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Ausgabe:

1893

Spalte:

217

Autor/Hrsg.:

Rivier, Théodore

Titel/Untertitel:

Étude sur la révélation chrétienne 1893

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Seite 1

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2I7

Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 8.

Rivier, Theodore, £tude sur la revelation chretienne.

Lausanne, Payot, 1892. (127 S. gr. 8.) M. 1.60

Der Verfaffer vorliegender Differtation hatte fich
bereits dem franzöfifch redenden Publicum durch eine
verftändnifs- und lichtvolle Reproduction einer im
Sommerfemeder 1887 gehörten Vorlefung Herrmann's
über die Wahrheit der chridlichen Religion bekannt
gemacht {Revue de Theologie et de Philosophie,
Jahrgang 1888, S. 225—254; 390—419). Auch der neue,
zunächd durch Prof. Adie in Lautanne angeregte Ver-
fuch bewegt fich in den durch Herrmann gewiefenen
Bahnen. Die nicht äufserlich angenommenen fondern
innerlich angeeigneten und felbftandig verwertheten
Gedanken desfelben bringt Rivier in klarer, einfacher und,
was einem deutfehen Lefer befonders willkommen ift,
von jeder Rhetorik freier Dardellung zum Ausdruck.
Nach einer Darlegung der Wechfelbeziehung zwifchen
Religion und Offenbarung (S. 9—,19) unterwirft R. die
drei herrfchenden Auffaffungen von der chrifllichen
Offenbarung einer objectiven und umfichtigen Kritik, j
Für die traditionaliflifche (S. 20—48) liegt die Offenbarung
und daher die göttliche Autorität in der kirchlichen
Ueberlieferung oder in dem infpirirten Schriftwort. Die
Rationaliflen (S. 49—66) und die Mydiker (S. 67—80)
finden die Kundgebung Gottes, auf welche der Glaube
fich gründet, in dem eigenen, durch einen unmittelbaren
Verkehr mit Gott geweihten Innern, fei es als ein fich
Auffchliefsen des unendlichen Geiftes im endlichen, fei
es als ein Lrlebnifs der individuellen Gefühlswelt. Im
Gegenfatz zu diefen Richtungen fucht der Verfaffer den
Nachweis zu liefern, dafs der lebendige Gott aus ge-
fchichtlichen Thatfachen auf uns zu unferer Seligkeit
wirkt (Oap. V: La valeur du fait historique dans la
revelation, S. 81—92). und dafs die den Gipfel der ge-
fchichtlichen Entwickelung bezeichnende, fich aus feinem i
Heilswerk dem regen Gewiffen erfchliefsendePerfonChrifti j
den Grund des Glaubens bildet (Cap. VI: La revelation
historique de Dien en Jesus-Christ, S. 93—120). Allerdings
wird diefes Refultat auch vielen franzöfifchen
Lefern nicht neu fein, denn gerade in der jüngften Vergangenheit
haben fich viele Stimmen aus der protes-
tantifchen Theologie Frankreichs in diefem Sinne ge-
äufsert; allein der gefchloffene Zufammenhang, in welchem
die hier entwickelte Anficht auftritt, die ftreng wiffen-
fchaftliche Begründung der Hauptthefe, die methodifch
geführte und das hiftorifche Material gefchickt verwendende
Unterfuchung werden auch Bekanntes in ein
helleres Licht treten laffen und immer allgemeiner anerkannten
Ergebnifsen ein gröfseres Gewicht verleihen.
Wir wünfehen dem Verfaffer Glück zu feiner theologifchen
Erftlingsarbeit und hoffen demfelben noch ferner auf dem
von ihm angetretenen Wege zu begegnen.

Strafsburg i. E. P. Lobftein.

Luthardt, Dr. Chrph. Ernit, Jesus Christus gestern und
heute und derselbe auch in Ewigkeit. Predigten, zumeift
in der Univerfitatskirche zu Leipzig gehalten, [lt.
Sammlung.) Leipzig, Dörffling & Franke, 1892. (VIII,
156 S. gr. 8.) M. 3.-

Von Luthardts' Predigten liegt hier die elfte Sammlung
vor. Da bedarf9 keiner befonderen Empfehlung oder
auch nur Charakterifirung. Lüne wohlbekannte und durchaus
ausgereifte Predigergedalt tritt wieder auf den Plan,
gewifs zur Freude aller, die fie fchon kennen, zur Erbauung
und Anlockung aber auch denen, die hier erft
ihre Bekanntfchaft machen. Luth. bietet diesmal 14 Predigten
dar, meift aus den Jahren 1888 bis 91, eine von
1886 und eine ,alte Predigt' aus der Erlanger Zeit von
1853, früher fchon in einer Sammlung von Thomafius
erfchienen. Drei gehören zufammen, als Predigten beim
Capitelsconvent im Dom zu Meifsen gehalten, eine bei

