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Ausgabe:

1893 Nr. 11

Spalte:

292

Autor/Hrsg.:

Abrahams, J.

Titel/Untertitel:

The Jewish Quarterly Review. Vol. V, Nr. 19 1893

Rezensent:

Schürer, Emil

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Seite 1

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291 Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 11. 292

Wolkan, R., Das deutsche Kirchenlied der böhmischen Brüder
im XVI. Jahrhunderte. Prag, A. Haafe, 1891. (V, 178 j
S. 8.) M. 3.—

Den Freunden der Hymnologie wird in dem Werke
von Wolkan eine forgfältige und wie mir fcheint er-
gebnifsreiche Arbeit dargeboten. Das Buch behandelt
im erften Theil die deutfchen Gefangbücher der böh-
mifchen Brüder im 16. Jahrh. (S. I —101), im zweiten
Theil liefert es den Nachweis, welche Lieder aus diefen
Gefangbüchern in die deutfchen Sammlungen des 16.
Jahrhunderts übernommen worden find (S. 103—178).
Die Poefie von Michael Weifse, welcher 1531 das erfte
Gefangbuch der böhmifchen Brüder in deutfcher Sprache
in Jungbunzlau herausgab, wird mit Liebe und eindringendem
Verftändnifs charakterifirt; es wird nachgewiefen,
wie Weifse fowohl Luther als Speratus benutzt und
mehrere Melodien aus dem Klug'fchen Gefangbuch herübergenommen
habe. Wichtiger ift der Beweis, dafs in
dem Gefangbuch des Joh. Horn, der Weifse's Werk 1544,
befonders hinfichtlich der Abendmalslehre, verändert
und der lutherifchen Lehre angepafst und fehr vermehrt
herausgab, die neu aufgenommenen Lieder nicht den
Herausgeber Horn, fondern Mich. Weifse zum Verfaffer
haben. Nach näherer Betrachtung der beiden Cantionalen
der böhmifchen Brüder, des tfchechifchen 1561 und des
deutfchen 1566, folgt S. 74 ff. eine werthvolle Unter-
fuchung über die Abhängigkeit der deutfchen Brüder-
gefänge von den tfchechifchen; das Ergebnifs Wolkan's
ftimmt, obgleich völlig unabhängig gefunden, mit der
Arbeit überein, die der bekannte tüchtige Hiftoriograph
der Brüdergemeinde Joh. Müller in Julians: A dictionary
of Hymnology veröffentlicht hat. Darnach bedarf die in
deutfche Werke übergegangene und zu einer feften Tradition
gewordene Angabe des Brüdergefangbuches von
1639, dafs 143 tfchechifche Lieder durch Weifse ,verdol-
metfchet' feien, einer ernften Berichtigung. Weifse hat
nur einige, fehr wenige Lieder aus dem Tfchechifchen
uberfetzt; neben einer grofsen Zahl ganz felbftändiger
Lieder finden fich Umdichtungen aus dem Lateinifchen
und folche Lieder, bei welchen eine tfchechifche Vorlage
, mit der übrigens durchaus frei gefchaltet wird,
nachzuweifen ifh Dies gilt von den Liedern Weifse's,
wie fie in den Gefangbüchern von 1531 und 1544 fich
finden; erft bei den in das Gefangbuch von 1566 neu
aufgenommenen, aber nicht von Weifse herftammenden
Liedernkann voneinerUeberfetzungaus dem Tfchechifchen
geredet werden.

Der zweite Theil der Schrift von Wolkan bietet
den fehr forgfältig gearbeiteten und intereffanten Nachweis
von der Verbreitung der Kirchenlieder der böhmifchen
Brüder in den deutfchen Gefangbüchern des
16. Jahrhunderts. Die alphabetifche Anordnung der
Lieder nebft den Nachweifen ihres Nachdruckes füllt
nicht weniger als 75 Seiten, — ein Beweis, wie grofs die
Anzahl der Lieder im deutfchen Liederfchatz ift, die
wir den böhmifchen Brüdern, vor allem dem Dichter des
Begräbnifsliedes: ,Nun lafst uns den Leib begraben',
Michael Weifse, verdanken.

Die gründliche Arbeit Wolkan's fei der Beachtung
der Hymnologen und Kirchenhiftoriker warm empfohlen.

Marburg. E. Chr. A che Iis.

