
cinheimifchen iranifchen refp. indifchen Tradition fei es
die einzige, fei es eine hauptfächliche Stütze für das Ver-
ftändnifs der alten Texte; die andere urtheilt fkeptifch
über diefe Tradition und glaubt in wefentlichen Punkten
über fie hinauskommen zu können, indem fie die Texte
aus fich felbft und mit den von der vergleichenden Sprach-
und Religionsforfchung dargebotenen Hilfsmitteln erklärt.
Die Ueberfetzung des Avefta, deren erfte Hälfte hier vorliegt
, vertritt mit grofser Energie und aufserordentlicher
Beherrfchung des Materials die Autorität der einhei-
mifchen Tradition, um deren vollftändigere und tiefere
Aneignung Darmefteter fich an den indifchen Sitzen des
Parfenthums felbft erfolgreich bemüht hatte. ,Je trou-
vai', berichtet er von feiner indifchen Reife, ,dans la
vue des choses et dans les visites aux prineipaux centres
parsis . . . un sentiment de la realite presente et passie
qiie les textes morts ne peuvent dorntet4. An diefem
Gefühl verfucht er, foweit dies auf literarifchem Wege
möglich ift, den Lefer feines Commentars thcilnehmen
zu laffen; ich glaube, dafs ihm dies in bewunderns-
werther Weife gelungen ift. Er Hellt den für die
Feier des grofsen Haoma- (d. h. in der indifchen Ausdrucksweife
Sorna-) Opfers beftimmten Text Yasna —
in welchen die älteften Elemente der Aveftaliteratur, die
Dichtungen der Gäthäs eingefügt find — auf das Klarfte
in den Zufammenhang der zugehörigen Riten, mit welchen
auch ein grofser Theil der Einleitung fich befchäftigt,
und die durch eine Reihe von Zeichnungen und Lichtdrucken
noch fpeciell veranfehaulicht werden. So erhält
unfer Verftändnifs eine überzeugende Concretheit, wie
fie den allein in Europa arbeitenden Forfchern fchwerlich
je erreichbar gewefen wäre. Freilich kann ich die Anficht
nicht unterdrücken, dafs mit Darmefteter's nahezu unbedingter
Anlehnung an die Tradition doch das letzte Wort
in dem Streit der exegetifchen Richtungen noch nicht
gefprochen ift. Aus dem Horizont diefer Aveftaerklärung
ift der Veda faft fpurlos verfchwunden; wenn die Dienfte
der ,hiftorifchen Grammatik' für die Erklärung der Gäthäs

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willkommen geheifsen werden, fo trägt D. fofort Sorge,
diefe hiftorifche Grammatik vor jeder Verwechslung mit
der vergleichenden Grammatik zu verwahren: die dunkeln
Formen feien doch eben des formes propres a Jran.
Wenn wir glauben, dafs diefe Abfchliefsung der aveftifchen
namentlich von der vedifchen Philologie nicht aufrecht
erhalten werden kann und darf, fo beeinträchtigt dies
doch nicht unfern Dank für die aufserordentliche Leiftung
D.'s und die Erwartung, mit der wir dem zweiten Bande —
in der Einleitung desfelben ift uns eine Gefchichte der
aveftifchen Literatur und Lehre in Ausficht geftellt —
entgegenfehen.

Kiel. H. Oldenberg.

Meyer, Heinr. Aug. Wilh., Kritisch exegetischer Kommentar
über das Neue Testament, i. Abth. 2. Hälfte. Die
Evangelien des Markus u. Lukas. 8. Aufl., neu bearb.
v. Oberconfift.-R. Prof. Dr. Bernh. Weifs u. Prof.
Lic. Johs. Weifs. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
, 1892. (IV, 666 S. gr. 8.) M. 8.—; geb. M. 9. 60.

Der äufsere Umfang diefer neuen Auflage hat im
Vergleiche mit der 7. (654 S.) nur wenig zugenommen.
Die innere Einrichtung ift vielfach eine andere geworden.
Doch gilt das verhältnifsmäfsig weniger bezüglich der
Erklärung des Marcus, welche Bernhard Weifs genau nach
Mufter der 8. Auflage des Matthäus umgearbeitet hat.
Das Werk ift, wie es jetzt vorliegt, ein vorzügliches
Hülfsmittel zum Verftändnifse des zweiten Evangeliums,
formell der früheren Auflage überlegen, knapper, handlicher
und durchfichtiger. Spuren forgfältiger Nacharbeit
laffen fich bis in's Minutiöfe verfolgen; fo ift S. 107 zu Eft. 5,3
jetzt richtig auch 7,2 hinzugetreten. Druckfehler find
verbeffert. Nur S. 99 ift 36 25 ftatt 36,15 ftehen geblieben,
S. 235 Z. 1 v. u. auch cjoavTcog neu hinzugekommen.
Die Polemik gegen ,die einfeitigen Vertreter der Markus-
hypothefe' (S. 30) durchzieht zwar das Ganze, macht fich
aber nirgends zu breit; Auseinanderfetzungen mit Feine,
Nösgen u. A., auch mit des Unterzeichneten Hand-
Commentar find hinzugekommen. Ift auch die Discuffion
mit ihnen und überhaupt ,mit offenbar unrichtigen Auf-
faffungen' unter den Text verwiefen, fo ift es ja Niemandem
verwehrt, folche Verdicte erft näher zu befehen
und z. B. die Ueberfetzung von Marc. 1,15 ,Glaubet an
das Evangelium' (vgl. Gal. 3,26. Eph. 1,13) darum noch
nicht zu verwerfen, dafs fie hier unter dem Strich fleht.

Hatte Weifs der Vater die Einleitung zu Markus nur
leicht überarbeitet, z. Th. verkürzt, fo hat Weifs der Sohn
welchem die Bearbeitung des Lucasevangeliums zugefallen
ift, die Einleitung dazu fo gut wie neu gefchrieben. Nicht

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