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Ausgabe:

1892 Nr. 4

Spalte:

96-97

Titel/Untertitel:

Luther und Emser. I. u. II. Bd 1892

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 4.

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Emmanuel etc. In diefer Weife befpricht der Verf.
den gefammten Bilderreichthum der Kirche. Auf eine
eigenthümliche Erfcheinung möchte ich noch hinweifen,
auf die Verf. aufmerkfam macht. Die befte Kirchenmalerei
kennt kein Auferftehungsbild, fondern hat dafür
eine Darftellung der Höllenfahrt Chrifti eingefchoben.
Das Handbuch bietet zwar noch ein Bild der Auferfteh-
ung und in ganz neuer Zeit erft folgt man diefem Buch.
Eine Erklärung für die feltfame Vertaufchung läfst fich
wohl nur im Gefchmak der mittelalterlichen Kirche für
Sonderbares und Apokryphes finden. In der neueren
griechifchen Kirche find Stimmen laut geworden, füge
ich hinzu, die von den Bildern verlangen, dafs fie jedenfalls
nichts darftellen follen, was der Bibel widerfpricht,
ja man fcheint es zu fordern, dafs der Maler fich nach
der Bibel in feinen Vorwürfen richte. So tadelt
Nikodimos Ajioritis auch (Pidalion S. 262), dafs die
Maler ftatt der Auferftehung die Höllenfahrt Chrifti dar-
ftellten.

Im dritten Abfchnitt handelt der Verfaffer von den
Miniaturmalereien. Er fchickt einige Angaben über die
Anzahl der Athoshandfchriften voraus und fchätzt diefe
dabei auf 11 —12000. Das fcheint mir zu hoch gegriffen.
Der Katalog von Lambros zählt 5766, 4000 rechnet
Verf. auf Watopedi, 1800 auf die Lawra, die beiden
griechifchen Klöfter, wo Lambros nicht gewefen. Nach
meinen Excerpten aus den Katalogen der Bibliothek von
Watopedi mufs ich fchliefsen, dafs hier nur 995 Manu-
fcripte find, Lawra fchätze ich nicht höher als IOOO,
Ruffiko foll auch nicht mehr befitzen. Rechnen wir
fonft noch 500 Handfchriften auf die Skiten und Kellien,
fo kommen rundnurpooo Manufcripte auf die Bibliotheken
des Athos.

Für feinen Zweck theilt der Verfaffer die Bilder-
handfchriften, denn um diefe handelt es fich ja hier, in
2 Claffen, biblifche und theologifche. Unter den Bildern
wird gefchieden zwifchen Andachts- und Widmungsbildern
und folchen andererfeits, die den Text der Hand-
fchrift illuftriren. Aus dem reichen Inhalt des hier Be-
fprochenen will ich Eins hervorheben, weil ich dazu
einige Ergänzungen geben kann. In Bezug auf die
Darftellung der Trinität zeigt Verf., dafs diefelbe meift
dargeftellt werde in den Geftalten der Engel, die den
Abraham einft befuchten. Nikodimos Ajioritis, den ich
fchon oben anführte, will nun diefe Darftellungsweife
als die einzigberechtigteangefehen wiffen undGedeon
berichtet aus derfelben Zeit, nämlich dem Ende des
vorigen Jahrhunderts, dafs die Synode verboten habe,
die Dreieinigkeit in abendländifcher Weife abzubilden
{Diataxeis etc. I, 263). Höchft wahrfcheinlich ift hiemit
das bekannte Dreieck oder der dreifache Kreis gemeint,
den Verf. in einer Handfchr. des 15. Jahrh. gefunden
hat (S. 171).

Der Verf. geht nun mit grofser Genauigkeit und
Anfchaulichkeit nach verfchiedenen Gefichtspunkten die
gefundenen Miniaturen durch. Die Befchreibung ift dabei
eine fo treffende, dafs ich darnach einige einft von
mir durchgepaufte Bilder wieder erkennen konnte. Das
Gefammturtheil über die Miniaturen wird endlich dahin
zufammengefafst, dafs das 10. Jahrhundert, als die Zeit,
in der die Mönche nach dem Athos erft zufammen-
ftrömten, noch vielfache Verfchiedenheit in der Malweife
zeigt. ,Das n. und 12. Jahrhundert bezeichnen den
Höhepunkt der Kunft: Einheitlichkeit der Gefammtan-
fchauungen, Freude an Bildern und Farbenpracht zeichnen
die Werke diefer Zeit aus und machen die Betrachtung
der beftgelungenen unter ihnen noch heutigentags zu
einem wirklichen Genufs' (S. 239).

