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Ausgabe:

1892

Spalte:

561-562

Autor/Hrsg.:

Bacher, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Agada der palästinensischen Amoräer. 1. Bd.: Vom Abschluß der Mischna bis zum Tode Jochanans 1892

Rezensent:

Schürer, Emil

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Kiel.

Erfcheint . Preis

alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 23. I2- November 1892. 17. Jahrgang.

Bacher, Die Agada der paläftinenfifchen Arno-

räer, I. Bd. (Schürer).
Macpherson, Commentary on St. Paul's epistle

to the Ephesians (H. Holtzmann).
'AväXexta lepoaoXvfiiTix^i ara/yoloylaq IxS.

vnb IIcmadoTtovXov-Kepautwq, T. I (Meyer).
Molsdorf, Die Idee des Schönen in der Welt-

geftaltung bei Thomas von Aquino (Nitzfeh).

Mejer, Zum Kirchenrechte des Reformations-

jahrhuuderts (Erantz).
Bäum er, Johannes Mabillon (Reufch).
Kukula, Die Mauriner Ausgabe des Auguftinus,

2. Theil (Derf.).
Rottmanner, Bibliographifche Nachträge zu

Kukula's Abhandlung: Die Mauriner Ausgabe

des Auguftinus (Derf.).
Thomaffin, Louis de Thomafifin (Derf.).

llaumgarten, Prof. Dr. theol. Michael, hrsg.
von Studt (Eck).

Hilty, Glück, 3. Aufl. (Lindenberg).

Laemmer, Inftitutionen des katholifchen Kirchenrechts
, 2. Aufl. (Frantz).

Warneck, Evangelifche Mifflonslehre, I. Abtlg.
(Wurm).

Roi, de le, Die evangelifche Chriftenheit und die
Juden, 2. u. 3. Bd. (Kühn).

Bacher. Prof. Dr. Wilh., Die Agada der palästinensischen Sehr dankenswerth ifl, dafs fchon diefem erflen Bande

Amoräer. i. Bd.: Vom Abfchlufs der Mifchna bis zum
Tode Jochanans. (220 bis 279 nach der gew. Zeitrechnung
.) Strafsburg i/E., Trübner Verl., 1892. (XVI,
587 S. gr. 8.) M. 10. —

Diefes Werk bildet die Fortfetzung zu dem früheren
Werke desfelben Verfaffers: Die Agada der Tannai-
ten, 2 Bde. 1884—1890 (f. Theol. Litztg. 1885, 105; 1891,
117). Die Tannaiten find die jüdifchen Schriftgelehrten
bis zum Abfchlufs der Mifchna um 200 n. Chr. Die
,Amoräer' find deren Nachfolger bis zum Abfchlufs der
beiden Talmude. Nachdem Bacher die Agada der baby-
lonifchen Amoräer fchon früher behandelt hatte (1878,
f. Theol. Litztg. 1879, 49)i iß es nun feine Abficht, diefe

ein Namen- und Sachregifter beigegeben ift, da ,die
beiden anderen vielleicht erft nach geraumer Zeit werden
folgen können'. Wer es durchblättert, wird leicht fehen,
wie zahlreich hier die Stoffe vertreten find, die auch für
den chriftlichen Theologen unmittelbares Intereffe haben.
Der Verf. ift aber vermöge feiner erfchöpfenden Sach-
kenntnifs wie vermöge der Gründlichkeit und Genauigkeit
der Darfteilung ein Führer, dem man vertrauensvoll
wird folgen dürfen.

Ungefähr gleichzeitig mit diefem Buche erfchien von
Bacher auch ein werthvoller Auffatz über den Ur-
fprung des Wortes Haggada (Agada) in: The Jewisli
Quarterly Review vol. IV, 1892, p. 406—429. Da diefe
Zeitfchrift in Deutfchland noch wenig verbreitet ift, wird

Studien zum Abfchlufs zu bringen durch eine umfaffende I es nicht unwillkommen fein, wenn ich den Inhalt hier

Darfteilung der Agada der paläftinenfifchen Amoräer.
Das Werk ift auf drei Bände berechnet. Der vorliegende
erde geht vom Anfang bis gegen Ende des dritten
Jahrhunderts n. Chr.

