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Ausgabe:

1893

Spalte:

14-17

Autor/Hrsg.:

Achelis, E. Chr.

Titel/Untertitel:

Zur Symbolfrage. Zwei Abhandlungen. 1. Die Verpflichtung der evangelischen Theologen auf die Symbole. 2. Der Gebrauchswert des Apostolikums 1893

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 1.

fonders viele dgyitgetg etc. thätig gewefen. Auch das
Gute ift für fie das Schöne, das Geziemende, das Men-
fchenwürdige. Ein -/.«log livQ-oumog ift ein ,trefflicher'
oder ein »guter' Mann. Än diefe Gedanken hat die Vor-
ftellung der Humanität geknüpft, die im vorigen Jahrhundert
durch die Aufklärung, namentlich von Frankreich
, herüberkam. Die Humanität hat viele Verehrer
unter den Griechen. So tragen auch die meiften Wohl-
thätigkeitsanftalten eine Färbung von Humanität. Con-
feffionelle Betrachtungsweife ift ihnen in der Richtung
faft fremder als uns. Und die Fürforge für die Armen
etc. in öffentlichen Anftalten ift dort bedeutender,
als der Verf. annimmt. In Conftantinopel belteht, wenn
ich nicht irre, eine Behörde fogar für die Ueberwachung
des öffentlichen Anftaltswefens, verfteht fleh, des chrift-
lichen, das mit dem Staat nichts zu thun hat.

Es ift hier auch der Ort, der Vereinsform zu gedenken
, die auf dem Gebiet des religiös-fittlichen Lebens
bei den Orthodoxen in Anatolien fehr im Wachfen ift.
Wie auf dem Gebiet der allgemeinen Bildung Brüder-
fchaften oder Vereine ohne Frage die Hauptträger des
Lebens find, fo in ähnlicher Weife auf dem Gebiet der
Kirche. Wohl alle öffentlichen Wohlthätigkeitsanftalten,
die ugcpavoigotpeiu, voaoxofititt xiX. find von Vereinen
wenn nicht gegründet, — das gefchieht auch durch Stiftungen
— fo doch lebendig erhalten. Die Vereine bringen
durch Sammlungen und eigene Beiträge, meift unter kirchlicher
Protection die Unterftützungsmittel auf. Städtifche
Anftalten und ftaatliche Hülfe giebt es in der Türkei für
Griechen nicht. Einen Zweck, den wir ficher der inneren
Miffion zuweifen würden, verfolgt die adsXtpoxrtt zrjg
dg^oäo^iag in Smyrna. Sie bringt die Mittel auf, um
Prediger anzuflehen (isgox^gvkeg), gründet Abendfchulen
und dergl. Die in Smyrna (1880) gegründete Gefell-
fchaft für Beförderung der Bildung in Kleinafien hat in
ihrem Statut auch die Abficht ausgefprochen, eine theologifche
Schule für Kleinafien nach dem Mufter von
Chalki zu errichten. Leider geht die Sammlung meiner
v.arovio/tot kaum über Smyrna hinaus. Es ift aber nicht
fraglich, dafs fich Aehnliches aus anderen Städten berichten
liefse.

Der zweite Abfchnitt des elften Capitels ift über-
fchrieben: ,Mönchthum und Myftik'. Der Verf. will das
Mönchthum aus einem Stande der ,Heiligen' der alten
Kirche hervorgehen laffen. In der Zeit zwifchen Decius
und Diocletian fcheiden fleh diefe. Der Clerus behält
fo zu fagen die .fachliche' Heiligkeit durch feinen Stand.
Das Mönchthum oder wenigftens feine Vorläufer fetzen
die alte ,persönliche' Heiligkeit auf befondere Weife fort.
Die erfte Form ihres Lebens ift die der Anachoreten.
Ihr Orgahifator Pachomios vereinigt fie zum gemeinfamen
Leben. Bafilios hat das Verhältnifs mit der Kirche
organifirt. Er ift aber nicht eigentlich Gefetzgeber, fondern
Berather. Für die nachfolgende Zeit hätte m. E.
als eigentlicher Gefetzgeber des orientalifchen Mönchthums
Juftinian genannt werden müffen. Er ift es erft,
der dem gemeinfamen Leben den dauernden Sieg über
das Anachoretenthum verfchafft hat. Eigenthümlich ift
es, dafs faft zu gleicher Zeit im Abendlande Benedict
von Nurfia das Mönchthum in ähnlicher Abficht neu
geftaltet. Vielleicht, dafs auch hier der Einflufs des
mächtigen Gefetzgebers in Conftantinopel gewirkt hat.
Der nächfte Knoten der Entwicklung für das anatolifche
Mönchthum geftaltet fich im Klofter der Studiten. Von
diefem find die meiften Klöfter im Norden des rhomä-
ifchen Reiches, auch die ruffifchen abhängig.

