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Ausgabe:

1892 Nr. 23

Spalte:

568-570

Autor/Hrsg.:

Thomassin, Ch.

Titel/Untertitel:

Louis de Thomassin, der grosse Theologe Frankreichs 1892

Rezensent:

Reusch, Franz Heinrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 23.

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Thomas und in der Darfteilung feines Interpreten zu
fuchen. Andererfeits bietet Letzterer mehr, als man nach
dem Titel erwarten follte, nämlich eine Skizze auch
folcher Momente der thomiftifchen Kosmologie, auf
welche fich der äfthetifche Gefichtspunkt kaum erftreckt.
Hauptfächlich führt Molsdorf freilich aus, wie fich
die mittelbar der Antike entlehnte Art, das Weltbild
vom äfthetifchen Gefichtspunkte aus zu geftalten, bei
Thomas darftellt, und zwar führt ihn das Hauptmoment
des thomiftifchen Begriffs vom Schönen (debita pro-
portio sive consonantia) zu den Gedanken des Scholafti-
kers über das bonum ordinis, deffen Vorausfetzung
wiederum die multiplicitas et varietas der Dinge bildet,
weiterhin aber auf die beiden Thätigkeiten der ordinatio
(Feftfetzung der Ordnung) und der executio ordinis (Ausführung
derfelben), die (ich beide einmal auf die materielle
, fodann auf die immaterielle Welt beziehen. In
dem Capitel über die ordinatio kommt aber auch das
Verhältnifs des Uebels zu derfelben, in dem über die
executio ordinis auch das Verhältnifs der Willensfreiheit
zu diefer in Betracht.

In der gut gefchriebenen Abhandlung wird man
nichts Wefentliches von dem vermiffen, was Thomas
felbft über den vorliegenden Gegenftand gefagt hat. Da
dies aber fachlich nicht neu war, fondern eine nur hin-
fichtlich der dialektifchen Behandlung und der Einfügung
in's eigene Syftem eigenthümliche Reproduction von Gedanken
Auguftin's, fo hätte der Verf. nach Anficht
des Ref. ausführlicher auf die betreffenden Ausführungen
diefes Kirchenvaters in deffen Schrift de ordine und anderen
, ferner auf Plotin's Schrift jcsqi vorjxov xäXXovg
(Enn. 5, 8) eingehen follen. Dadurch würde feine Dififer-
tation an Intereffe noch gewonnen haben.

Kiel. F. Nitzfeh.

Mejer, Dr. Otto, Zum Kirchenrechte des Reformationsjahrhunderts
. Drei Abhandlungen. Hannover, C. Meyer,
1891. (III, 210 S. gr. 8). M. 5. —

Unter vorftehendem Titel bringt der Herr Verfaffer
drei verfchiedene Abhandlungen, die fich fämmtlich mit
der Reformationszeit befchäftigen. Die erfte: , Anfänge
des Wittenberger Confiftoriums', bietet die Wiederholung
bez. Ueberarbeitung eines 1876 in der Zeitfchrift für
Kirchenrecht, Bd. 13 unter gleichem Titel erfchienenen
Auffatzes, wobei Verf. die feitdem erfchienenen Publi-
cationen eingehend berückfichtigt und manches Neue
hinzugefügt hat. Die zweite Abhandlung befchäftigt fich
mit der Errichtung des Confiftoriums zu Roitock, das
der Plerr Verf. infofern als das ältefte des evangelifchen
Deutfchlands bezeichnet, als es noch heute nach der im
März 1571 ihm ertheilten Ordnung arbeite und trotz
aller im Laufe der Zeit ftattgefundenen Modificationen
noch jetzt in Gcftalt und Einrichtungen die urfprüng-
lichen Züge erkennen laffe. Endlich die dritte Abhandlung
: ,Zur Gefchichte des älteften proteftantifchen Eherechtes
, insbefondere der Ehefcheidungsfrage' reproducirt
einen bereits früher in der Zeitfchrift für Kirchenrecht,
Bd. 16, S. 35 ff. erfchienenen Auffatz in erheblich veränderter
und erweiterter Geftalt.

Kiel. Frantz.

1. Bäumer, P. Suitbert, O. S. B., Johannes Mabillon. Ein

Lebens- und Literaturbild aus dem XVII. und XVIII.
Jahrhundert. Augsburg, Literarifches Inftitut von Dr.
M. Huttier, 1892. (XI, 270 S. m. Bildnifs. gr. 8.)
M. 3. 50.

2. Kukula, Dr. Rieh. C, Die Mauriner Ausgabe des Augustinus.

Ein Beitrag zur Gefchichte der Literatur und der
Kirche im Zeitalter Ludwigs XIV. II. Theil. [Aus:

,Sitzungsberichte d. k. Akad. d. Wiff. in Wien'.] Wien,
[Tempsky], 1890. (66 S. gr. 8.) M. 1. 30.