Der Plan, nach welchem Bacher feinen Stoff bearbeitet
hat, ift derfelbe wie bei der ,Agada der Tannaiten'.
Ausgefchloffen ift auch jetzt die grofse Maffe der anonymen
Haggada. Bacher ftellt nur diejenigen haggadi-
fchen Aussprüche und Lehren zufammen, deren Urheber
mit Namen genannt werden. Pur jeden Autor fammelt
er fämmtliche von ihm uberlieferte haggadifche Aus-
fprüche und ordnet das Ganze chronologifch nach der
Reihenfolge der Autoren. Er hofft, durch diefe Anordnung
eine Grundlage zu fchaffen für eine künftige umfaffende
Gefchichte der Haggada.

In 15 Capiteln werden im Ganzen 16 paläftinenfifche
Amoräer behandelt (im 3. Capitel die beiden Söhne
Chija's). Der meide Raum id dem R. Jochanan gewidmet
(S. 205—339), dem bedeutendden und einflufs-
reichden Schulhaupte Palädina's, .deffen beherrfchende
Gedalt nicht blofs feine Zeitgenoffen, fondern auch die
folgenden Amoräergefchlechter des heil. Landes überragt
' (S. 205). Der Stoff ill hier nach folgenden Rubriken
geordnet (die ich angebe, weil auch bei den anderen
Amoräern, wie fchon bei den Tannaiten, die Anordnung
mutatis mutandis diefelbe id): 1. Sentenzen und Sprüche.
2. Das Studium der Lehre. 3. Das Gebet. Die Gebote.
4. Israel. Heidenthum. Rom. Götzendiend. Polemifches.
Profelyten. 5. Die heilige Schrift. Schriftliche und mündliche
Lehre. Normen. Etymologifches. Halachifche Exe-
gefe. 6. Exegetifches. 7. Zu den biblifchen Perfonen und
Erzählungen. 8. Homiletifches. 9. Zum Hohenliede und
den Klageliedern. Proömien. Gleichnifse. Gruppenfätze.
10. Gott und Welt. n. Meffianifches. Efchatologifches.
12. Pfeudepigraphifches.

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kurz mittheile. Bacher geht davon aus, dafs in den
älteden Midrafchvverken, nämlich in Mechilta (zu Exodus)
und Sifre (zu Numeri) "pari fehr häufig als Synonymum
von Tab gebraucht wird. ' hinan flB ,die Schrift lehrt'
oder gewöhnlich blofs Tätt ,fie lehrt' dient zur Einführung
einer Folgerung aus einer Schriftdelle, und zwar
fowohl bei halachifchen als bei nicht-halachifchen Erörterungen
(S. 416—419). Dagegen fchon im Sifra (zu
Leviticus) wird T^M3 nicht mehr gebraucht; es id jetzt
ganz durch das gleichbedeutende TQbtt verdrängt (S. 422).
Erderes gehört alfo einem älteren Sprachgebrauche an,
der in der Schule Ismael's noch beibehalten, in der Schule
Akiba's aber verlaffen id (S. 424). Dagegen wird jetzt
das Subdantiv rTTAn mit Einfchränkung auf die nicht-
halachifchen Erklärungen gebraucht (S. 424—427). Hiernach
id alfo ,Haggada' jede nicht-halachifche ,Lehre', die
aus einer Schriftdelle gezogen wird. Was die Orthographie
betrifft, fo find die Schreibungen Haggada und
Aggada (nicht Agada) beide gleichberechtigt; erderes id
babylonifch, letzteres palädinenfifch, wie überhaupt im
palädinenfifchen Dialect die Form nb»Sn häufig durch
die Form SrbjJEK erfetzt wird (S. 429). —'Die Abhandlung
zeigt wieder einmal, welche werthvollen und zugleich
ficheren Auffchlüffe uns die jüdifchen Gelehrten geben
könnten, wenn fie alle fich der exaeten Methode des
Verfaffers bedienen wollten. Aber Gelehrte diefer Art
find noch rarae aves. Beiläufig nur noch die Bemerkung,
dafs der Verf. wohl gut gethan hätte, die von ihm felbd
verworfene Form ,Agada' (PnJSt) auch aus dem Titel
feines Buches zu entfernen. Eine falfche Form wird auch
durch ein altes Herkommen nicht geheiligt.

Kiel. E. Schür er.