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Ausgabe:

1893 Nr. 8

Spalte:

214-216

Autor/Hrsg.:

Kähler, Martin

Titel/Untertitel:

Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus 1893

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Theologifche Literaturzeitung. 1893. Nr. 8.

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Genf oder Zürich werden den italienifchen Proteftantis-
mus ganz in fich aufnehmen können.

Endlich ift Benrath's Ochino ein gefährliches Buch,
das nothwendig auf den Index gehört, und in den Kreilen
der eifrigften Romaniften bange Sorge erwecken mufs.
Weder der rothe Hut eines Cardinais, noch die Kutte
eines Kapuziners, noch das Amt eines päpfthchen Proto-
notars fchützt vor Anfleckung durch den proteltantifchen
Geift Alles hat Ochino dahinten gelaffen; es llt eine
tiefe Wahrheit, dafs ,ein Redner mit feinem Vaterland
alles verliert.' Der gefeierte Prediger, der Abgott der
Kapuziner, geht ins Elend, ift zufrieden mit der Stellung
eines Predigers an einer kleinen italienifchen Gemeinde
in Zürich und Augsburg, zieht als Verbannter von der
Schweiz nach Polen und kehrt dort wieder um, um in
einem obfcuren Neft in Mähren zu fterben, und es reut
ihn nicht, um Chrifti Willen alles hingegeben zu haben.
Die Lefer des Buches im römifchen Lager müffen mit
bangem Mifstrauen gegen alle Diener des Papftthums
felbit im Kloftergewand erfüllt werden. Denn bei keinem
hat Rom die fichere Bürgfchaft, dafs ihn nicht die Macht I
des Evangeliums aus den Armen Rom's reifse, fofern er
ein ernftlich frommer, fittlich edler Menfch ift wie Ochino.
Die Bangigkeit, welche Benrath's Ochino im römifchen
Lager hervorrufen mufs, ift um fo gegründeter, als folche
Männer wie Ochino Rom bis ins innerfte Mark hinein
kennen, und ihre Schriften zu gefährlichen Waffen werden
müffen. denen Rom nichts Ebenbürtiges entgegen
zu ftellen hat. Die Angriffe und Beurtheilungen, denen
Ochino nach feiner Elucht aus Italien ausgefetzt war, be-
fonders die niedrigen Verdächtigungen eines Boverio
beweifen blofs die innere Ohnmacht der Schildträger j
Rom's.

So ift Benrath's Ochino ein fehr zeitgemäfses Buch,
im Kampf gegen Rom ein wahres Zeughaus, das in den
Schriften Ochino's, die Benrath eingehend analyfirt, geöffnet
ift.

Nabern. G. Boffert.

Schwarz, W. E., Briefe und Akten zur Geschichte Maximilians
II. Gefammelt und hrsg. von W. E. S. II. Thl.
Zehn Gutachten über die Lage der katholifchen Kirche
in Deutfchland (1573/76), nebft dem Protokolle der
deutfchen Congregation (1573/78). Paderborn, Bonifa-
cius-Druckerei, 1891. (LH, 135 S. gr. 8). M. 4.40.

Die von Schwarz veröffentlichten Gutachten gehören
unftreitig zu den wichtigften Quellen über die kirchlichen
Zuftände in den katholifchen Gebieten Deutfchlands zu
Anfang des Pontificats Gregor's XIII. Die beiden erften
flammen von dem Cardinal Otto Truchfefs, Bifchof von
Augsburg, und dem Cardinal Zach. Delphinus, der viele
Jahre am kaiferlichen Hofe Nuntius war. Das dritte hat
den bekannten Jefuiten Petrus Canifius zum Verfaffer. Alle
drei rühren alfo von Perfonen her, die mit den religiöfen
Zuftänden Deutfchlands innig vertraut waren und fich in
hervorragender Weife um die Reftauration der katholifchen
Kirche in Deutfchland verdient machten. Die Verfaffer
der übrigen Gutachten find nicht bekannt, aber
der Inhalt ihrer Denkfchriften zeigt, dafs fie die von
ihnen gefchildertcn Zuftände gründlich kannten und von
dem lebhaften Wunfche erfüllt waren, diefelben geändert
zu fehen. Schon aus diefem Grunde können die Gutachten
eine befondere Glaubwürdigkeit beanfpruchen;
diefe wird aber noch durch den Umftand verftärkt, dafs
fie zur Orientirung des Papftes und einer Cardinals-
commiffion dienen füllten, die edlerer zur Berathung aller
auf Deutfchland bezüglichen kirchlichen Fragen eingefetzt
hatte. — Erfehen wir aus dem Inhalt der Denkfchriften,
dafs die damaligen kirchlichen Zuftände in den katholifchen
Landestheilen um nichts gegen früher gebeffert waren, fo
zeigen uns die hinter den Denkfchriften abgedruckten

Protocolle der deutfchen Congregation aus den Jahren
1573—78, wie fehr man in Rom beftrebt war, die in jenen
Denkfchriften vorgefchlagenen Reformen durchzuführen
. Die Protocolle bilden fomit eine werthvolle Ergänzung
der Nuntiaturberichte, namentlich da, wo die
Gegenfchreiben der Curie auf die Berichte der Nuntien
verloren gegangen find, wie das in Bezug auf die De-
pefchen des Nuntuis Portia aus den Jahren 1577 u. 78
der Fall ift.

