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Ausgabe:

1893

Spalte:

330-334

Autor/Hrsg.:

Walther, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die deutsche Bibelübersetzung des Mittelalters. 3 Thle 1893

Rezensent:

Kauffmann, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1893. Mr. 13.

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wicklung des deutfchen Volks und Staats von 1555 j minder aber hoffe ich, dafs P. Eubel bald noch weitere

bis 1871 giebt. Beide find zum grofsen Theil neu, aus an- Früchte feiner Arbeit veröffentliche.

deren Aufzeichnungen Nitzfch's zufammengetragen und ß , Karl MüU

charaktenftifche Proben feiner Art, die Elemente der

Vergangenheit in der Gegenwart und die Continuität in

allem Wechfel der Erfcheinungen aufzuweifen. Nachbildung des in der königl. Bibliothek zu Berlin bewahrten
Breslau. Karl Müller Originalexemplars des von Luther im Jahre 1517 veran-
________ j stalteten Druckes seiner Thesen. Zur Erinnerung an den

Provinciale ordinis fratrum Minorum vetustissimum, secundum 3_ Oct 1892. Berlin, Mittler & Sohn in Comm., 1892.

cod. Vat. i960 denuo edidit Fr. Conradus Eubel, ' (2- B1- §r- Fo1-) M- I~

O.Min.Conv., apoftolicus apud S.Petrum de Urbe poeni- , Als wir am 31. Oct. 1892 zum Einweihungsgottes-

tentiarius. Ad Claras Aquas (Quaracchi), ex typogr. dienft die Wittenberger Schloßkirche betraten, fand jeder

^ 0 v _ c 0 r der Feftgenoffen auf feinem Platze ein Exemplar diefer

Collegu S. Bonaventurae, 1892. (91 S. gr. 8.) photographifchen Nachbildung des Originaldrucks der

P. Eubel hat fich durch eine auch in diefer Zeit- ! 95 Thefen als Feftgabe vor. Freilich, wenn mancher

fchrift befprochene Gefchichte der oberdeutfchen Provinz
des Minoritenordens bekannt gemacht und ift feit
mehreren Jahren nach Rom berufen, wo er die Studien
zur Gefchichte feines Ordens an der Quelle betreiben

dabei des Glaubens gewefen fein mag, er halte eine Copie
des Plakatdrucks in Händen, den Luther am Mittag des
31. Oct. 1517 an die Schlofsthür angefchlagen, fo war
das ein Irrtum; denn es ift uns zufällig die Notiz erkann
. Eine Frucht davon ift die Ausgabe diefes älteflen halten geblieben, dafs die von ihm angehefteten Thefen
Provinciale des Ordens. Es flammt etwa aus dem Jahre ,blofslich gefchrieben waren' (Weim. Ausg. I 229). Der
1343 und war fchon bei Wadding und Righini gedruckt, Druck ift dem denkwürdigen Tage erft nachgefolgt,
aber mangelhaft und ohne dafs die Namen genügend ! Wohl aber handelt es fich um eine grofse Seltenheit,
identificirt worden wären. Eubel hat es darum neu heraus- j die nun durch eine vorzüglich gelungene photographifche
gegeben. Er hat dazu den Cod. Vatic. benützt, der fchon Reproduction allgemein zugänglich gemacht worden ift.
den früheren Ausgaben zu Grund lag, hat aber auch Zwei Plakatdrucke der Thefen exiftiren, von denen der
eine zweite Hs. in der Stadtbibliothek zu Bamberg heran- ' eine wahrfcheinlich Nürnberger (B), der andere dagegen —
gezogen und das ganze Provinciale mit dem des zum j der hier nachgebildete —■ Wittenberger Druck (A) und fo-
Theil erheblich jüngeren Liber conformitatum verglichen, i mit ed. princeps der Thefen ift (vgl. Weim. Ausg. I 23of.).
Vor allem aber hat er für etwa 1500 lateinifche Namen ' Von beiden vermochte Knaake 1883 nur je ein noch
die heutige Form nachgewiefen; eine fehr mühfelige Ar- j erhaltenes Exemplar nachzuweifen: A im British Mufeum
beit, wenn man bedenkt, dafs die Namen oft unfäglich i B in der Michaelis-Kirchenbibliothek zu Zeitz. Inzwifchen
verdorben find, und daher oft genug erft aus anderen 1 ift ein zweites Exemplar von B auch im Berliner Staats-
Quellen feftgeftellt werden mufste, wo der betreffende 1 archiv gefunden worden (vgl. J. Heidemann, die Refor-
Convent zu fuchen fei. mation in der Mark Brandenburg. Berlin 1889 S. 78),

