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1893 Nr. 9

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230

Titel/Untertitel:

Lettres des Bénédictins de la Congrégation de St. Maur 1652 - 1700. Tome 2 1893

Rezensent:

Reusch, Franz Heinrich

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329

Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 9.

230

S. 69 f.) verkündigte, gefunden die feftgefchloffene Vierzahl
der Evangelien und zugleich die Erklärung des
Räthfels, dafs der Thurm der Kirche mit viereckigen
Steinen aufgeführt (2,4), die Kirche felbft fv Tetgaytüviy
aufgebaut wird (2,5). Die Zahlen, aus welchen die vier
erften Schichten der Steine beftehen, weifen fogar die
Anfangsbuchstaben der Namen der Evangeliften auf.
Das ift ganz die heilige pythagoreifch-philonifche Weltzahl,
wie fie auch bei Irenaus eine Rolle fpielt, wenn er
das ,viergeftaltige Evangelium' mit den vier Weltgegenden
vergleicht. Da nun Irenäus überhaupt den
Hermas als heilige Schrift werthete, wird er auch feine
Anfchauung vom viergeftaltigen Evangelium dorther entlehnt
haben. Leider fpricht er eben nicht von vier Elementen
, und ihre Verjüngung verdankt die Kirche des Hermas
(das aber ift die römifche) eben nicht den vier Evangelien,
fondern der neuen Offenbarung; die vier Eüfse der Bank
endlich bedeuten einfach, dafs die Kirche jetzt la'/vgwc
$a%if*8v (Vis. III, 13,3)- V>a Hermas fich felbft fo inter-
pretirt, bedarf auch diefer Zug keiner weiteren Ausdeutung
.

Zweitens: Hermas und die fynoptifchen Evangelien
(S. 23—68). Zweifellos hat unfer Verfaffer alle Stellen
zufammen gebracht, in welchen eine befonders mobile
Combinationsgabe indirecte Berührung mit den Synoptikern
finden könnte. Da nun die Bekanntfchaft des
Hirten mit dem Inhalt des fynoptifchen Berichtes, zumal
mit der Marcus-Eorm, ziemlich anerkannt ift, handelt es
fich hier nur um Mafs und Sicherheit diefer Beziehungen.
In diefer Beziehung gefchieht aber hier das Unmögliche.
Die Steine, aus welchen der Thurm gebaut wird, find
die Steine, aus welchen nach des Täufers Ausfpruch
dem Abraham Kinder erftehen könnten. Die dem Petrus
und dem Apofteln übertragene Schlüffelgewalt Math. 16,
19. 18, 18 kommt Sim. IX, 4, 8 zum Vorfchein, wo alle
Steine, die nicht durch die Hände der 12 Jungfrauen
gehen, untauglich zur Verwendung für den Thurmbau
befunden werden. Da diefe Jungfrauen auch den heiligen
Geift repräfentiren, kann felblt die matthäifcheTaufformel
dem Hermas trotz Vis. III, 7, 3 nicht unbekannt gewefen
fein. Die Bekanntfchaft mit Marcus foll daraus erhellen,
dafs die Thür Sim. IX, 2, 2 mehr als die Sonne glänzte
(fozt/.rttv, vgl. Marc. 9, 3 'tttctnu ön'lpovxa). Einiger
Nachprüfung bedürfen höchftens die Beobachtungen,
welche Bekanntfchaft des römifchen Apokalyptikers mit
Marc. 16, 9—20 begründen follen (S. 57—68).

Drittens: Hermas und das vierte Evangelium
(S. 69—-148). Hier foll diefelbe Stelle, welche foeben
an die fynoptifche Verklärungsgefchichte erinnerte, auch
wieder auf das .wahrhaftige Licht' des Johannes zurückweifen
. Neben folchen phantaftifchen Argumenten bringt
der Verfaffer, indem er das vierte Evangelium Capitel
für Capitel durchgeht, allerdings nicht wenige auffällige
Parallelen, und man mufs geftehen, dafs der Raum,
welchen er diefem Theil feiner Aufgabe widmet (gut
die Hälfte des ganzen Umfangs), der Bedeutung der
Sacheentfpricht. Doch find die zwifchen der johanneifchen
Literatur und dem Hermas beftehenden Beziehungen
längft auch bei uns Gegenftand der Forfchung gewefen.
Eine wefentliche Vermehrung hat das Material auch
durch diefe neuefte Arbeit nicht erfahren, und die Vor-
ausfetzung, von welcher fie durchgehends ausgeht, als
liefsen derartige Berührungen nur eine Erklärung auf
fchriftltellerifchem Wege zu und feien nur denkbar, wenn
die betreffenden neuteftamentlichen Schriften fchon Be-
ftand gehabt hätten, fleht gerade bezüglich des Johannes
und daneben auch bezüglich des Jakobusbriefes (vgl.
S. 26—29) lelbft in Fra§e- Von anderen Ausgangspunkten
und Vorausfetzungen aus und unter Hinweis auf
anderweitige Extravaganzen, welchen man hier begegnet,
hat übrigens auch Th. Zahn diefe Leiflung richtig gewürdigt
(Theol. Literaturblatt 1892, Nr. 23, S. 268—270).

