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Ausgabe:

1892 Nr. 26

Spalte:

639-642

Autor/Hrsg.:

Spitta, Friedrich

Titel/Untertitel:

Die Apostelgeschichte, ihre Quellen und deren geschichtlicher Wert 1892

Rezensent:

Soden, Hermann

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639

Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 26.

640

S. 295 ff. = ZDPV. V, S. 367 ff und dazu Adler, Bau-
kunft von Jerufalem im (Berliner) Centralblatt der Bauverwaltung
1884, Nr. 5); wie der oder kohl die Augen,
fo foll der fchwarze Asphaltmörtel das Ausfehen der
weifsen Steine verfchönern.

Leipzig. H. Guthe.

Spitta, Friedr., Die Apostelgeschichte, ihre Quellen und deren
geschichtlicher Wert. Halle a/S., Buchh. d. Waifen-
haufes, 1891. (XI, 380 S. gr. 8.) M. 8.—

,Die AG befteht aus zwei Quellenfchriften A und B,
welche zu einem Werke zufammengearbeitet find'. ,Von
den 40 Nummern der Quelle A und den 32 von B find
nicht weniger als 24 Parallelabfchnitte'. Während A zu-
fammenhängend und mit frifcher Naturfarbe erzählt, bietet
B ,mehr den Niederfchlag der volksthümlichen Tradition
über die Zeiten der Apoftel' in einer ,faft ununterbrochenen
Kette von Wundern, deren manche bis an die Grenze
des Abfurden gehen', trägt ,vielfach die Kennzeichen der
„gemachten" Gefchichte an fich' in Parallelberichten für
Petrus und Paulus und in Bildern und Gegenbildern für
die gefchichtlichen Situationen der Zeit. Bei der Ver-
theilung des Stoffs auf diefe beiden Quellenfchriften trägt
in Cap. 1—12 und 15 B, in Cap. 13—28 (excl. 15) Aden
Löwenantheil davon. Werthvoll ift ficher Sp.'s Verfuch,
in Cap. 13—28 die Stücke des vermeintlichen B auszu-
löfen, für den, der, wie Recenfent, mit Sp. der Meinung
ift, dafsin diefen paulinifchen Reifeberichten eine von einem
intermittirenden Reifegenoffen des Pls, verfafste Skizze
der Miffionsreifen des Paulus den Haupttheil bildet, in
welchem die fogenannten Wirftücke nur Epifoden find,
dafs uns alfo hier eine Gefchichtsquelle allererften Rangs
aufbehalten ift, und dafs der Verf. von Act. diefen Bericht
mit der peinlichften Pietät behandelt und unverkürzt
feinem Buch einverleibt hat. Ob die Ausfcheidung Spitta's
überall ganz glücklich ift, bleibt Nebenfache, genug, dafs
fie aufs Neue auf Grund genauer Detailunterfuchung verbucht
ift. Vielleicht ift in diefem Punkt allmählich ein
Confenfus zu erzielen. Richtig erfcheint mir die Ausfcheidung
von 13, 6b—13». 14, 8—20. 27. 15, 1—33. 16,
4f. 23°—34. 36. 18,4bf. I9b. 19, ib—7. iob—20. 23—41.
22, 30—23, 10. 28, 17—28, nicht ftichhaltig die Gründe
dafür, dafs in 16,20—23*. 17, 1—9 und in 21, 1—2Öa (wenn
man v. 8f. 25 ausfcheidet) eine zweite Quelle hineinverarbeitet
fei; dagegen ift mir die Zugehörigkeit von 13,
14°—49 zur Quelle, wo Sp. nur v. 42, 50h ausfcheidet,
fehr zweifelhaft, und 14, 22f. fcheint mir fo ficher wie
14, 27 (Sp.), weiterhin auch 17, 2b— 3, nicht aber 5—9
eingefchaltet, 14, 1—7, wo Sp. nur v. 3 ausfcheidet, und
18, 12—17 mindeftens überarbeitet, 18, 24—28, was Sp. |
durch Ausfcheidung von v. 25 retten zu können meint,
in Wahrheit aber feiner Pointe beraubt, fo gut wie 19, ib—7
fremden Urfprungs; vor allem aber ift Sp. die Rettung
der Reden in Athen und Milet, fo wenig als die der Rede
in Antiochia gelungen, und wie fie, fo wird auch der Ab-
fchnitt 21, 27—28, 32 bei gründlicherer Unterfuchung
neben den von Sp. nicht widerlegten Bedenken wegen
der Analogien mit dem Procefsjefu und der Doubletten
der Verhandlungen vor Felix und Feftus noch manche
Anhaltspunkte geben, die auf Einfchaltungen in die Quelle
weifen. Gefchicktund m.E. erfolgreich ift die Vertheidigung
der Gefchichtlichkeit der in den A zugewiefenen Ab-
fchnitten berichteten Miffionsmethode und perfönlichen
Stellung des Pls. gegenüber dem Judenthum, fowie der
darin fkizzirten gefchichtlichen Data überhaupt gegen die
auch noch von Holtzmann, Weizfäcker, Pfleiderer in ver-
fchiedenem Mafse feftgehaltenen Bedenken. — Um fo
weniger ift es Sp. gelungen, in den ausgefchiedenen
Stücken diefes paulinifchen Theils der AG nachzuweifen,
dafs fie dem Verf. von AG fchriftlich fixirt vorgelegen
haben müffen; oder gar, dafs fie einer zufammenhängen- [