3. Rottmanner, P. Odilo, O. S. B., Bibliographische Nachträge
zu Dr. Richard C. Kukulas Abhandlung: ,Die Mauriner
Ausgabe des Augustinus'. [Aus: Sitzungsberichte
d. k. Akad. d. Wiff. in Wien'.] Wien, [Tempsky], 1891.
(12 S. gr. 8.) M. —. 30.

4. Thomassin, Ch., Louis de Thomassin, der grofse Theologe
Frankreichs, feine Verföhnungsverfuche in den
Zeiten des Gallikanismus und Janfenismus und feine
Werke, (Vetus et nova ecclesiae diseiplina. — Dog-
mata. — Traites. — La methode. — Glossarium universale
Hebraicum — etc. etc. —) Zum erftenmal
umfaffend dargeftellt. Mit dem Bilde des Gelehrten
und einem Anhange: Berühmte Männer aus dem Haufe
Thomaffin. München, Seyberth, 1892. (67 S. gr. 8.)
M. 1. 20.

1. Die Monographie über Mabillon ift eine fleifsige
und dankenswerthe Arbeit. Der Verfaffer hat fich theil-
weife an das Buch von E, de Broglie (Th. L.-Z. 1888,
524) angefchloffen; er hat aber mit Recht einiges, was
diefer weitläufig behandelt, weggelaffen oder nur kurz
berührt und dafür namentlich die literarifche Thätigkeit
Mabillons auf dem theologifchen Gebiete, die bei Broglie
ganz ungenügend befprochen ift, ausführlich und durchweg
gut behandelt, die Reife nach Deutfchland und
Italien und den Streit mit Rance vielleicht etwas zu ausführlich
. Er hat dabei die S. VI—IX verzeichnete Literatur
, auch Handfchriften der Parifer Nationalbibliothek
fleifsig und gefchickt benutzt. (Nach S. V foll der Brief-
wechfel der Mauriner auf Kotten des franzöfifchen Unter-
richtsminifteriums möglichft vollftändig publicirt werden,
was aber wohl noch einige Jahre dauern wird.) Dafs das
ganze Buch den Eindruck einer Lobrede auf M. macht,
ift nicht zu tadeln; er war einer der gröfsten Gelehrten

I und achtbarften und liebenswürdigften Männer Frankreichs
in feiner Zeit. An einigen Stellen verfällt aber

I B. etwas zu fehr in den erbaulichen Ton einer Biogra-

1 phie eines Heiligen. Das einzige, was er an M. tadelt,
— m. E. mit Unrecht — ift feine geringe Meinung von

! der damaligen Scholaftik und Cafuiftik, worin er fich den
janfeniftifchen Anfchauungen annähere (S. 209). Von dem

i Janfenismus' fpricht B. wiederholt, im Allgemeinen ver-

" ftändig, aber in fehr häfslicher Weife S. 6, wo er den
Janfeniften vorwirft, fie hätten der Jugend geftattet, ,fo
lange die fiegreiche Gnade noch nicht gekommen wäre',

i den Lüften und Laftern zu fröhnen. Ganz richtig be-

j merkt er S. 52: ,Ueberhaupt ift eine ganz objective und
unparteiifche, auf gewiffenhaftefter Ausnützung der beider-
feitigen Quellen beruhende Gefchichte der janfeniftifchen
Streitigkeiten noch zu fchreiben. Denn wenn jemand

j ftrengeren Moralfätzen huldigte und eine Vorliebe für
das kirchliche Alterthum an den Tag legte, fo lief er

j bei gewiffen Leuten fchon Gefahr, für einen Janfeniften
angefehen zu werden'. B. fpricht felbft diefen Leuten
nach, wenn er S. 211 die Bifchöfe Choifeul, Guy de Seve
de Rochechouart und Neeriaffel als Janfeniften bezeichnet
. — Bei der Befprechung des Gallicanismus (S.
164) hätte B. fich beffere Führer wählen follen als den
Jefuiten Renward Bauer und Onno Klopp. Wenn es
einerfeits zu viel gefagt ift, dafs ,die Mauriner fich in
Gallicanismus verirrten' (S. 136), fo ift es andererfeits
thöricht, in einigen Phrafen in einer Dedication an
Alexander VIII. einen .Hinweis auf die lehramtliche
Unfehlbarkeit' zu finden. (Auch der Ausdruck, M. habe
,die Gnade des heiligen römifchen Glaubens über alles
hochgefchätzt', S. 242, ift fehr ungefchickt.) — Einige
Digreffionen über den Benedictinerorden und feine Con-
gregationen,über das Commendenwefen, über Ludwig XIV.