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Ausgabe:

1892 Nr. 4

Spalte:

97-101

Autor/Hrsg.:

Paulus, Nikol.

Titel/Untertitel:

Der Augustinermönch Johannes Hoffmeister 1892

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 4.

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aber für die zahlreichen deutfchen Schriften von 1521
lieht man fich lediglich auf die Originaldrucke angewie-
fen. Da ift es dankbar zu begrüfsen, dafs uns L. Enders
den auf die Schrift ,An den chriftlichen Adel' feit Jan.
1521 in rafcher Aufeinanderfolge angefchloffenen Streit-
fchriftenwechfel (5 Schriften Emfer's, 4 Luther's) in
vollftändiger und getreuer Reproduction der Originale
hier vorlegt. Man kann nun in bequemer Ueberficht
diefer Fehde von Etappe zu Etappe folgen. In knappen
Einleitungen orientirt Enders über Emfer's Leben fowie
über Anlafs, Fortgang und Ausgang des Streites. Eine
Förderung der Biographie hat wohl nicht in der Abficht
des Herausgebers gelegen; er ftellt hier nur Bekanntes
zufammen. Ich bemerke dazu, dafs es unrichtig ift,
wenn auch hier wieder (I S. III) gemeldet wird, Emfer
fei in Erfurt 1504 Magister geworden, denn die Erfurter
Matrikel {ed. Weifsenborn, II 235) belehrt uns, dafs er
als Mag. arc. Basiliensis nach Erfurt kam. Auch kann
fein Erfurter Aufenthalt nur wenige Wochen gewährt
haben, da er noch im S.-S. 1504 in Leipzig immatriculirt
und hier 5. Januar 1505 ad airsum legendum in theolo-
gia zugelaffen wurde (Brieger. Die theolog. Promotionen,
Leipzig, 1890, S. 20). Betreffs der Abfaffungszeit und
Aufeinanderfolge der Streitfchriften wird Neues nicht
geboten; Köftlin hatte hier fchon im Wefentlichen Klarheit
gefchafft. Beachtung verdienen aber die Bemerkungen
über die Einmifchung Murner's in den Streit.
Zu dem Streitfchriftenwechfel von 1519 wäre auf Knaake's
vortreffliche Einleitung Weim. Ausg. II 655 ff. zu verweilen
. Dafs Enders für die Commentirung der Schriften
nichts gethan, nur möglichft getreue Texte geliefert
hat1), ift wohl aus der in Braune's Neudrucken zumeift
befolgten Praxis zu erklären; er wäre ja fonft vor andern
dazu befähigt gewefen. Ich bedauere dabei befonders,
dafs nicht einmal an all den Stellen, an denen die
Streitführer auf frühere Aeufserungen in den eigenen
Schriften oder in denen des Gegners fich beziehen, diefe
Rückverweifungen vom Herausgeber angemerkt find.
Das würde die Benutzung erheblich erleichtert haben.
Doch ift wenigftens zu Emfer's Streitfchrift gegen
Luther's ,An den chriftl. Adel' eine Ausnahme gemacht
und ftets auf die Seiten in Braune's Neudruck letzterer
Schrift verwiefen. Für Emfer's Schriften wird Enders
vorausfichtlich auf lange Zeit unentbehrlich bleiben, für
die dazwifchen flehenden Schriften Luther's erfetzt er
uns wenigftens z. Z. noch den kritifchen Text der
Weim. Ausgabe, da ja die fehnlich erwarteten Schriften
von 1521 (Bd. VII) bisher noch nicht zur Ausgabe gelangt
lind.

Kiel. G. Kawerau.

Paulus, Prieft. Nikol., Der Augustinermönch Johannes Hoffmeister
. Ein Lebensbild aus der Reformationszeit.
Freiburg i/B., Herder, 1891. (XX, 444 S. 8.) M. 4. —
Noch vor wenigen Jahren gehörte der Auguftiner
J. Hoffmeifter zu den fchier vergeffenen Theologen des
Reformationszeitalters. Was man über ihn in den Krei-
fen feiner Ordensgen offen ermittelt hatte, das war zuletzt
1776 in Offinger's BibliotJuca Augustiniana niedergelegt
, hier aber auch fo ziemlich vergraben worden.
Die 1. Autlage von Wetzer-Welte's Kirchenlexikon nannte
nicht einmal den Namen diefes Theologen, Herzog's R.-
E. hatte auch noch in der 2. Auflage keinen Artikel
für ihn übrig, erwähnte ihn nur gelegentlich als Herausgeber
einer" Schrift des Petrus Venerabiiis. Lämmer
hatte in feiner Behandlung der vortridentinifch-kathol.
Theologie des Reformationszeitalters diefen fruchtbaren
theologifchen Schriftfteller ganz überfehen. Da liefs

1) Druckfehler der Originale find verbeffert; bei Luther's dritter Schrift
ift auch einer der Nachdrucke zur Berichtigung von Druckverfehen herangezogen
. Im Uebrigen werden die Originale getreu reproducirt.