den Quellfchrift angehören. War dies der Fall, fo hat
entweder der Verf. diefe Quelle in faft brutaler Weife zertrümmert
, um nur kleine Splitter aus ihr aufzunehmen,
oder fie war unglaublich zufammenhangslos und lückenhaft.
Mit beiden Annahmen fetzt fich Sp. aber in unverföhnlichen
Widerfpruch mit feinen Ergebnifsen aus der Unterfuchung
von Cap. 1—12 und 15. Den nachgewiefenen Thatbeftand
erklärt nicht nur völlig genügend, fondern viel beffer die
Vorftellung, dafs der Verf. von AG in jenen Quellbericht
gelegentlich locale Ueberlieferungen eingefchaltet, Farben
aus dem Bild feiner eigenen Zeit aufgetragen und vor
allem an den entfcheidenden Punkten Redecompofitionen
eingefügt hat, welche nach der Weife der Alten feinen
fchriftftellerifchen Zwecken dienen follten, fo die Rede
vor Juden in Antiochia, die vor Heiden in Athen, die vor
Chriften in Milet, und die Reden vor der römifchen Behörde
in einem Theil von Cap. 23—-26. Die S. 291—312 hauptfächlich
mit Mitteln aus Cap. 13—28 gegebene Charak-
terifirung der Unterfchiede diefer Quellfchrift (Sp.'s A) von
den in jenen Einfchaltungen zu Tage tretenden Anfchau-
ungen des Verf.'s der AG (nach Spitta's Meinung der Quellfchrift
B) gehört zu den werthvollften Stücken des Buchs.

Ganz anders mufs leider das Urtheil über die Behandlung
von Cap. 1 —12 u. 15 lauten. Gegenüber der Menge
von Ereignifsen, mit denen die erften 10—15 Jahre der
jüdifchen Chriftenheit ausgefüllt gewefen fein müffen, follen
zwei ganz unabhängig von einander, aus ganz verfchiedenen
Kreifen heraus und in verfchiedenen Epochen fchreibende
Chriften faft durchweg auf die nämlichen dürftigen Einzelerinnerungen
fich befchränkt haben: nach Sp. fchliefsen
beide an den Bericht der Himmelfahrt eine Erinnerung an
das Ende des Judas, A in Verbindung mit der Gefchichte
von der Ergänzung der Zwölfe, und den Bericht über
die erfte Geiftesausgiefsung und deren Eindruck, knüpfen
daran eine ganz ähnlich entworfene Schilderung des
Gemeindelebens und der Apoftelwunder, daran eine Gefangennehmung
, dort des Petrus, hier der Zwölfe, mit
Synedriumsverhandlung und Freilaffung, daran die Gefchichte
des Stephanus und der allgemeinen Chriftenver-
folgung, daran, nachdem B noch die Bekehrung des Paulus,
die Wirkfamkeit des Philippus und den Verkehr des
Petrus mit Cornelius eingefchaltet hat, die Gemeinde-
I gründung in Antiochien und, nachdem wiederum B den
Mord des Jacobus, die Errettung des Petrus und den
Tod des Herodes eingefügt hat, die Reife des Paulus
und Barnabas nach Jerufalem. Das ift ein literarifches
Wunder. Aber noch wunderbarer ift, dafs die parallelen
Berichte in beiden Schriften fo gefchrieben find, dafs fie
der Verf. der AG Gefchichte um Gefchichte ohne grofse
Mühe ineinanderfchieben konnte, und dabei ein lefer-
liches Ganzes erzielte. So gehört in dem Abfchnitt 2, 41
—5, 42 nach Sp. 2, 41 f. 45—47 A, 2, 43 B, 3,1— 4, 33-
S, I2b—14 A, 4, 36-5, I2a. 5, 15—47 B an; in Cap. 2
gehört v. 1—3. 5 f. 9 f. B, v. 12—40 A, der Reft B an; in
der Stephanusgefchichte befteht A aus 6, 1—6. 9—I2a.
7, 2—54. 57—58-. 8,1 f., B aus 6, 8. I2b—15. 7,1. 55 f.
58b—60. 8, 1. 3. Die Himmelfahrtsgefchichte Luc. 24,
50—53 ift A, diejenige Act. 1, 4—14 ift B entnommen;
in I, 15—26 (A) ift aus B 1, 18 f eingefügt. Der R hat
nicht viel mehr geleiftet, als wenn die Wärterin die
zwei Händlein eines Kindes mit feinen je 5 Fingern in
einander zu legen verfucht. Immerhin ift fein Gefchick in
Mofaikarbeit bewundernswerth. Aber während er manchmal
corrigirt und aus dem Eigenen beifügt, um ein Bild
vorftellbar zu machen, hat er gelegentlich auch mit rein
mechanifcher Arbeit fich begnügt, obgleich dabei, nach
Sp.'s Urtheil, Ungefchicktes, Ungefüges, Unvorftellbares,
Widerfprechendes herauskam. Die zwei Himmelfahrtsberichte
, die zwei Berichte der Jerufalemsreife des Paulus
und Barnabas (11, 27 —30. 12, 25 einer- und 15, 1—4. 13—33
andererfeits) hat er harmlos nebeneinandergeftellt; die
nachSp. nicht minder unvereinbaren, ja jeder Berührung
entbehrenden Berichte über die Geiftesausgiefsung hat