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Ausgabe:

1893 Nr. 12

Spalte:

300-305

Autor/Hrsg.:

Voigt, Heinrich Gisbert

Titel/Untertitel:

Eine verschollene Urkunde des antimontanistischen Kampfes. Die Berichte des Epiphanius über die Kataphryger und Quintillianer, untersucht 1893

Rezensent:

Loofs, Friedrich

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299

Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 12.

300

Der fpecififch katholifche Standpunkt, von dem aus
der Commentar gefchrieben ift, zeigt (ich in der Geflif-
fentlichkeit, mit der überall das Beliehen der facramen-
talen und kirchenregimentlichen Ordnungen der katholi-
fchen Kirche in der apoftolifchen Zeit hervorgehoben
wird. Weil der Verf. diefes Beftehens im Voraus gewifs
ift, findet er in der A. G. mannigfache Andeutungen des-
felben und erfcheint es ihm leicht, entgegenftehende Anzeichen
vvegzudeuten. Ich möchte hierfür folgende charak-
teriftifche Proben anführen.

In den 40 Tagen des Verkehrs des Auferftandenen
mit feinen Jüngern vor der Himmelfahrt ,hat er fie ficher
über manches belehrt, wovon uns in den Evangelien
nichts aufgefchrieben ift. Deshalb fleht nichts der Annahme
entgegen, dafs in diefe Zeit Belehrungen über
die Kirche und ihre Hierarchie, die Sacramente und
Aehnhches zu verlegen find' (S.60). Die Angabe Act. 6,3fr.
dafs die Siebenmänner durch die Gemeinde gewählt feien,
,ift das einzige biblifche Zeugnifs, welches für die Anficht
, dafs die Form der alten Kirche demokratifch ge-
wefen wäre, angeführt werden kann. Der ganze Zufam-
menhang zeigt aber, dafs die Regierung blofs in den
Händen der Apollel lag. Blofs durch ihre freie Anordnung
, nicht kraft eigenen Rechtes haben die Gläubigen
Siebenmänner gewählt' (S. 139). Durch die Handauflegung
der Apollel wurde diefen Siebenmännern ,eine befondere
facramentale Gnade' gefpendet. Der Zweck diefer ihrer
,Ordination' kann nicht in ihrer Beftellung nur für die
Armenpflege, die Agapen und die Vermögensgefchäfte der
chriftlichen Gemeinde gelegen haben, fondern nur darin,
dafs fie zum Spenden der Taufe und des Abendmahles
befähigt werden follten. Hieraus ift zu erfchliefsen, dafs
die Siebenmänner, trotzdem fie nicht Diakone genannt
werden, mit den Diakonen der alten Kirche identifch
waren (S. 141 f.). Die Handauflegung der Apollel auf die
getauften Samaritaner (Act. 8,17) war ,das Sacrament
der Firmung*. ,Die Verbindung der gnadenvollen, wunderbaren
Geiftesmittheilung mit einer derartigen äufseren
Handlung kann nur auf göttlicher Einfetzung beruhen,
und die Kenntnifs diefes Sachverhaltes fetzt eine göttliche
Belehrung der Apollel voraus' (S. 173). Die Handauflegung
auf Paulus und Barnabas bei ihrer Ausfendung
von Antiochia (Act. 13,3) bedeutete ihre Ordination zu
Bifchöfen. ,Gerade wie Paulus trotz feiner directen Begnadigung
durch Gott auch äufserlich in die Kirche durch
die Taufe aufgenommen wurde, ift ihm, obgleich er im
Apoftolate bereits bifchöfliche Jurisdiction befafs, auch
die bifchöfliche Weihe ertheilt worden' (S. 251). Unter
den ,Presbytern' in der A. G. u. im N. Teil, überhaupt
müffen Vorfteher der chriftl. Gemeinde mit priefterlichem
oder bifchöflichem Charakter verftanden fein. ,Wenn kein
Apollel da war, fo mufste doch wenigftens jemand das
Brot brechen können und fomit Prieller fein' (S. 230).
Auch aus Jac. 5,14 folgt der priefterliche Charakter der
Presbyter, ,da an das äufsere Zeichen [der Oelfalbung]
eine Heilsgnade geknüpft wird, überhaupt es fich nach
dem ganzen Zufammenhange um die Spendung eines
Sacraments handelt, welches blofs die Presbyter fpenden
konnten' (S. 231). — Bei den Verhandlungen des Apoftel-
concils hatten ,die Apollel eine entfcheidende, die Presbyter
eine berathende Stimme' (S. 288). ,In dem kurzen
Berichte der A. G. ift nicht direct gefagt, dafs der hl.
Petrus den Vorfitz bei den Berathungen führte. Dafs er
es aber gethan hat, ergiebt fich aus feinem Primate überhaupt
und wird hinreichend in dem Berichte des Lc. angedeutet
. — — Er hat den Befchlufs vorgefchlagen und
vertreten, welchen das Concil annahm. Jacobus hat fich
demfelben nur angefchloffen und dann, wie man jetzt
fagen würde, ein Amendement dazu geftellt. Das Concil