In der Einleitung giebt der Herausgeber die nöthigen
Nachweife über die Quellen, die Handfchriften, die Verfaffer
und die Abfaffungszeit der nachfolgenden Schrift-
ftücke und fkizzirt zugleich deren hauptfächlichften Inhalt
. Aufserdem enthält die Einleitung zunächft einen
Excurs über die Errichtung der deutfchen Congregation.
Wenn fich der Verfaffer hierin fo ausfpricht, als habe
eine deutfche Congregation auch fchon vor Gregor XIII
beftanden, und fei von diefem nur aufs neue ins Leben
gerufen worden, fo bieten die von ihm angeführten Acten-
ftellen meines Erachtens hierfür keinen genügenden
Anhalt. In einer zweiten Abhandlung über die erften
Anfänge der Nuntiaturen zu Gratz und Köln kommt der
Verfaffer zu ziemlich denfelben Refultaten wie Hänfen
in feinen Darlegungen über diefelbe Frage in dem Anhang
zu den Nuntiaturberichten über den Kampf um
Köln, nur dafs in des letzteren Darfteilung die für die
Entfcheidung jener Streitfrage mafsgebenden Thatfachen
noch beftimmter und fchärfer hervortreten. Ein dritter
Autfatz endlich enthält eine gedrängte actenmäfsige
Darlegung der durch Gregor XIII. getroffenen Mafs-
nahmen, die eine Erweiterung und belfere Dotirung des
Collegium Germanicum bezweckten.

Weimar. H. Virck.

1. Orelli, Prof. D. Conr. v., Christus und andere Meister.

Rektoratsrede, gehalten an der Rektoratsfeier der
Univerfität Bafel am 11. Novbr. 1892. Bafel, Reich,
1893. (31 S. gr. 8.) M. 1. —

2. Schmidt, Prof. D. Herrn., Zur Christologie. Vorträge
und Abhandlungen. Berlin, Reuther & Reichard, 1892.
(III, 222 S. gr. 8.) M. 4. —

3. Kahler, Prof. D. Mart., Der sogenannte historische Jesus

und der gefchichtliche, biblifche Chriftus. Vortrag auf
der Wupperthaler Paftoralkonferenz. Leipzig, Dei-
chcrt Nachf., 1892. (48 S. gr. 8.) M. —. 75.

1. v. Orelli liefert in feiner Rectoratsrede einen
intereifanten Beitrag zur Religionsgefchichte, näher zur
Religionsvergleichung, aus welcher auch ein befferes
Verftändnifs der eigenen Religion zu erwarten fei. Den
Höhepunkt erreicht eine folche Vergleichung, wenn fie
die fogenannten Religionsftifter zu ihrem Gegenftande
macht. Die an zahlreichen und intereffanten Belegen
reiche Zufammenftellung ,Chriftus' und anderer Meifter'
führt zu dem allerdings auch auf anderem Wege zu erzielenden
Ergebnifs: ,dafs das Chriftenthum die perfönlichfte
aller Religionen in dem Sinne ift, dafs keine Religion
fich fo unlösbar an ihren Stifter gekettet zeigt, wie das
Chriftenthum an Chriftus'; ,das Eigenthumliche und Eigenartige
am Chriftenthume ift Chriftus felber'. Diefe unanfechtbare
Erkenntnifs wird auch durch einzelne hiftorifch
disputable oder dogmatifch nicht zu begründende Auslagen
v. Orelli's nicht erfchüttert.

2. ^ Unter dem Titel ,Zur Chriftologie' veröffentlicht
Schmidt einige Vorträge und Abhandlungen, die,
wenn auch zu verfchiedenen Zeiten verfafst, doch inhaltlich
fich fehr genau berühren, und fich alle auf den
Mittelpunkt chriftlicher Glaubenslehre beziehen. Das
erfte und zugleich jüngfte Stück der Sammlung, die am
15. October 1891 gehaltene Rectoratsrede, fucht zunächft
im Allgemeinen .die unvergleichliche Bedeutung, welche