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Ausgabe:

1893

Spalte:

289-290

Autor/Hrsg.:

Eibach, R.

Titel/Untertitel:

Vademecum catecheticum für den evangelischen Katechismus-Unterricht 1893

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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289

Theologifche Literaturzeitung. 1893. Isir. II.

290

und Forderungen angekommen find, die von Andern als
biblifch und chriftlich nicht anerkannt werden konnten.
So wird es wohl bei der hergebrachten Form der religiöfen
Unterweifung bleiben müffen. Und ein etwaiges Intereffe
werden wohl auch nur folche Lefer diefer Spruchfamm-
lung zuwenden, die theologifch hinreichend gebildet find,
um den Gedankengang zu ahnen, dem der Verfaffer
allerdings gefolgt ift, ohne ihn auszufprechen.

Dresden. Dr. phil. B. Kühn.

Dryander, Konfift.-R. Pfr. D. Ernft, Das Evangelium
Marci, in Predigten und Homilien ausgelegt. 2. Hälfte.
[Die vier Evangelien, in Predigten und Homilien ausgelegt
; in Verbindung m. A. hrsg. v. R. Kögel,
II. Abth., 2. Hälfte.] Bremen, C. Ed. Müller, 1892.
(VIII, 339 S. gr. 8.) M. 6.-; geb. M. 7.50.

Die grofsen Vorzüge diefes Predigtwerkes von Dryander
find bei Gelegenheit des Referates über die erfte
Hälfte zur Sprache gekommen. Die freudige Erwartung,
auch in der zweiten Hälfte der in den Text forgfältig
einführenden und ihn in feiner Heilskraft entfaltenden
Biblizität, der edlen fchönen Sprache aufs neue zu begegnen
, wird nicht getäufcht. Gleichwohl hat die zweite
"Hälfte der Markuspredigten gegenüber der erften eine
gewiffe Verfchiedenheit zu eigen. Im Referat über die
erfte Hälfte mulsten wir von einer hie und da hervortretenden
Neigung zur Schablone in der Anlage der
Predigt reden; in diefer zweiten Hälfte ift uns kein An-
fatz dazu begegnet. Ohne an der fchönen Form etwas
cinzubüfsen hat die Sprache und damit auch der Gedanke
an Entfchiedenheit, an Kraft, die bisweilen zu wuchtigem
Ernft fich erhebt, gewonnen; die Diction ift lebendiger,
herzbewegender geworden, und die Gedanken des Textes
treten in fchärferer Beftimmtheit hervor (vgl. die 8. Predigt:
der bergverfetzende Glaube S. 85 ff.). Einen befonderen
Werth hat diefe zweite Hälfte durch die Reihe der
Paffionspredigten, die fie enthält. Paffionspredigten echt
evangelifcher Art find feltene Erfcheinungen auf dem
homiletifchen Büchermarkt; Paffionspredigten, die in fo
eingehender, verftändnifsvoller Weife die verborgene Herrlichkeit
Jefu in feiner Niedrigkeit und Erniedrigung aufweifen
und diefe Erniedrigung als das Mittel zur Offenbarung
feiner Herrlichkeit verftehen lehren, dürfen den
Anfpruch hoher Werthfehätzung erheben.

Dafs gleichwohl nicht alle Einzelheiten als treffend
zu bezeichnen find, nimmt der Anerkennung des Ganzen
nichts; in der erften, übrigens vorzüglichen, Predigt:
,Was der Herr von der Ehe lehrt' (Mc. 10, 1 —12) folgt
der Herr Verfaffer z. B. der ,gemeinen' Auslegung, nach
welcher Jefus die Ehefcheidung bei Ehebruch ,geftattet'
haben foll; auch bei ernftlicher Reue des fchuldigen
Theils, auch bei Bitte um Vergebung? Sollte wirklich
der Herr feinen Grundfatz von der Unauflöslichkeit der
Ehe durchlöchert und einen kleinen Codex für kirchlichen
Rechtsfpruch dargeboten haben, nach welchem man fich
buchflabengemäfs richten kann? Nur ein Zeichen lebhaften
Intereffes an der fchönen Gabe des Herrn Ver-
faffers fei diefe Bemerkung. Die Markuspredigten von
Dryander werden eine hervorragende Stelle jn derneueften
Gefchichte der Predigt einnehmen und hoffentlich vielen
Predigern zum Vorbild, noch zahlreicheren Chriftenleuten
zu rechter Erbauung dienen.

Marburg. E. Chr. Achelis.

Eibach, R., Vademecum catecheticum für den evangelischen
Katechismus-Unterricht. Berlin, Reuther u. Reichard, 1891.
(VI, 114 S. 8.) M. 1.50.