hatte über die Frage zu entfcheiden, ob--die Be-

fchneidung nach dem Brauche Mofes' zum Heile nöthig
fei oder nicht. Diefe Frage, und dies ift bei Weitem das
Principale, hat es nach dem Vorfchlage des Petrus verneint
. Das war das Wefentliche. Jacobus fchlug blofs noch
eine Zufatzbeftimmung, worin ein moralifches und ein
Disciplinargebot enthalten war, vor, welches die Beiftim-
mung des Petrus und der Anwefenden überhaupt fand'
(S. 289). Bei den Presbytern in Milet (Act. 20, 17ff.), von
denen Paulus fagt, dafs der hl. Geilt fie als hdoxonoi
eingefetzt hat, zu weiden (d. h. zu regieren) die Kirche
Gottes (V. 28), ,kann es fich nicht etwa um Presbyter
handeln, die blofs unfern Prieftern entfprechen, fondern
es mufs die St. nothwendig von Bifchöfen erklärt werden
'. ,Der genannte Ausdruck „die Kirche Gottes" darf
keineswegs auf die zu Epheus befchränkt werden, da

derfelbe durchaus allgemein lautet.--Es ift fomit die

Kirche, die von den Bifchöfen (mit dem Papfte) regiert
wird, gemeint' (S. 383; vgl. S. 232). — Die Stelle Act.
12,17: .Petrus ging an einen andern Ort' bezieht fich auf
den Hingang des Petrus nach Rom im J. 42. ,Die erften
Anfänge des Chriftenthums find in diefe Stadt ficher
durch die am Pfingstfefte bekehrten Fremdlinge aus Rom
gebracht worden. Wenn aber die Apollel nach Samaria
reiften, um das Werk des Philippus zu unterftützen, werden
fie gewifs nicht der Bildung einer chriftl. Gemeinde
in Rom, der Hauptftadt der Welt, fremdgeblieben fein.
Somit mufs an der Gründung und Organifation diefer
Kirche ein Apollel betheiligt fein. Als folchen nennt die
allgemeine Ueberlieferung der Kirche, wie die fpecielle
Tradition der römifchen Kirche den hl. Petrus' (S. 241).

Heidelberg. H. H. Wendt.

Voigt, Pfr. Lic. Heinr. Gisbert, Eine verschollene Urkunde
des antimontanistischen Kampfes. Die Berichte des
Epiphanius über die Kataphryger und Quintillianer,
unterfucht. Leipzig, Fr. Richter, J891. (VIII, 351 S.
gr. 8.) M. 8.—

Der Verf. diefer Schrift, ein Sohn des vor Jahres-
frift verftorbenen Königsberger Kirchcnhiftorikers, fleht
zwar fchon feit ca. zehn Jahren im praktifchen Kirchen-
dienft. Dennoch ifl's eine Erftlingsfchrift, die er hier vorlegt
. Denn die mit einem Theile der Schrift wefentlich
identifche Königsberger Licentiatendiffertation des Ver-
faffers {Quae sint indicia veteris ab Epipliunio . . . usur-
pati fontis. 1890) ift m. W. nicht im Buchhandel er-
fchienen. Je zweifellofer nun einer Erftlingsfchrift gegenüber
das ,bis dat, qui cito da? für den Referenten feine
Gültigkeit hat, defto mehr bedauere ich, dafs diefe Anzeige
durch meine Schuld fich ungebührlich verzögert
hat. Um fo mehr aber halte ich es nun für meine Pflicht,
vor allem Weiteren zu betonen, dafs der Verf. mit diefer
feiner Schrift fich in der vortheilhafteften Weife eingeführt
hat. Befonders ift die Selbftändigkeit der Stellung
hervorzuheben, die fich in dem Buche bekundet. Wem
Verf. feine kirchenhiftorifche Bildung vornehmlich verdankt
, ift aus dem Buche nicht zu erfehen. Gewifs hat
eine derartige Selbftändigkeit auch ihre Nachtheile. Wir
alle flehen auf den Schultern anderer; und je vielköpfiger
diefe Bafis ift, defto fchwerer ift zunächft ein freies und
erfolgreiches Auswirken der eigenen Kräfte. Doch treten
diefe Schattenfeiten der Selbftändigkeit nur in einzelnen
Abfchnitten diefer Schrift hervor; im Grofsen und Ganzen
erhält der Lefer von dem aufserhalb der Schulbahnen
laufenden wiffenfchaftlichen Bemühen des Verf.'s einen
durchaus wohlthuenden Eindruck. Von Theologen ver-
fchiedenfter Richtung in feinen Unterfuchungen literarifch
gefördert, erweift fich Verfaffer als ein mit vortrefflicher
Gelehrfamkeit ausgerüfteter, methodifch gut gefchulter
und anfcheinend mit eifernem Fleifs begabter Mann, dem
man ein lebendiges kirchliches Intereffe und eine ent-
fchiedene Neigung zum Confervativismus anmerkt, ohne
dafs letztere den ernften Wahrheitsfinn erftickte und
erfteres ,bekennend' fich vordrängte oder ,Zeugnifs ablegend
' andere zurückfchöbe.