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Ausgabe:

1892

Spalte:

145-146

Titel/Untertitel:

Novum Testamentum graece 1892

Rezensent:

Bornemann, Wilhelm

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Seite 1

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146

mit den Kindern in und aufser der Schule mufs eine
Erforfchung der fündlichen Natur des Kindes bedeuten
Soll das weltliche Kind bereits als ein Kind
Gottes angefehen und behandelt werden? Nein, es foll
erfl dazu erzogen werden'. Dafs der Verfaffer unter
diefem Gefichtspunkt einiges, was man fonft in den
Hülfsbüchern zum Katechismus nicht findet, gut herangezogen
hat, foll nicht geleugnet werden. Aber anderer-
feits hat er vieles m. E. fehr unpädogifch zur Sprache
gebracht, auch keineswegs überall — am wenigften
beim zweiten Hauptftück — den kindlichen Ton getroffen
; und gegen die ganze Betrachtungsweife mufs
ich auf Grund von Matth. 18, 1 ff. und aus anderen Gründen
Verwahrung einlegen. Am wenigften können mich
die vorangefchickten vermeintlichen Gedichte und
die am Schluffe beigefügten .Proben eines auf das
Herz des Kindes abzielenden und Selbfterkenntnifs erzeugenden
Religionsunterrichts' für die Praxis, die Methode
und das fcheinbare Ziel des Verfaffers gewinnen.
Eine gewiffe Originalität der Anfchauung und Darftel-
lung ift dem Verfaffer nicht abzufprechen; aber ob feine
originellen Gedanken immer richtig und fachgemäfs
find, fteht dahin. Ich will diesmal auf das zweifelhafte
Vergnügen verzichten, durch Zufammenftellung einiger
Seltfamkeiten einen Lacherfolg zu erzielen. Dazu ift
das Buch zu ernft, zu fleifsig und zu wohlgemeint.

Magdeburg. W. Bornemann.

Novum Testamentum graece. Für den Schulgebrauch hrsg.
von Gymn.-Oberlehrer Dr. Fr. Zelle. IV. Das Evangelium
des Johannes von Divif.-Pfr. B. Wohlfahrt.
Leipzig, Teubner, 1891. (VI, 107 S. gr. 8.) M. 1.50.

So freudig ich im Allgemeinen einen kurzgefafsten
Commentar zum N. T. für den Schulgebrauch und in-
fonderheit die fleifsige und knappe Art der in diefem
Bändchen gegebenen Erklärungen begrüfse, mufs ich
doch gegen die von Zelle eingefchlagenen Bahnen in
Einem Punkte ein grundfätzliches Bedenken ausfprechen.
Ich kann es nicht für richtig halten, ftatt des vollftändigen
griechifchen N. T.'s einzelne befonders herausgegebene
N. T.liche Schriften den Schülern in die Hand zu geben,
da fie eben mit dem ganzen N. T. vertraut werden und
umzugehen lernen follen. Treibt man die wichtigften
Schriften des N. T.'s mit ihnen nach Sonderausgaben,
fo bleibt ihnen das griechifche N. T. fremd. Zieht man
aber neben diefen Sonderausgaben doch noch das ganze
griechifche N. T. heran, fo ift die Wiedergabe des Textes
in der Sonderausgabe überflüffig; einige kurze text-
kritifche Bemerkungen zu jedem Capitel würden dasfelbe
leiften. Deshalb wäre m. E. die Befchränkung auf die
Einleitung und die Anmerkungen, welche Wohlfahrt
bietet, ohne den Text nicht nur möglich, fondern auch
zweckmäfsig gewefen.

Der Text ift hauptfächlich nach Lachmann und
Tifchendorf wiedergegeben. Eine Berückfichtigung der
doch heute bei weitem mehr mafsgebenden Ausgaben
von Tregelles und befonders von Weftcott und Hort,
bzw. Oscar von Gebhardt findet fich nicht (vgl. z.B. 1, .8.
3,13). Auch die Erklärung richtet fich in vielen Fällen
nach einem früheren Stand der Forfchung. Mit Vorliebe
find Aeufserungen von Tholuck und J. P. Lange angeführt
und zwar nicht immer fehr fachgemafse (vgl. z. B.
3, 5. 30. 36. 4,4,). Bei manchen Stellen - theihve.fe gerade
bei den fchwierigften, z.B. I,* ff., 3,5 o,4<stt, 8,52 t!. u.a.,
— reichen die beigefügten Bemerkungen zu einer wirklichen
Orientirung nicht aus; fie bleiben an Einzelheiten
haften, ohne den Schwierigkeiten des ganzen Zufammen-
hangs gerecht zu werden und auch nur den Verfuch
einer Löfung zu geben. Die Einleitung bringt eine knappe
und im Allgemeinen recht brauchbare Ueberficht über
die einfehlägigen Vorfragen, welche abgefehen von dem

