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Ausgabe:

1892

Spalte:

609-612

Autor/Hrsg.:

Schürer, Emil

Titel/Untertitel:

Griechische Fragmente des Buches Henoch, des Evangeliums Petri und der Apokalypse Petri 1892

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Kiel.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 25. 10. December 1892. 17. Jahrgang.

Memoires publids par les membres de la Mission
archeologique francaise an Caire, tome IXm=,
I" fascicule (Schürer).

Harnack, Bruchflücke des Evangeliums und
der Apokalypfe des Petrus (Schürer).

Bibliothek, keilinfchriftliche, hrsg. von Schräder
, 3. Bd. 1. Hälfte (Budde).

Kloftermann (Erich), De libri Coheleth ver-

sione Alexandrina (Neftle).
Wendland, Philos Schrift über die Vorfehung

(Bruns).

Uhlhorn, Das Leben Jehl in feinen neueren

Darftellungen (Baldenfperger).
Neudrucke deutfcher Litteraturwerke des XVI. u.

Le Roy, Le Gallicanisme au XVIII« siecle,
La France et Rome de 1700 ä 1715 (Reufch).

Lobstein, Etudes christologiques, Le bilan
dogmatique de l'orthodoxie regnante (Kaftan).

Smend, Feierstunden (Baffermann).
Ger lach, Ift uns das Alte Teflaruent noch

XVII. Jahrh. Nr. 92-94 (Kauffmann). Gottes Wort? (Staerk).

Griechische Fragmente des Buches Henoch,
des Evangeliums Petri und der Apokalypse Petri.

Memoires publies par les membres de la mis-
sion archeologique francaise au Caire sous la
Direction de M. U. Bouriant. Tome IXme, ier fascicule
: J. Baillet, Le papyrus mathematique d'Akhmim.
U. Bouriant, Fragments du text grec du livre d'Enoch
et de quelques ecrits attribu^s ä Saint Pierre. Paris,
Leroux, 1892. (II, 147 p. gr. 4.)

Die Gräber Aegyptens, welche in den letzten Jahren
der klaffifchen Philologie fo reiche Schätze geliefert
haben, beginnen auch für die chriftliche Theologie zu
reden. In der oben genannten Publikation der franzöfi-
fchen Miffion archeologique in Kairo werden uns umfangreiche
griechifche Fragmente von drei Schriften geboten,
welche in der alten Kirche vielfach gelefen und hoch-
gefchätzt worden find, welche aber für uns theils ganz
verfchollen, theils nur in einer äthiopifchen Ueberfetzung
erhalten waren. Letzteres gilt vom Buch Henoch,
erfteres vom Evangelium und der Apokalypfe des
Petrus.

Die Handfchrift welche diefe Schätze birgt, ift
fchon im Winter 1886/87 in einem chriftlichen Grabe
in Akhmim, dem alten Panopolis, in Oberägypten gefunden
worden, aber von den franzöfifchen Gelehrten,
in deren Hände fie kam, erft ganz kürzlich publicirt
worden infolge von fäcJieux retards sur lesquels il est
inutile de s'etendre. Es ift eine Pergament-Handfchrift
von dreiunddreifsig Blättern, 15 Centimeter hoch und
12 Centimeter breit. Ueber ihr Alter wagt der Herausgeber
Ü. Bouriant keine nähere Beftimmung als die,
dafs fie nicht früher als im achten und nicht fpäter als
im zwölften Jahrhundert gefchrieben fei. Ein Facfimile,
welches vielleicht eine genauere Altersbeftimmung ermöglichen
würde, wird nicht gegeben. Der Herausgeber
hat die Handfchrift paginirt (66 Seiten). Die erfte Seite
wird ganz eingenommen durch eine Zeichnung, welche
ein koptifches Kreuz darfteilt. Auf S. 2—10 folgt ein
grofses Fragment des Evangeliums Petri, S. 11—12
find leer gelaffen, S. 13—19 enthalten ein grofses Stück,
wahrfcheinlich aus der Apokalypfe des Petrus, S. 20
ift wieder leer, S. 21—66 enthalten die erften 32 Capitel
desBuches Henoch (nachDillmannsCapitel-Eintheilung),
von zwei verfchiedenen Händen gefchrieben (Cap. 1—14
von anderer Hand als Cap. 15— 32)> weshalb der Herausgeber
von zwei .Fragmenten' fpricht, obwohl im Text
zwifchen dem erften und zweiten .Fragment' fich keine
Lücke befindet. Die Schrift der pfcudo-petrinifchen Stücke
ift plus cursive que celle des fragments d'ttnoch. Augen-