Das Verzeichnifs zählt 42 Provinzen auf, innerhalb der 1 und nun ift auch die Königl. Bibl. zu Berlin in den Befitz
Provinzen die 217 Cuftodien, innerhalb deren die einzelnen 1 eines Exemplars von A gelangt. Uebrigens exiftirt auch
Convente, loca, 1453 an der Zahl. Dem Text find Notizen von dem Londoner Exemplar bereits ein photographifch.es

eingefügt über die berühmten Männer, die in den betreffenden
Conventen gelebt haben oder begraben liegen, u. f. w.
oder über befonders bemerkenswerthe Ereignifse. Diefe

Facfimile; F. Falk hat dasfelbe im Mainzer Katholik 1891
I 482 befchrieben und giebt dabei die Gröfsenmafse des
Schriftfeldes ein wenig gröfser an (347x240 mm), als fie

Notizen hat Eubel ebenfo wie die gefchichtlichen Nach- in dem Berliner Fakfimile find. Welche von beiden Nach
richten des Liber Conformitatum in die Noten verwiefen. bildungen die Grofse des Originals am getreueften wieder-
Dagegen hat er die Namen, die der Liber Conforrnita- giebt, vermag ich nicht zu entfcheiden. Da übrigens
tum fem Provinciale hinzufügt, ebenfo die heutige Form j hier die Thefen nicht fortlaufend mit 1—95, fondern
der Ortsnamen in den Text aufgenommen, aufserdem j dreimal 1—25 und dann noch I—20 beziffert find, fo
aber feine eigenen Zufätze, die der Geftaltung des Tex- fcheint mir Tfchackert's Deutung, dafs Luther gerade die
tes und der Kritik feiner Angaben dienen, den Noten ein- [ Zahl 95 gewählt habe, um die 94 Sätze der Inftruction
verleibt. Die einzelnen Schichten find nun freilich durch , für Tetzel damit zu überbieten (St Kr 1889 S. 359L),
eckige oder runde Klammern, die Zuthaten des Heraus- wenig Wahrfcheinlichkeit zu haben,
gebe, die unter dem Text flehen, durch Curfive unter- K- , r K-„w„ran

fchieden. Aber das Bild, das fo entfteht, ift doch recht JVie''__ txawerau.

bunt, und vor allem nicht getreu. Es wäre m.E. das einzig
Richtige gewefen, den Katalog mit den eingeftreuten Walther, Pfr. D. Wilh, Die deutsche Bibelübersetzung des
Notizen ununterbrochen abzudrucken und unter dem Text Mittelalters. 3 Thle. Braunfchweio- Wollermann
zwei Abtheilungen zu machen: die Zuthaten des Lib. g8 (XVI 66 g 18 Kunftbeilaeen gr 4)

Conf. und die Anmerkungen und Nachweife des Her- y'y y v '< *' 10 ^"""ueuagen. gr. 49

ausgebers, diefe durchwegs in Curfive. Ich glaube,

man kann nicht genug darauf dringen, dafs die Grund- Es ift mit dem vorliegenden Werke eine grofse, längft

fätze über Quellenedition, die einmal in Geltung find, verfäumte Arbeit gethan worden. Seit dem Bilderkate-
auch überall eingehalten werden. Man foll möglichft wenig ! chismus des 15. Jh. von J. Geffcken (1855) hatte K. Biltz

Anlafs haben, fich erft über die Methoden des einzelnen
Herausgebers befinnen zu müffen. Das wäre auch von
andern in Quaracchi gedruckten Ausgaben zu fagen. —
Leider fcheinen übrigens die Analecta Franciscana ganz
ins Stocken gekommen zu fein. Die Ausgabe des Bonaventura
verfchlingt, wie ich höre, alle verfügbaren Mittel
. Für den Fortgang der Forfchung über die Gefchichte
des Ordens ift das fehr zu bedauern. So lange die Chronik
der 24 Generale, die zunächft zu erwarten war, nicht
crfchienen ift, kann man keinen Schritt vorwärts machen

gelegentliche Hinweife gegeben (vgl. jetzt auch feine
,Neue Beiträge zur Gefchichte der deutfchen Sprache
und Literatur', Berlin 1891). Es bedurfte einer ungewöhnlichen
Energie, wenn in der von Geffcken vorgezeichneten
Richtung gefammelt und gefichtet werden follte. Herr
Pfarrer D. Walther ift über alle äufseren Schwierigkeiten
Herr geworden, hat ein ungeahnt reiches Material zu-
fammen- und fo gründlich, als es bei einer erften Ernte
nur möglich war, unter Dach und Fach gebracht. Die
Bibel ,Das wichtigfte Buch der neuen Welt' verdiente

Es wäre fehr zu wünfchen, dafs fie bald käme. Nicht i wohl die forgfältige philologifch-literarhiftorifche Bear-

I