Im vierten und letzten Abfchnitt hören wir von der
Kunft der neueren Zeit. Diefelbe fucht fich in den alten
Formen zu halten, doch gelingt das wohl nur der Bau-
kunft. Die Kunft unferes Jahrhunderts bietet im Ganzen
eine fehr zufammengefetztes Bild dar. Denn die Stell-

| ung der heutigen Kunft auf dem Athos ift eine fchwierige.
i Auf der einen Seite Rufsland, auf der andern das Abend-
i land, beide den Mönchen an Kunft überlegen. Und
1 dennoch wollen diefe von den Nachbarn aus kirchlichen
j oder politifchen Gründen fich nicht gern beeinfluffen
laffen. Hoffen wir wie der Verfaffer, dafs der chriftliche
Orient durch Wiedererwerb des alten Erbes und durch
Verwerthung deffen, was die fortgefchrittene europäifche
Welt ihm bietet, zu neuem Leben gelangen möge
(S. 263).

Der reichhaltige Anhang des Werks enthält Literaturangaben
, Darftellungen von Cyklen alter Wandmalereien,
ein überfichtliches chronologifches Verzeichnifs der Kunft-
werke des Athos, endlich 31 Lichtdrucke und Litho-

I graphien, die theils Bauwerke, theils Bilderanordnungen
in den Kirchen, theils Miniaturen darftellen. Befonders
inftructiv find die an zweiter Stelle genannten Darftellungen
; fie ermöglichen es, dafs man fich leichter in die

j doch fehr complicirte Weife, die Bilder in den Kirchen
anzuordnen, hineinfindet. Bemerkenswerth ift für Theologen
auch die 26. Tafel, die nach einer Miniatur den
h. Symeon auf der Säule darfteilt. Diefe ift hier nicht
höher als etwa 4 Meter gedacht, während nach der
Ueberlieferung der Mann doch wohl 36 Ellen hoch ge-
ftanden haben foll. Auch fehlt es der Säule auf dem
Bilde nicht an künftlerifcher Ausftattung und an einem
netten Geländer.

Eine gefchmackvolle Karte der Athoshalbinfel mit
einer Nebenkarte von Chalcidice und einer Anficht vom
Athoskegel von Pantokratoros aus ift dem Werke vorgeheftet
.

Das Buch ift trefflich ausgeftattet, wie man es fonft
meiftens leider nur bei franzöfifchen oder englifchen
Büchern der Art fieht. Doch erfcheint es mir unpraktifch,
dafs das Buch cartonnirt ausgeben ift, daher keinen
reellen Einband mehr geftattet, ohne dafs man Gefahr
läuft, von dem Buchbinder den breiten Rand abge-
fchnitten zu bekommen.

Erichsburg. Ph. Meyer.

Luther und Emser. Ihre Streitfchriften aus dem Jahre
1521, hrsg. von Ludwig Enders. I. und II. Bd.
(Neudrucke deutfcher Litteraturwerke des XVI. und
XVII. Jahrhunderts. Nr. 83/84, u. 96/98.) Halle a/S.,
Niemeyer, 1889 u.91. (VIII, 152 u. XII, 221 S.8.) M.3. —

Jeder, der fich mit Luther quellenmäfsig befchäftigt,
weifs, wie nothwendig ihm das Studium der Gegen-
fchriften ift, aber auch, wie fchwer überall da, wo man

' nicht in der glücklichen Lage ift, an ganz reich ausgestatteten
Bibliotheken zu fitzen, die Befchaffung diefer
Literatur ift. Luther's Schriften find, mindeftens in den
Sammelausgaben feiner Werke, überall zugänglich; die
feiner literarifchen Gegner, weil nie gefammelt, gehören
zu den Seltenheiten. Wohl hat Walch in Bd.XVIlI feiner
Lutherausgabe manche Schrift aus dem katholifchen
Lager den Streitfchriften Luthers eingereiht, aber feine
Sammlung ift nicht nur ganz unvollständig, fondern auch
durch die oft mangelhafte Verdeutfchung der lateinifch
gefchriebenen nur ein unzulänglicher Erfatz für die Originale
. Von katholifcher Seite ift bisher auffallend wenig
gefchehen, um diefe Literatur uns näher zu rücken,
wie man ja auch die biographifche Bearbeitung der
katholifchen Gegner Luther's überwiegend der pro-
teftantifchen Forfchung überlaffen hatte. Auch Emfer's
Schriften gehören zu den Seltenheiten. Aus feinem
Schriftenwechfel mit Luther hat Walch nur das erste
Stück, den Brief an Joh. Zack vom 13. Auguft 1519,
aufgenommen (XVIII 1479fr.), den man lateinifch auch
in der Wittenberger, Jenenfer und Erlanger Ausgabe,
fowie bei Löfcher abgedruckt findet. Seine 2. Schrift

I A venatione Luteriana kann man bei Löfcher nachlefen;