I Verhältniss des 4. Evangeliums zu den Synoptikern das
Wefentliche hinreichend erörtert. Das Verhältniss zu den

| fynoptifchen Evangelien ift freilich keineswegs deutlich
und richtig dargelegt, weder was die Darftellung der
Perfon Chrifti, noch was die Form feiner Reden, noch
was den Stoff der Gefchichte oder den Bericht über das
letzte Mahl und den Todestag Jefu angeht. Es ift vielmehr
, freilich nicht ohne Weitherzigkeit und Vorficht,

j faft überall ein harmonifirendes Vertahren eingefchlagen,
und verfchiedene kaum zu überfehende Schwierigkeiten
werden einfach verfchwiegen oder kurzer Hand weggeleugnet
und weggedeutet. Will man es fo machen, fo
follte man lieber von den Einleitungsfragen auf der Schule
ganz abfehen, zumal Namen wie Evanfon, Hafe, Mangold,
Lange etc. Schülern doch nur Namen bleiben. Dafs bei
der Erklärung Manches vorkommt, dem nicht alle bei-
ftimmen werden, ift felbftverftändlich; ich rechne dahin
die Bemerkungen zu 1,4. s- ««■ 29. 48. 52. 2, 3 10. u. 13. 20. 3,8.

II. 4, 6. 10. 6, 13- 17- 51- 64- 7' *• 37' "1 48- 13, 10. 26. l8, 28.

Einige Erörterungen find ungenau oder zu wenig be-
ftimmt. Zu der Anmerkung auf p. 73 erwähne ich, dafs
j nach einer Aeufserung des Origenes die Fufswafchung
fchon im 2. Jahrhundert in manchen chriftlichen Kreifen
Sitte gewefen fein mufs. Zu Ii, 44 möchte ich bemerken,
dafs unfere Schüler und unfere Gebildeten unter einem
,Schweifstuch' in der Regel etwas fehr Myfteriöfes ver-
ftehen, ohne eine Ahnung davon, dafs das ,Schweifstuch'
bei uns ,Tafchentuch' heifst. —

Trotz aller gemachten Ausftellungen betone ich,
dafs das Bändchen für Schüler und Theologieftudirende
recht wohl brauchbar ift, für beide zu Repetitionen,
für Studenten der Theologie auch als Hilfsmittel bei
curforifcher Leetüre. Zur Vorbereitung würde ich
es Schülern nicht in die Hand geben. Noch weniger
kann ich es billigen, wenn Dr. Zelle im Vorwort fagt:
,Auch dem Lehrer felbft möchte ich einen Dienft leiften
und ihm die zeitraubende Arbeit erfparen, fich durch
umfangreiche theologifche Commentare hindurchzuarbeiten
'. Wenn ein Lehrer auf der Oberftufe höherer
Schulen das Johannisevangelium behandeln will, fo darf
man erwarten, dafs er mindeftens einen gründlichen
Commentar durchgearbeitet hat. Nur, wenn er das ge-
than hat, wird ihm das vorliegende Bändchen unbedenkliche
Dienfte leiften.

Magdeburg. W. Bornemann.

Weizsäcker, Ger.-Affeff. Hugo, Juristischer Wegweiser für
Kirchenbau und Parochialteilung in den 7 örtlichen Provinzen
der Landeskirche Preufsens. Auf Grund amtlicher
Materialien für Kirchenältefte und Gemeindevertreter
bearb. Berlin, Trowitzfch & Sohn, 1891. (VIII,
I36S- gr. 8.) M. 1.20.

Erbauung neuer Kirchen, Theilung übergrofser Pfarrbezirke
find Gegenftände, welche jetzt überall auf der
Tagesordnung flehen, nirgends in fo dringender Weife
wie in der Reichshauptftadt. Der vorliegende juriftifche
Wegweifer' ift eine äufserst dankenswerthe Gabe für Alle,
die zur Mitwirkung bei Unternehmungen diefer Art berufen
find. Sämmtliche Rechtsverhältnifse und Rechtsfragen,
die dabei in Betracht kommen, finden in der kleinen
Schrift eine eingehende, nach allen Seiten hin belehrende
Erörterung. Sie befafst fich nur mit den neben örtlichen
Provinzen des preufsifchen Staates und dem dort geltenden
Recht, felbftverftändlich mit vorzüglicher Berückfichtigung
der Berliner Verhältnifse, bietet jedoch daneben
ein über das zunächft behandelte Gebiet hinausreichendes
, allgemeineres Intereffe. Sie giebt einen Einblick
in die dermalige Rechtslage unfererev. Landeskirchen überhaupt
und macht an concreten Verhältnifsen recht anfehau-
lich, wie wir uns hier, gleichwie auf anderen Gebieten
unferes religiöfen und kirchlichen Lebens,in einemZuftande