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Ausgabe: | 1892 |
Spalte: | 155-158 |
Autor/Hrsg.: | Bender, August |
Titel/Untertitel: | Vorträge über die Offenbarung Gottes auf alttestamentlichem Boden 1892 |
Rezensent: | Gunkel, Hermann |
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Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 6.
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und flüchtiger Behandlung der Texte nicht die glimpf-
lichfte Erklärung ifl, die das Verfahren diefer lakonilchen
Widerlegung zuläfstr Damit genug!
Es bleibt dabei: mit gelegentlicher Benutzung aller
erdenklichen Texte und Ueberfetzungen ift es hier nicht
gethan, fondern nur mit einer methodifchen Bearbeitung
des Textes in allen feinen Einzelnheiten und im Zufam-
menhang, wie fleh Stade diefer Arbeit mit fo grofsem
Erfolg unterzogen hat. Solange es Friedrich nicht gelingt
, glaubhaft nachzuweifen, dafs ein herzuftellender
urfprünglicher Text feinen Anfchauungen beffer entfpro-
chen habe als der vorliegende, wird man ihm für eine
fördernde Anregung Dank wiffen, aber feine Einzelerklärung
der falomonifchen Bauten ablehnen müffen.
Strafsburg i/E. K. Budde.
Bender, Pfr. Aug., Vorträge über die Offenbarung Gottes
auf alttestamentlichem Boden mit fteter Berückfichtigung
der kritifchen Forfchung. Gütersloh, Bertelsmann,
1891. (VIII, 256 S. gr. 8.) M. 3. —; geb. M. 3. 60.
Die moderne kritifche Forfchung des Alten Tefta-
mentes, welche gegenwärtig .nahezu in der gefammten
wiffenfehaftlichen Theologie fo laut ihre Stimme erhebt'
(VI), und die den älteren Geiftlichen immer wieder durch
,die jungen Leute, zumal wenn fle eben von der Hoch-
fchule gekommen' find, entgegentritt (252), hat den Verf.
mit fchmerzlicher Beforgnifs erfüllt. Es ift ihm unmöglich
gewefen, dem gegenüber ,die Taktik des Vogel
Straufs' zu befolgen (256). So hat er den Entfchlufs ge-
fafst, die kritifche Forfchung an der Quelle zu ftudiren
und fleh in diefer Beziehung unterrichten laffen von
Reufs, Gefch. d. hl. Sehr. A. T.'s. (V). Hier bietet er die
Refultate feiner Studien: einen Abrifs der.Heilsgefchichte',
bei jedem gröfseren Abfchnitt die Meinungen ,unferes
Gelehrten' (Reufs) nebft beigefügter Beurtheilung.
Man wird gewifs mit warmer Sympathie einen Mann
beurtheilen, der bisher in modernen A. T.liehen Forfchun-
gen unbewandert, es für unwürdig hält, über das Unbekannte
abzufprechen und die Berechtigung, zu urtheilen,
in mühfamer Arbeit fleh zu erwerben fucht.
Und das Refultat des Verfaffers? Die fogenannten
Ergebnifse der kritifchen Forfchung find in Wirklichkeit
.allermeift nur fubjective Meinungen und Anflehten', Hy-
pothefen, die nur fälfehlich für geficherte Pofitionen ausgegeben
werden (254). ,Die kritifchen Ausftellungen an
der A. T. liehen Gottesoffenbarung' (252) find nur ,mifs-
lungene Verflache', ,welche den eigentlichen Grund der
Verwerfung ftützen follen, und diefer Grund ift ein rein
dogmatifcher' (250). Es ift letztlich nur der ,gefunde
Menfchenverftand', der Wunder und Offenbarung nicht
glauben will. Der Schrecken, der ihn zuerft beherrfchte,
weicht daher der Siegesgewifsheit (253). ,Unfern Gelehrten
' aber überfchüttet er mit Hohn und Spott. Er ift der
Büchergelehrte ohne Ahnung des wirklichen Lebens (181),
der fleh in ungefchichtlichen Träumen ergeht (127.145),
der feine ,fixen Ideen' (217) bewiefen zu haben glaubt,
wenn er fle ,ex catliecird frifchweg behauptet 224 u. f. w.
Schritt für Schritt geht er feinen Behauptungen nach
und ift überzeugt, die Hohlheit der fogenannten Beweife
überall gezeigt zu haben.
Im ,Schluffe' wirft Verf. felbft die Frage auf, ob er
zu folchen Urtheilen .berechtigt' fei (252). Nicht viele
werden mit ihm diefe Frage zu bejahen wagen. Denn
es ift nicht fchwer, dem Verfaffer, der es als ehrlicher
Mann verfchmäht, mit einer erborgten Gelehrfamkeit zu
prunken, der fleh felbft mit anerkennenswerther Wahrhaftigkeit
ftets von ,den Gelehrten' unterfcheidet, den
Nachweis zu führen, dafs feine wiffenfehaftliche Aus-
rüftung ihn zur Beurtheilung eines Reufs und ,der kritifchen
Forfchung' nicht berechtigte. Denn ,Gefchichts-
forfchung erfordert eine langgeübte Technik und eine
breite Gelehrfamkeit' (Kähler).
