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Ausgabe:

1892 Nr. 5

Spalte:

124-125

Autor/Hrsg.:

Lotz, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Geschichte und Offenbarung im Alten Testament 1892

Rezensent:

Siegfried, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 5.

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nen, wobei hie und da, wenn die Sache ganz ücher ift,
auch chronologifche Gefichtspunkte mitwirken können.
Den Chroniften wird man unbedenklich an's Ende der
hiftorifchen, Daniel an das der prophetifchen Literatur
Hellen können. — Was die Ueberblicke über Gefchichte
der Kritik befonders g§ 2 und 6 betrifft, fo machen wir
dem Verfaffer nicht den Vorwurf zu grofser Ausführlichkeit
, den er im Vorwort befürchtet, und zwar befonders
aus pädagogifchen Rückfichten nicht, denn nichts
pflegt auf Lernende eine anregendere Wirkung auszuüben
, als eine lebensvoll geftaltete Gefchichte einer
Wiffenfchaft. Höchftens in Einzelheiten ift der Verf.
manchmal vielleicht etwas weit gegangen, wie bei Aftruc
(S. 18) oder Gramberg (S. 24). Sonft möchten wir eher
noch für Einfügung einiger kleiner Ergänzungen eintreten
. Z. B. würden wir S. 2 bei Adrian Goefsling's Ausgabe
der eioaywyiq von 1887, S. 4 bei Buxtorf etc. G.
Schnedermann, die Controverfe des L. Cappellus mit den
Buxtorfen 1879, S. 5 bei R. Simon die Arbeit von A.
Bern us (R. S. et son hist. crit. du V. T. 1869, notice
bibliographiquc sur R. S. 1882), S. 6 hinter Semler den
Wolfenbüttler Fragmentiften einfügen. Beim Pfalter ver-
miffen wir S. 205 ff. jede Auskunft über den nS5tt und
das fogen. b autoris, fowie Berückfichtigung deffen, was
Lagarde in Orient. II S. 13—27 zu bbln und nTlfl beigebracht
hat. Beim Hiob hätte in Bezug auf die Elihu-
frage wie auch beim Hohenliede S. 232. 239 Stickel
wohl eine Erwähnung verdient, wie S. 252 zu Qohelet
die Arbeiten von Tyler und Palm. S. 296 vermiffen
wir Petermann-Vollers' Ausgabe, des famaritanifchen
Pentateuch. Hitzig kommt in dem ganzen Buche wohl
kaum vor'. — Wie die 480 Jahre herauskommen, welche
vom Auszuge bis zum Tempelbau hingingen, kann der
Anfänger aus den Ausführungen von S. 98 nicht er-
fehen. Die einzelnen Zahlenangaben, auf welche Z. 10
und 11 verwiefen wird, hätten angeführt werden lollen.
— Auf S. 292 Z. 12—17 ift die Satzconftruction nicht in
Ordnung. — Auf S. 309 hätten doch einige Werke angeführt
werden follen, in denen die philologifch-kritifche
Methode zur Gewinnung eines reineren Textes mit Erfolg
zur Anwendung gekommen ift, wobei auch Cornill's
Ezechiel nicht zu vergeffen gewefen wäre.