Divifionspfarrer Rocholl in feinem Buch .Einführung der
Reformation in Kolmar' (1876) fein Gedächtnifs Wiederaufleben
, vgl. auch den Auffatz desfelben in ,Mancherlei
Gaben und ein Geift' 1879, 4. Heft. Mit grofser Liebe
war hier befonders auf Grund eines fchönen und ver-
föhnlichen Briefes Hoffmeifter's an den proteftantifchen
Pfarrer Erb Hoffmeifter als ein Mann gefchildert worden
, der von anfänglicher bitterer Gegnerfchaft zu einer
durchaus irenifchen Gerinnung den Proteftanten gegenüber
fich fortentwickelt habe, auf Grund der Eindrücke,
die das Religionsgefpräch von Regensburg 1541 — an
dem er nach R. theilgenommen haben follte — in ihm
zurückgelaffen habe. (Vgl. auch die Auffätze Deutfche
Reichspoft 1880 Nr. 106., Ev. Kirch.-Ztg. 1880 Nr. 29.)
Inzwifchen hatte v. Druffel in Neapel die Briefe aufgefunden
, welche Hoffm. als Provinzial der fchwäbifch-
rheinifchen Provinz an feinen General Seripando gerichtet
hatte, und hatte diefe in den Abhandlungen der
bayr. Akad. III. Cl. XIV. Bd. I. Abth. 1878 veröffentlicht
, dabei zugleich auf Grund des ihm zugänglichen
Materials eine weit nüchternere Skizze feines Lebens
und feiner kirchlichen Stellung gegeben und ein Ver-
zeichnifs feiner Schriften aufgeteilt. Dazu kamen 1879
die Nachträge, die derfelbe in Zeitfchr. f. Kirchengefch.
III. 485 ff. nachfolgen liefs. Ein Flugblatt über Hoffmeifter's
Tod veröffentlichte ich ebendafelbft V. 3461., und jüngft
publicirte E. Waldner in Zeitfchr. f. Gefch. d. Oberrheins
, Neue Folge VI. (1891), vier Briefe desfelben.
Die Allg. D. Biogr. brachte aus Werner's Feder einen
wefentlich auf v. Druffel fich ftützenden, aber auch auf
Offinger zurückgreifenden Artikel; in der 2. Auflage
des Kirchenlexikons behandete der Auguftiner Keller fein
Leben, wefentlich auf Grund jener Vorarbeiten. An
diefe fchliefst fich jetzt die Arbeit von N. Paulus
an; diefelbe führt uns auf Grund werthvoller und umfänglicher
Studien ein beträchtliches Stück vorwärts.
Neben der gedruckten Literatur, von welcher aufser
den zahlreichen Schriften Hoffmeifter's die Ordensliteratur
befonders in Betracht kommt, verfügt er über wichtiges
handfehriftliches Material: das römifche Archiv
des Auguftinerordens fpendete die Schreiben des Generals
Seripando, von denen wir bisher nur einige Auszüge
aus Herrera Alpliabetum augustiniannm 1644, To-
relli secoli Agostiniani 1686 und Offinger 1776 kannten
; in Anhang II erhalten wir einen vollftändigen Abdruck
derfelben. Die Bibliotheca angelica in Rom bot
in einer Handfchrift Auszüge aus den Regiftern der
Ordensgenerale, die freilich für die Jahre 1388—1541
fehlen, aber für 1542-1551 mancherlei Ausbeute gewährten
(vgl. S. 132 Anm. 4). Auch München bot für
die Auguftinergefchichte handfehriftliches Material, in Clm
8305 eine Abfchrift der Ordensconftitutionen von 1397
und in Clm 8423 die von dem Auguftiner F. Mayr
1729t. angefertigten Auszüge aus den Regiftern des
Generalarchivs. Schon diefe Angaben zeigen, dafs es
dem Verfaffer darauf ankommt, das Leben Hoffmeifter's
auf dem Hintergrunde der Schickfale und Zuftände des
Auguftinerordens zu fchreiben. In der That ift feine
Arbeit eine höchft werthvolle Ergänzung des bekannten
Kolde'fchen Werkes, indem er gerade an dem Punkte,
wo diefer aufhört, mit feiner Forfchung einfetzt und
für den Charakter, fowie für die Gefchichte des Ordens
befonders im Südweften Deutfchlands willkommene
Auffchlüffe bringt. Diefen Studien zur Gefchichte des
Auguftinerordens verdanken wir auch die beachtens-
werthen Auffätze des Verfaffers ,Zu Luther's Romreife'
und Joh. v. Staupitz' in Pliftor. Jahrb. XII. (1891),
S. 68 ff. u. 309fr) Das ganze 5. Capitel des 1. Theils
,Die deutfchen Auguftiner in der Reformationszeit' (S.
120—164) verdient hier hervorgehoben zu werden. Das
Buch ift fo geordnet, dafs der Verfaffer in einem 1.
Theile das Leben nnd Wirken Hoffmeifter's, in einem
zweiten, etwas kürzeren, feine Lehre und reformato-

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