Vorliegende Schrift ift aus dem Amtsleben des Herrn
Verfaffers, aus den Erfahrungen und der Uebung, die er

als Pfarrer und Kreisfchulinfpector gewonnen hat, her-
vorgewachfen. Der gewöhnlichen dogmatifchen Methode
des Katechismusunterrichts will er den religiöfen, chrift-
lichen, evangelifch-confeffionellen Anfchauungs-Unterricht
gegenüber ftellen. In frifcher, kräftiger Sprache tritt er
der fteifen Pedanterie und dem unlebendigen Schematismus
, wie derfelbe wohl noch in manchen Schulen und
Confirmandenfälen herrfcht, entgegen; manche treffliche
Winke für die Behandlung des Katechismus werden gegeben
, und auch manches kühne aber heilfame Wort wird
ausgefprochen, für das Lehrer und Pfarrer nur dankbar
fein können. Es würde als fchöner Fortfehritt zu be-
grüfsen fein, wenn die Winke des Herrn Verfaffers überall
zur Anerkennung und Ausführung kämen.

Die Reform jedoch, die der Herr Verfaffer anftrebt,
dürfte kaum als genügend principiell zu beurtheilen fein.
Die traditionelle Auffaffung vom Zweck der einzelnen
Hauptftücke und ihrem Verhältnifs zu einander ift trotz
Steinmeyer, von Rohden, Dörries, Gottfchick, H. A.
Köftlin und vieler Anderer nicht verlaffen. Die Erklärung
des Textes der Hauptftücke, die Luther's Katechismus
bietet, wird nicht als folche gewerthet, fondern als ein
zweites zu erklärendes neben den zu erklärenden Text ge-
ftellt. Statt aus der biblifchen Gefchichte Neuen Teftamen-
tes, infonderheit der Etvangelien, die Katechismusfätze zu
gewinnen — denn diefe Methode würde doch allein der
geforderten Anfchaulichkeit entfprechen —, wird die
bibhfehe Gefchichte kaum einmal erwähnt. Die Er-
kenntnifs der Sünde kommt durchweg zu kurz;
denn nur das erfte Hauptftück, und dies, wie es fcheint,
ausfchliefslich, foll dazu verhelfen. Dazu werden die
Gebote rein negativ behandelt, und felbft die Erfüllung
der Gebote durch Chriftus findet trotz der Katechetifchen
Baufteine von L. Schultze keinen Raum, gefchweige denn,
dafs Luft und Freude erweckt wird, Gottes Gebote zu
halten. Dabei werden die unpädagogifchen Schemata
von grobem und feinem Götzendienft, Todtfchlag, Ehebruch
nicht verfchmäht, und der erfte Artikel des zweiten
Hauptftücks will uns Gott den Vater erkennen laffen aus
den abftracten Begriffen der Eigenfchaften Gottes, der
Schöpfung, Erhaltung, Regierung und Vorfehung, ohne
den zu erwähnen, der von fich gezeugt hat: ,wer mich
fiehet, der fiehet den Vater', und der fein Lebenswerk in
den Worten bezeichnet: ,ich habe deinen Namen geoffenbaret
den Menfchen'. Der Herr Verfaffer ftellt den richtigen
Grundfatz auf, dafs aus dem Ganzen heraus erklärt
werden müffe, d. h. aber doch in concreto aus dem heraus,
in welchem alles Gebot Gottes feine Erfüllung gefunden
und alle Verheifsungen Gottes Ja und Amen geworden
find, in dem Gott felbft zu uns gekommen und Gottes
Gnade und Wahrheit leibhaftig und perfönlich erfchienen
ift; und doch verliert fich die Erklärung in lauter Einzelheiten
, deren Centrum nicht zu erkennen ift. Mögen die
trefflichen Arbeiten v. Rohden's und Dörries' der Ver-
befferung an manchen Punkten fähig und bedürftig fein
— der letztgenannte hat der Reform des Katechismusunterrichtes
in feinem in anderer Hinficht fo ausgezeichneten
Werk dadurch fchweren Schaden gethan, dafs
er diefer Reform den Schein anheftete, als ob fie Sache
der theologifchen Schule A. Ritfchl's wäre —, die fo
nothwendige Reform wird nur ins Werk zu fetzen fein,
wenn mit der ,chriftocentrifchen' Methode voller Ernft
gemacht wird. Als Helfer auf diefem Wege foll das
Vademecum cateclieticnm uns willkommen fein, befonders
auch feine frifche und fröhliche Aufräumung mit manchem
Material in Stoff und Methode, das den Zweck der Kate-
chefe nur vereiteln kann.

Marburg. E. Chr. Achelis.