Doch wir brechen ab, um auch über das englifche
ifagogifche Werk Driver's Einiges zu fagen. Hier ift
unter Einleitung lediglich eine Einführung in die Kritik
der altteftamentlichen Literatur verftanden, bei welcher
der Verfaffer nicht nur Theologen, fondern auch gebildete
Laien im Auge hat. Um der letzteren willen hat
er alle angeführten hebräifchen Wörter und Redensarten
ins Englifche überfetzt. Auf fie beziehen fich
wohl auch vorzugsweife die Befchwichtigungen der Vorrede
p. XIV—XIX betreffs der Beforgnifs, als könnten
dem chriftlichen Glauben aus der hiftorifchen Betrachtung
irgend welche Befchädigungen widerfahren. Auch
ift der Verf. wohl in Folge deffen etwas weitläuftig geworden
, denn obwohl er die fogenannte allgemeine Einleitung
ganz bei Seite läfst und nur über die Bildung
des Kanon einige Bemerkungen vorausfchickt, hat er es
doch auf 522 Seiten gebracht und klagt dabei noch p.
IX über Raumbefchränkung. Er bietet aber auch bei
einem grofsen Theile der Bücher genaue Inhaltsangaben,
geht bei der Analyfe fehr ins Einzelne auch unter Berückfichtigung
der apologetifchen Literatur, giebt fehr
dankenswerthe Zufammenftellungen des Sprachgebrauchs
der einzelnen Schriftfteller. So z. B. S. 45 f. für H, S.
91— 94 für Dt., S. 123—128 für P, S. 237 bis 259 für Jer.,
S. 372 für Spr. u. a. m. Ebenfo find fehr brauchbar
die Tabellen der literarifchen Berührungen einzelner
Schriftfteller mit ihren Vorgängern, vgl. z. B. S. 139 b
über diejenigen des Ez. mit H, S. 292 zu Joel, und fo
noch manches Andere. Befonders fei noch auf die Synopfis
der Gefetze des Dt. und derer in JE und P S. 68—70
hingewiefen. Die kritifchen Refultate find im Allgemeinen
die der neuen holländifch-deutfchen Schule, die der
Verf. aber mit felbftändigem Urtheil fich angeeignet
hat und die er im Einzelnen hie und da modificirt —
wie z. B. bei Sac. 9—14, wo er die Schwierigkeiten
durch Annahme eines vorexilifchen Entwurfs (8.
Jh.) und einer nachexilifchen Ueberarbeitung (4. Jh.)
zu löfen verfucht S. 325 —328 — oder die er durch
eigene Beobachtungen noch näher begründet. Sehr
richtig ift es, dafs er dabei wiederholt auf den
Unterfchied des Sicheren, Bewiefenen und des blofs
Wahrfcheinlichen aufmerkfam macht. — Dafs er nur
neue Literatur anführt, ift durchaus im Allgemeinen zu
billigen; denn die methodifche hiftorifche Kritik ift eine
ganz neue Wiffenfchaft. Bei Hiob S. 384 vermiffen wir
die Polemik von Studer mit Budde in den Jahrbb. für
proteft. Theologie 1875/77 und Studer's eigene Arbeit
1881; auch den Conftructionsverfuch von J. Grill 1890;
(Hoffmann zu Hiob ift fpäter erfchienen); bei Daniel
S. 458 den werthvollen Äuffatz von Cornill über die
Abfaffungszeit in Theol. Studien und Skizzen aus Oft-
preufsen 1889 H 6. S. 1—32. — (Die Arbeiten von
Düfterwald und Pilloud [1890] fehlen auch, aber wir vermiffen
fie nicht.) Da der Verf. das Hohelied für ein Drama
hält S. 416, wundern wir uns, dafs er fich den äufserft
geiftreichen und fcharffinnigen Conftructionsverfuch von
Stickel, das Hohelied in feiner Einheit und dramatifchen
Gliederung 1888 hat entgehen laffen. — Doch wir
brechen ab, entfchädigt uns doch der Verfaffer durch
mancherlei Mittheilungen aus englifcher Literatur. — Jedenfalls
ift nicht zu bezweifeln, dafs das Buch fehr zur
Förderung der bibelkritifchen Studien in England beitragen
werde. —

Jena. C. Siegfried.

Lötz, Prof. Dr. Wilh., Geschichte und Offenbarung im
Alten Testament. Leipzig, Hinrichs, 1891. (IX, 353
S. gr. 8.) M. 6. 80.

Der Verfaffer erftrebt beffere Vorftellungen über
Sinn und Werth des Alten Teftamentes durch eine Con-
cordanz zwifchen wiffenfchaftlicher Wahrheit und chrift-
licher Glaubensüberzeugung. ,Es gilt die Entwickelung
einer möglichft fachgemäfsen Anficht über das A. T. . . .
vom Standpunkte des Glaubens und der chriftlichen
Kirche aus' (p. VII). — Eine fachgemäfse Anficht über
ein in einer beftimmten Zeit und unter einem beftimm-
ten Volke entftandenes Literaturwerk kann nun nach
unferem Dafürhalten nur auf dem Wege der hiftorifchen
Forfchung erworben werden. Jeder Verfuch, eine derartige
Anficht auf einem Standpunkte aufserhalb gewinnen
zu wollen, mufs der Natur der Sache nach fcheitern, da
er dazu führen wird, die Gefchichte durch das Dogma
überwinden zu laffen. Diefem Schickfal erliegt, wie
uns fcheint, auch die vorliegende Erneuerung der Heils-
gefchichte des Erlanger v. Hofmann, die aus Naturwiffen-
fchaft, Gefchichts- und Religionsphilofophie, chriftlicher
Dogmatik, Pfychologie u. f. w. zufammengefucht ift.
In einem auf die Dauer ermüdenden Schaukelfyftem
läfst der Verf. die Lefer beftändig zwifchen wiffenfchaft -
lichen und chriftlich dogmatifchen Sätzen hin und her-
fchwanken, fo dafs es fehr fchwierig wird, zu irgend etwas
Feftern zu gelangen. Alfo z. B. die Naturgefetze find
unverbrüchlich, alles Gefchehende beruht auf ftrengfter
Gefetzmäfsigkeit (S 50. 136 fr.); dennoch giebt es Wunder
(S. 35), fogar Auferftehung (S. 77), denn Gottes
Eingreifen gefchieht unter Berückfichtigung und Aufrechterhaltung
fämmtlicher Naturgefetze. So hat Gott beim
fchwimmenden Eifen des Elifa ,nur foviel der Erdanziehung
entgegenwirkende Kraft angewendet, dafs von jener
etwa fo viel übrig blieb, um dem Eifen die Schwere
des Holzes oder Korkes zu ertheilen' (S. 143). Es ift
fehr fchade, dafs der Verf. diefen Lehrfatz nicht am