Ganz mufterhaft ift die äufsere Ausftattung des
Werkes. Druck, Papier, Einband — Alles fo, wie man
bei uns nichts findet.

Strafsburg i. E. H. Holtzmann.

Lettres des Benedictins de la Congregation de St-Maur
1652—1700, publiees, d'apres les originaux conserves
ä la bibliotheque royale de Copenhague par Emile
Gigas. A. u. d. T.: Lettres inedites de divers savants
de la fin du XVIIme et du commencement du XVIIIme
siecle. Publication faite sous les auspices de la fon-
dation Carlsberg. Tome II. Iere Partie. Copenhague,
G. E. C. Gad, 1892. (VII, 383 S. 8.) ')

Wann und wie diefe von einem dänifchen Gelehrten
fehr forgfältig und mit fachkundigen Anmerkungen
herausgegebenen Briefe nach Kopenhagen gekommen
find, ill nicht bekannt. Es ift eine ziemlich bunte Sammlung
: Briefe von Mabillon,Montfaucon,Martianay, Eftiennot
und anderen Maurinern und Briefe an Mauriner, namentlich
an Mabillon und Montfaucon, von franzöfifchen und
ausländifchen Gelehrten, u. a. von Antonio Magliabecchi,
Muratori, Th. Gale, J. Mill und Gabriel Groddeck. Sie
enthalten viele intereffante Notizen zur Gefchichte der
Mauriner, namentlich ihrer literarifchen Thätigkeit. Das
gilt befonders von den Berichten über Mabillon's Reife
in Italien (1685—86). Die Briefe Mabillon's, Durand's und
Eftiennot's aus Rom enthalten auch Mittheilungen von
allge meinerem Intereffe, über den Procefs gegen M. Mo-
linos und feine Anhänger (S. 116. 150 291), über den
Streit der Jefuiten mit den apoftolifchen Vicaren in
Ind ien im J. 1685 (S. 123), über die P eierlichkeiten zur
Dankfagung für ,die Bekehrung der Ketzer in Frankreich'
fdie Aulhebung des Edictes von Nantes) im April 1686
(S. 143), über das Conclavevon 1691, in demlnnocenz XII.
gewählt wurde (S. 173—210), über den Streit des Jefuiten
Papenbroek mit den Karmelitern (S. 249), über Mabillon's
Differtation De cultu sanctorum ignotorum (S. 289), über
die Oppofition der Neapolitaner gegen die Inquifition im
J. 1699 (S. 297), über die koptifchen Studien des Au-
guftiners Bonjour (S. 247. 297. 301). — Der Dominicaner
Padre Moftro (S. 115), den der Herausgeber nicht fcheint
identificiren zu können, wird Niccolö Riccardi fein, der
in Galilei's Procefs eine Rolle fpielte (Reufch, Der Procefs
Galilei's S. 164); über den daneben genannten Lionardo
da Capua f. Index 2, 180.

Bonn. F. H. Reufch.

Schulthess-Rechberg, Prof. Dr. G. v., Der Gedanke einer
göttlichen Offenbarung. Vortrag. Zürich, Höhr & Fäfi,
1893. (31 S. gr. 8.) M. 1.—

Diefer .Vortrag', der jedenfalls fehr aufmerkfame
und feinfinnige Hörer vorausfetzt, ift viel mehr eine Abhandlung
über die grofse Hauptfrage, die ihr Titel nennt.
Deutlich tritt die theologifche Richtung hervor, der der
Verf. am nächften fleht; aber die ganze Entwickelung
ift zugleich fo felbftändig und dabei fo fchlicht, dafs
man wird fagen dürfen, der Zuftimmende werde bereichert
, und der Gegner vielleicht mehr als in verwandten
Kundgebungen zu wirklichem Verftändnifs eingeladen
und ethifch genöthigt. Jeder wird fich nach
feiner theologifchen Eigenart manches anders ausdrücken,
und das eine und andere ergänzen; aber ein weitgehender
Confenfus auf Grund des religiöfen Erlebens felbft, das
hier zu einfacher klarer Ausfprache kommt, fcheint mir

1) Der erfte 1890 erfchienene Band enthält ,Cltoix de la Corre-
spmidance inedite de Pierre Bayle, 1670—1700. Der zweite Theil des
vorliegenden Bandes foll Mauriner-Briefe aus der erften Hälfte des 18. Jahrhunderts
bringen.