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Ausgabe:

1892

Spalte:

642-643

Autor/Hrsg.:

Saalfeld, G. A.

Titel/Untertitel:

De bibliorum sacrorum Uulgatae editionis graecitate 1892

Rezensent:

Gebhardt, Oscar

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er in eins verbunden, obgleich dabei das Unvereinbare j
unvermittelt zu einem unvorstellbaren widerspruchsvollen
Ganzen zufammengezwungen worden ift. Sp. empfindet
dies wohl; aber was er S. 33—58 gegenüber dem Pfingft-
bericht zur Erklärung diefer unbegreiflichen Schriftftellerei
Sagt, ift fo wenig eine Ehrenrettung des R, als wenn er
ihm betreffs feiner Mofaik 4, 32—5, 16 das Zeugnifs ausstellt
: ,dafs R die Berichte hätte beffer gruppiren können,
unterliegt keinem Zweifel' und beifügt: .übrigens werden
uns feine Ungeschicklichkeiten um fo entfchuldbarer erscheinen
, als Sie uns ermöglichen, die von ihm zusammengearbeiteten
Quellen wieder von einander zu fcheiden'.
Diefe Scheidung erhebt Sich meines Erachtens an keinem
einzigen Punkt über die blofse Möglichkeit, hinterläfst
aber an vielen Stellen den Eindruck von durch die fub-
jectivften Stilempfindungen, fowie oft genug durch nicht
genügend eindringende Exegefe eingegebener Willkür.
Damit z. B. die Bekehrungsgefchichte des Paulus in Cap.
22 und 26 von A, in Cap. 9 von B Stammen kann, mufs,
wo beide Relationen übereinstimmen, R bald in Cap. 9.
Züge aus A, bald in Cap. 22 u. 26 Züge aus B hineingearbeitet
haben. Für die Art der Beweisführung ein
Beifpiel. Zu II, 22—26, was in B auf II, 18 gefolgt
fein foll, wird gefagt (S. 129): ,Dafs v. 22 in der jetzt
vorliegenden G eftalt von R zum Zweck des Anfchluffes j
an v. 19—21 bearbeitet ift, ift felbftverftändlich (?). Von j
feiner Hand Stammt natürlich (!) j)xovOd")] xtX. bis avrmv.
Aufserdem aber ift tcoq 4vxioyüag refp. duXd-elv iwg
'4vr. offenbar (?) aus v. ig{. zugefetzt. Auf die Hand des
R weift aufserdem v. 24 wohl mit Ausnahme der Anfangsworte
: 'im i]v ävrjQ dyairog. Diefe Bezeichnung, welche
dem in v. 23 gezeichneten Verhalten des Barnabas, fowie
dem in 9, 27 entfpricht, erfcheint dem R einer geistlichen
Ergänzung bedürftig, und deshalb fügt er die 6, 5 dem
Stephanus gegebene Charakteristik hinzu. Die Worte
endlich: xal jiQoGsriürj oyXog ixavdg T(p xvq'uo, welche
von einem Erfolg der Thätigkeit des Barnabas (analog
der gemeinfamen mit Saulus v. 26) berichten follen, find
fehr ungefchickt, da v. 23 von einer Verkündigung des
Evangeliums an zu Bekehrende gar nicht die Rede ge-
wefen ift'u. f. w. — Mit welchem Subjectivismus bei diefer
gegenüber Act. 1—12 beinahe zum Sport gewordenen
Suche nach Quellen vorgegangen wird, beweift am beften
die Beurtheilung, welche die Aufstellungen von B. Weifs
und Feine feitens Sp.'s häufig erfahren. Was jene dem
R, weift diefer als urfprünglichft der Quelle, was jene als
zweifellos zur Quelle gehörig erwiefen hatten, fpricht
Sp. mit derfelben Sicherheit dem R zu. Bei einer nach
folcher Methode geübten literarifchen Kritik fpinnen wir
Penelopegefpinnfte. Ich bin an keinem Punkte von der
Exiftenz zufammenhängender fchriftlicher Quellen in
Cap. 1—12 durch Sp. überzeugt worden. Die zwei Strömungen
, die er in den Quellen A und B hypoftafirt, find
freilich da; jene ift die Sich durchfriftende gefchichtliche
Erinnerung, diefe die darüber wuchernde legendenartige
Ueberlieferung, wobei die Möglichkeit nicht ausgefchloffen
ift, dafs die eine oder andere Epifode fchon vor Ab-
faffung der AG aus irgend einem Anlafs mag Schriftlich
verfafst und fo dem Verf. der AG zugegangen fein.
Dafs es ihm, wo ihm beide Strömungen zufloffen, nicht
überall gelungen ift, aus beiden ein völlig einheitliches
Bild herauszugeftalten, dafs er manchmal die Identität
in beiden Relationen nicht mehr erkannte (dafs in den
beiden Reifen 11,276". 15, 1 ff. dies der Fall fei, hat Sp.
Sehr plaufibel gemacht), liegt in der Natur der Sache, kann
aber nimmermehr erweifen, dafs beide Strömungen ihm in
fchriftlicher Fixirung zugegangen waren. Uebrigens
mufs die Exegefe erft noch viel mehr Sorgfalt, als
dies bisher geschehen ift, auf die AG wenden, ehe man
mit völliger Sicherheit behaupten kann, dafs diefe da oder
dort ein unvorstellbares, ein Sich felbft widerfprechendes
Bild zeichne. Von der Pfingfterzählung z. B. ift mir die
Berechtigung zu folchem Urtheil noch fehr zweifelhaft.