Uhlhorn, Abt D. Gerhard, Die kirchliche Armenpflege in
ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Göttingen, Vanden-
hoeck & Ruprecht, 1892. (III, 57 S. gr. 8.) M. 1.—

Der EifenacherKirchenconferenz gab Herr G. Uhlhorn,
Abt zu Loccum, ein Referat über die kirchliche Armenpflege
. Das Referat liegt in erweiterter Geftalt unter
vorflehender Ueberfchrift vor. Enthält die Einleitung die
hauptfächlichften Beflimmungen aus den Verfaffungen

der Landeskirchen der letzten Jahrzehnte, wird mit Frei-
muth das Gute und Erfpriefsliche, wo es fich findet, anerkannt
: fo befpricht die erfte Abtheilung die kirchliche
und bürgerliche Armenpflege, die zweite deren Verhältnifs
zur freien Liebesthätigkeit, die dritte die Wirkung der-
felben auf das Gemeindeleben. Unter Wahrung feines
kirchlichen Standpunktes giebt der Verf. beherzigens-
werthe Auseinanderfetzungen, aus welchen Jeder Belehrungen
fchöpfen, Jeder Anregungen erhalten kann
und auch zu erfehen ift, dafs die auf den Reichsgefetzen
ruhenden Einrichtungen die kirchliche Armenpflege nicht
entbehrlich gemacht haben. — Die Darlegung der Krifis,
in welcher fich z. Z. die i. Miffion befindet, und des
Verf.'s Urtheil darüber find aller Beachtung werth.

Zwingenberg bei Darmftadt. Stromberger.

The Jewish Quarterly Review edited by J. Abrahams and
C. G. Montefiore. Nr. 19, April 1893 (=vol. Vp.
353—516).

Auch diefes neuefte Heft bringt, wie manche frühere,
mehrere werthvolle und für weitere Kreife intereffante
Artikel. Ich hebe nur zwei hervor. 1) F. C. Co nybeare, Oft
the Jezvish Authorship ofthe Testaments of the Twelve Pa-
triarchs (p. 375—398), macht Mittheilungen über die arme-
nifche Ueberfetzung der Teftamente der XII Patriarchen,
von welcher er eine alte Handfchrift in Edfchmiadzin durch
Photographie copirt hat. Die armenifche Ueberfetzung
giebt an manchen Stellen noch den urfprünglichen jüdischen
Text der Teftamente, wo der uns erhaltene grie-
chifche Text ftärker chriftlich überarbeitet ift, und be-
ftätigt dadurch die Hypothefe, dafs die Teftamente
jüdifchen Urfprungs und erft fpäter chriftlich überarbeitet
worden find. Conybeare nennt als Vertreter diefer
Anficht nur Grabe. Die Arbeiten von Schnapp (Die
Teftamente der zwölf Patriarchen 1884) und dem Unterzeichneten
(Gefch. des jüd. Volkes II, 662—669) find ihm
unbekannt. Er felbft wird für die in Vorbereitung begriffene
neue Ausgabe von Sinker eine Vergleichung
der armenifchen Ueberfetzung geben. — 2) R. H. Charles
, 77/^ Ethiopic Text of Enoch (p. 493—497), fucht zu
zeigen, dafs Dillmann's Ausgabe des äthiopifchen Textes
(1851) vielfacher Verbefferung fähig und bedürftig fei.
Dillmann konnte dafür fünf Handfchriften vergleichen.
Seitdem hat fich das Material fo bedeutend vermehrt,
dafs Charles neun weitere Handfchriften heranziehen
konnte, von welchen nach ihm zwei eine beffere Recen-
fion geben als die Handfchriften Dillmann's. Den äthiopifchen
Text im Allgemeinen hält Charles für beffer als
den neugefundenen griechifchen. Den Beweis dafür hofft
er ausführlicher zu geben in einer gröfseren Arbeit über
Henoch, welche noch im Mai erfcheinen foll.

Kiel. E. Schürer.

Notiz.

Herr Dr. Reindell bittet mich aus Anlafs meiner Befprechung feines
Buches über W. Linck in ThLZ 1893 Sp. 1936"., den Lefern mitzutheilen,
dafs es nicht in feiner Abficht gelegen habe, die von ihm wohl gefchätzten
Arbeiten von L. Enders in deffen Ausgabe des Briefwechfels Luther's
herabzufetzen. Nicht abfichtlich fei auf S. 242, wo man den Namen diefes
Theologen zu finden erwarten durfte, derfelbe ausgelaffen; und auf S. 243
fei der Schein einer geringfchätzigen Polemik gegen ihn nur dadurch ent-
ftanden, dafs bei der Correctur ein Gedankenftrich hinter den Worten
,Beifpiel fein' fortgefallen wäre. Er wünfche nicht, dafs der fich anfchlie-
fsende Satz auf Enders bezogen werde.

Kiel. G. Kawerau.

Bibliographie

von Bibliothekar Dr. Johannes Müller.

Berlin W., Opernplatz, Königl. Bibliothek.

jDcutfcbe «Literatur.

Bibliothek theologifcher Klaffiker. Ausgewählt u. hrsg. v. evangel.
Theologen. 48. Bd. Gotha, F. A. Perthes, 1893. (8.) Geb. 2. 40
Inhalt: Kleinere theologifche Schriften v. F. Schleiernlacher. 2. Tl.

(V, 282 S.)