Von der ganzen kritifchen Schule hat der Verfaffer
nur Reufs gelefen (aufserdem wird gelegentlich noch
Schultz zweimal genannt); nicht einmal Wellhaufen's Pro-
legomena find ihm bekannt. Das A. T. citirt er nur
nach ,unferer Bibel' (177) d. h. nach Luther (auch die
,Fäffer' 1 Sam. 9,2 [87], den /Bund' Jef. 8,12 [179] und den
Spruch Jef. 28,19 l22})- Von Quellenfchcidung fpricht er
gar nicht. — Nicht ohne Lächeln wird man es lefen,
wenn er feufzt: ,Die kritifche Forfchung' fchafft uns
aus dem A.T. ,ein Chaos'. ,Wer kann in dies Durcheinander
einen klaren Einblick gewinnen' (254); oder wenn er
behauptet, dafs der kritifchen Forfchung ,für die Offenbarung
die Gefchichte von nebenfächlicher Bedeutung
fei', und ,dafs fle es zu einer wirklichen Gefchichte gar
nicht bringe' (144). Das ift allerdings ein Vorwurf, welcher
der ,kritifchen Forfchung', deren beftändiges Schlagwort
.Gefchichte' ift, noch nicht gemacht fein dürfte.
Verf. gefleht mit diefen Vorwürfen nur fein Unvermögen
, fleh in der Literarkritik und der modernen Gefchichts-
auffaffung zurecht zu finden. —
Ich übergehe die vielen, zum Theil ungeheuerlichen
Mifsverftändnifse des Verfaffers. Um die Art feiner
Beweisführung zu kennzeichnen, greife ich nur zwei
Beifpiele heraus: Beim Dt vermifst er den Nachweis,
dafs das Buch in die Zeit des Jofia wirklich paffe (165).
,Man würde auch das Dt, wie die andern Bücher Mole
hinter das Exil verlegen, wenn dies wegen der Schrift
des Jeremia angänglich wäre' (165). Und gerade unter
Jofia fetzt man es nun aus Verzweiflung, ,denn gefchrie-
ben mufs es einmal fein' (158). — Dem Verf. ift alfo entgangen
, dafs die Anfetzung des Dt auf fehr ftarken
Gründen beruht cf. Reufs § 289. Man darf natürlich
diefe Gründe, wenn man es kann, beftreiten; aber man
darf nicht fagen, dafs ,diefer Beweis' .nicht einmal verflucht
werde' (165).
Oder beim Dtjef. — Reufs' Gründe für exilifche Ab-
faffung werden nicht einmal angeführt. Sie find ,fo allgemein
und unbeftimmt gehalten', dafs fie feine Behauptung
mehr .entkräften, als fie ftützen'. — .Sehen wir
uns nun das Buch [des Jef.] an, fo habe ich bei allem
Aufmerken noch keinen Unterfchied zu entdecken vermocht
zwifchen den einzelnen Theilen desfelben'. —
,Wie es nun mir darin ergeht, ergeht es zu meiner Freude
auch manchen gelehrten Männern, und noch jüngft las
ich, dafs die Annahme der Einheit des Buches immer
mehr Verbreitung finde. Es kann das auch nicht anders
fein' (194). — Es ift doch einfach unerlaubt, diefe fo
allgemein gebilligte Thefe, die fleh auf eine fo überwältigende
Wucht von Gründen berufen kann, in diefer
Weife abzuthun.
Aber auch da, wo der Verfaffer auf die Beweisführungen
feiner Gegner näher eingehen will, hat er fie
nur fehr lückenhaft wiedergegeben und faft regelmäfsig
die Spitze des Beweifes überfehen 213—217 (etc.).
Sehr auffallend und doch höchft begreiflich ift, dafs
der Verfaffer die Gewiffenhaftigkeit und Vorficht der
Urtheile eines Reufs nicht verlieht, fondern in allen den
.Möglich', .Ziemlich ficher', .Wahrscheinlich' u. f. w. nur
Subjectivität und Willkür erblicken kann. ,Auf den
Ungelehrten machen fie mehr den Eindruck von Ein-
I fällen' (181.) Gewifs. Aber der Gelehrte weifs, dafs
,die erfte Tugend echter Gefchichtsforfchung die Befchei-
denheit ift' (Kähler).
Dafs der Ton, den der Verf. einem Reufs gegenüber
angefchlagen hat, ungehörig ift, wird der Verf.
nachträglich vielleicht felbft empfinden; zur Entfchuldi-
gung diene ihm, dafs er gegen einen Feind der Bibel
zu Streiten meinte.
Ich bezweifle keinen Augenblick, dafs der Verf.,
der in diefer Schrift fo wahrhaftig und ehrlich auftritt,
felbft die Berechtigung obiger Bedenken zugeben und
das Fehlen einer genügenden wiffenfehaftlichen Aus-
rüftung nicht verhehlen wird. Damit ift freilich feine