Dafs aber Schwierigkeiten oder Umständlichkeiten auch
andere Erklärungen zulaffen, dafür genügt es, auf den
Ausgangspunkt Spitta's 1, 1—11 zu weifen, wo der Verf.
einfach eine ihm neuzugekommene mündliche Relation
über die letzte Erfcheinung des Herrn mit der von ihm
felbft am Schlufs feines Evangeliums fixirten in Einklang
zu bringen, aufserdem eine brennende Tagesfrage, die
für feine Zwecke noch befonders bedeutfam war, (v. 6f.)
authentifch in Klarheit zu fetzen hatte. Darin Scheint
mir denn das Hauptverdienft der Bearbeitung von Cap.
1—12 durch Sp. zu liegen, dafs er die Exegefe auf von
ihr noch nicht genügend erwogene, gefchweige gehobene
cruces aufmerkfam gemacht, und dafs er zum richtigeren
Verftändnifs des Textes nicht feiten werthvolle Beiträge
geliefert hat. Seine Quellenhypothefe aber halte ich für
völlig verunglückt, und diefelbe beklage ich um fo mehr,
als Sie Sp. abgehalten hat, über die in Cap. 13—28 zu
Grunde liegende Wirquelle, ihren Zweck und ihren Charakter
, weitere und eingehendere Forfchungen anzuftellen,
die Reden in Cap. 1 —12 mit denen in Cap. 13—28 zu
vergleichen, und endlich dem Zweck, den der Verf. bei
Abfaffung von Act. verfolgte, nachzufpüren. Letzteres
hätte ihn für die eigenthümliche Compofiition von Cap.
1—12 und für die Einfchaltungen in Cap. 13—28 auf viel
durchfichtigere Urfachen geführt, als es die vermeintlichen
zwei Quellen find, für deren Entstehung irgend
eine Veranlaffung aus ihrer Geftalt nicht zu erkennen ift.

Berlin. von Soden.

Saalfeld, Gymn.-überlehr. Dr. G. A., De bibliorum
sacrorum Uulgatae editionis graecitate. Quedlinburg,
Vieweg, 1891. (XVI, 180 S. gr. 8.) M.7~5o.

Je feltener heutzutage bei den Theologen das philo-
logifche Intereffe im Vordergrunde fleht, um fo freudiger
mufs man es begrüfsen, wenn Philologen von
Fach ihre Kenntnifse in den Dienft der Bibelforfchung
Stellen. Von diefer Empfindung durchdrungen, übernahm
ich es gern, das vorliegende Buch in der Theol. Lit.-Ztg.
zur Anzeige zu bringen, als mir nur erft der Titel des-
felben bekannt war. Zwar konnte ich mir danach von
dem Inhalte keine deutliche Vorftellung machen. Ich erwartete
eine Abhandlung über den Einflufs, welchen die
griechifche Vorlage auf den lateinifchen Ueberfetzer geübt
, etwa in der Art wie bei Rönfch, Itala und Vulgata,
in dem Abfchnitt ,Gräcismen:, nur noch eingehender
unterfucht und weiter ausgeführt. In diefer Erwartung
fah ich mich, als das Buch in meine Hände gelangt war,
getäufcht. Was der Verfaffer des ,Tensaurus Italo-
graecus' uns unter dem vorstehenden Titel bietet, ift
nichts mehr und nichts weniger als eine Concordanz
aller in der Ueberfetzung des Hieronymus vorkommenden
Wörter, welche dem Griechifchen entlehnt find.
Während aber unfere biblifchen Concordanzen fo angeordnet
zu fein pflegen, dafs für die Gruppirung innerhalb
der alphabetifch aneinander gereihten Wörter die
Folge der biblifchen Bücher, in welchen Sie vorkommen,
mafsgebend ift, find hier die Bibelftellen zu jeder gram-
matifchen Form befonders zufammengeftellt, und zwar,
ohne Scheidung zwifchen Altem und Neuem Testamente,
nach der alphabetifchen Reihenfolge der Büchertitel
(vgl. z. B. ,Angeli Gen. 19, 15 — Hebr. 2,9 — Luc.
2, 15 — Matth. 4, 11—13, 39 — 1. Petr. 1, 12 — 2.Petr.
2, 11'). Innerhalb der einzelnen Formen find bei häufiger
vorkommenden Wörtern noch Gruppen gebildet
(vgl. z. B. die Verbindungen von Angeli mit,Adorate',
mit ,Benedicite', mit ,Laudate', mit ,in caelo', mit ,eorum'
u. f. w.): eine Anordnung, deren Nutzen dadurch para-
lyfirt wird, dafs man fich jedesmal umfchauen mufs, ob
nicht Aehnliches in Verbindung mit anderen gramma-
tifchen Formen wiederkehrt (fo ift z. B. die Verbindung
von Angelus mit ,Domini' unter Angelus, Angeli.

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