Die Bedeutung des Mönchthums für die Kirche, ihr
inneres Leben, ihre Myftik und die Gefchichte des He-
fychismus find der weitere Inhalt des Abfchnitts.

Der letzte handelt von der fectirerifchen Frömmigkeit.
Hier werden die ruffifchen Secten, die fich an den Raskol
anfchliefsen, und die fleh felbftändig Scheinbar gebildet

haben, befprochen. Eine Menge von Einzelheiten machen
diefes düftere Bild anfehaulich.

Damit fchlicfst die Darstellung der orthodoxen Kirche.
Es ift m. E. das Befte, was wir zur Zeit über diefen
Gegenftand befitzen, üb nicht der Begriff der Kirche
noch formeller als Ausgangspunkt aller Erörterungen
hätte hervorgehoben werden können, wie ich fchon bei
der Befprechung der zweiten Lieferung fagte, möchte
ich noch einmal fragen. Jetzt, wo ich das ganze Werk
überfehe, fcheint es mir, als ob durch diefen Gesichtspunkt
wenig mehr als die Form der Anordnung beein-
flufst würde. In Wirklichkeit Steht bei dem Verfaffer
der Begriff der Kirche in der Mitte, wie es auch mir
recht fcheint.

Erichsburg. Ph. Meyer.

1. Achelis, Prof. D. E. Chr., Zur Symbolfrage. Zwei Abhandlungen
. I. Die Verpflichtung der evangelifchen
Theologen auf die Symbole. II. Der Gebrauchswert
des Apostolikums. Berlin, H. Reuther, 1892. (52 S.
gr. 8.) M. 1. —

2. Bornemann, Prof. geiftl. Infp. Lic. W., Der Streit um
das Apostolikum. Vortrag. Magdeburg, Creutz, 1893.
(60 S. gr. 8.) M. —. 75.

Zwei Schriften, welche in dem gegenwärtig fchwe-
benden Streit über das Apoftolicum vorzüglich geeignet
find, die Lefer von der tumultuarifchen, im Dienfte
parteipolitifcher Zwecke ausgenutzten Behandlung der
Sache zu einem prinzipiell klaren Verftändnifs und zu
einer praktifch gefunden Stellung der Frage zu bringen.

1) Die beiden Abhandlungen von Achelis, welche im
September verfafst und zuerft im Novemberheft der Zeit-
fchrift ,Halte was du haft' veröffentlicht wurden, handeln
von der Verpflichtung der evangelifchen
Theologen auf die Symbole (S. 5—31) und von dem
Gebrauchswerth des Apoftolicums (S. 32—52). Im
erften Auffatz giebt der Verf. eine von evangelifchen
Grundfätzen aus entworfene Beantwortung der Frage
nach der evangelifchen Art der Verpflichtung auf die
Symbole. In der evangelifchen Kirche ift die juridifche
Verpflichtung auf die Symbole als auf kirchliche Lehr-
gefetze durch Inhalt und Charakter der evangelifch verstandenen
Symbole völlig ausgefchloffen; jeder Verfuch
einer confequenten Durchführung des rechtlich gefafsten
Grundfatzes wird nothwendig mifslingen. Zweitens reicht
aber auch eine Verpflichtung auf die Symbole, infofern
fie fchriftgemäfs find, nicht aus, weil keinemassgebende
Autorität, weder der Tradition, noch einer kirchlichen
Behörde, in der evangelifchen Kirche vorhanden ift,
welche uns fagt, was fchriftgemäfs fei, und es weder
dem einzelnen evangelifchen Theologen, noch den einzelnen
theologifchen Schulen überlaffen werden kann,
eine derartige autoritative Beftimmung zu treffen. Soll
das Wefen der evangelifchen Kirche und des evangelifchen
Glaubens nicht verleugnet werden, fo mufs die
Art der Verpflichtung der Theologen auf die Symbole
eine dem evangelifchen Heilsglauben gemäfse, religiös-
fittliche, zum guten Theil feelforgerliche fein: fleht
der Candidat im evangelifch verftandenen Heilsglauben?
findet er in den Symbolen den zeitgefchichtlichen Ausdruck
diefes Glaubens? fchlicfst er fich der confeffio-
nellen Anfchauung der Kirche, in deren Dienft er tritt,
an, und will er fleh ihren Ordnungen, fofern fie nicht gegen
den Glauben verftofsen, folgfam erweifen? Bei der Behandlung
diefer Fragen hat die Kirchenbehörde von dem
Vertrauen zu der Aufrichtigkeit und dem Ernfte der
religiöfen Gefinnung des Candidaten auszugehen, um
demfelben den Eintritt in den Kirchendienft und die
Amtsführung zu einer fehr ernften, aber auch für alle
frommen Herzen fehr feiigen Gewiffensfache zu machen.