fcheinlich haben jene pfeudopetrinifchen Stücke dem
Schreiber nur als Fragmente vorgelegen, da fonft kein
Grund erfichtlich ift, weshalb er fie nur ftückweife abge-
fchrieben haben follte. Bouriant giebt zuerft den Text
des Henoch, dann den der pfeudopetrinifchen Schriften,
erfteren in diplomatifch genauer Nachbildung der Handfchrift
(mit Beibehaltung der Zeilen-Abtheilung der Handfchrift
und aller orthographifchen Fehler), letzteren in
fortlaufendem Text, ohne die Zeilen-Abtheilung der
Handfchrift bemerklich zu machen.

Von dem griechifchen Text des Buches Henoch
waren uns bisher nur einige Stücke bei Georgius Syncel-
lus erhalten (ed. Dindorf I, 20—23 und 42—47), aufser-
dem ein kleines mit tachygraphifchen Noten gefchrie-
benes Stück in einem codex Vaticanus (f. meine Gefch.
des jüd. Volkes II, 617). Die Stücke bei Syncellus um-
faffen Cap. 6, 1—10, 14 und 15, 8 bis 16, I, d. h. etwa
3' t Seiten von Dillmanns deutfchem Texte. Das neu
entdeckte grofse Stück umfafst dagegen Cap. 1—32 faft
ohne Lücken, d. h. 16 Seiten nach Dillmanns Text. Es
ift dies freilich nur etwa ein Fünftel des Ganzen, aber
doch faft das fünffache deffen, was uns bisher vom griechifchen
Texte bekannt war. Die kleine Lücke, welche
der jetzige griechifche Text aufweift, ift dadurch entftan-
den, dafs das Auge von dem Satze am Anfang des 3. Ca-
pitels auf den gleichartigen Satz am Anfang des 5. Capitels
abirrte, fo dafs die beiden kleinen Capitel 3—4 fehlen.
Statt deffen bietet die Handfchrift ein anderes Stück doppelt
, nämlich Cap. 20, 2—21, 9. Diefes Stück fteht nicht
nur im Zufammenhang des Textes an feiner richtigen
Stelle, fondern auch auf den beiden erften Seiten, auf
welchen in der Handfchrift der Text des Henoch beginnt,
vor dem eigentlichen Anfang des Buches (S. 21 bis 23
lin. 8.) — Zu bedauern ift, dafs uns nicht ftatt der erften
32 Capitel Stücke aus den fpäteren Abfchnitten des
Buches erhalten find, die in mancher Hinficht von gröfse-
rem Intereffe wären, etwa von den Bilderreden, in welchen
der Meffias als Menfchenfohn vorkommt (Cap. 37—71),
oder von der grofsen hiftorifchen Vifion, welche die Ge-
fchichte Israels bis auf die Makkabäerzeit herabführt
(Cap. 85—90). Immerhin ift das Gebotene eine werth-
volie Bereicherung unferer Ueberlieferung in Betreff eines
Buches, welches für die alte Kirche von grofser Bedeutung
gewefen ift. Inwiefern durch die Auffindung des
griechifchen Textes das Einzelverftändnifs gewinnt, kann
erft eine genauere Unterfuchung lehren. Vorläufig tritt
eine Thatfache bofonders ftark hervor: die grofse Freiheit
, mit welcher der Text von den Abfchreibern behandelt
worden ift. Der Text des Syncellus und der
Text der neuen Handfchrift ftellen zwei vollftändig ver-
fchiedene Recenfionen dar, in welchen kaum ein Satz

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