der Allg. luth. Conferenz zu Hannover (über 2 Tim. 3,14),
die letzte als Synodalpredigt zu Dresden. Im Uebrigen
liegen allerlei Texte zu Grunde und kommen verfchie-
dene Zeiten des Kirchenjahrs zum Wort. Aus allen aber
redet ein und derfelbe Geift, im Ganzen auch auf eine
und diefelbe Art. Man kann das fogar von der ,alten
Predigt' fagen, obwohl fie durch einen Zeitraum von bald
40jahren von den übrigen getrennt ift. Wenn ein Unter-
fchied befleht, fo möchte er darin zu finden fein, dafs
L. damals etwas draftifcher geredet oder, wenn ich fo
fagen darf, etwas ftärker aufgetragen hat; feine heutige
Predigt fcheint mir ruhiger und vor allem natürlicher und
einfacher. In diefer Natürlichkeit und Einfachheit durfte
überhaupt der gröfste Vorzug von L.'s Predigtweife beliehen
: das fliefst Alles fo mühelos daher, als ob es gar
nicht anders fein könnte; aber gerade das ift, bei der
Tiefe, dem Ernft und der Innigkeit des unter fo einfacher
Hülle fich bergenden Inhalts, das Packende und Ergreifende
. In der Natur vollendet fich die Kunft. Dazu
! die geiftvolle und doch auch wieder fo natürliche Art
der Textverwendung, nirgends ein Ausquetfchen und
Breittreten, aber überall die gewiffenhaftelte und gründ-
lichde Verwerthung und das feinde homiletifche Ver-
dändnifs: fchon 1853 wird Petri Fifchzug fad ebenfo
gefchickt als ,Bild von geidlichen Dingen' verdanden, wie
1889 die Gefchichte von den Weifen aus dem Morgenlande
, nur dafs es dort gefagt, hier mehr als felbdver-
dändlich vorausgefetzt wird. Vorzüglich id die Sprache
L.'s zu nennen: diefe kurzen, knappen Sätze, die doch
nirgends affectirt oder übermäfsig pointirt erfcheinen.
Und wie von felbd flechten fich die Bibelfprüche, Lied-
drophen oder auch Katechismusfätze ein, man merkt es
kaum; fo fehr id die perfönliche Ausdrucksweife des
Predigers mit dem Tenor des biblifchen oder kirchlichen
Wortes eins und diefes wieder in feinem Munde wie
j perfönlich geworden. Und was nun in diefer anziehenden,
feflelnden, oft ergreifenden Form gefagt wird, das id —
wieder ein Zeichen ausgereiften homiletifchen Veidänd-
nifses —durchaus nicht etwa orthodoxe lutherifche Dog-
matik, (auch der Allg. lutherifchen Conferenz wird folche
nicht gepredigt, trotz der feinen Ablehnung des undog-
matifchen Chridenthums und des neuen Dogma's), fondern
Religion, wirkliche, lebendige, warme, perfönliche Frömmigkeit
, froh und zuverfichtlich in der Gewifsheit des in
Chridus erfchienenen Heils, tiefernd und zu gewaltiger
ethifcher Kraft fich hebend im Blick auf die Schäden
unferer Zeit, reich, vielfeitig-offen für alles Gute und
Schöne, aber fed ihren Standpunkt haltend in dem Einen
was Noth thut und was immer wiederholt wird, ohne je
zu ermüden, in dem Glauben an den Erlöfer und fein
Heil für Gegenwart und Zukunft. Solche Predigt thut
wohl — wie es fein foll — auch bei anderer dogmatifcher
oder kirchlicher Stellung, fie id ein erquickendes Zeug-
nifs davon, dafs über diefen Unterfchieden und Gegen-
fätzen doch etwas deht, was uns alle eint. Nur mufs es
freilich einer verdehen, es rein zur Dardellung zu bringen
und in einer natürlichen, von Herzen kommenden und
defswegen zu Herzen dringenden Weife zu fagen.

Heidelberg. Baffermann.

Rietschel, Prof. 1. Univ.-Pred. Dir. Dr. Georg, Das Wort
vom Glauben. Predigten für alle Sonn- und Fedtage
des Kirchenjahres. 1. Tl.: Die Pedzeit. Leipzig,
Dürr'fche Buchh., 1892. (VIII, 374 S. gr. 8.) M. 4.— ;
geb. M. 5. —

Referent hat den Verfaffer diefer 36 vom 1. Advent
bis zum Trinitatisfed reichenden Predigten ein Mal felbd
predigen gehört und davon einen bedeutenden Eindruck
empfangen. Durch die Leetüre diefer Sammlung id es
ihm zur Gewifsheit geworden, dafs diefer Eindruck
kein blofs augenblicklicher und etwa nur oder vorwiegend