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Ausgabe:

1892 Nr. 22

Spalte:

546-547

Autor/Hrsg.:

Duncker, H.

Titel/Untertitel:

Anhalt‘s Bekenntnisstand während der Vereinigung der Fürstentümer unter Joachim Ernst und Johann Georg 1892

Rezensent:

Köhler, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 22.

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die älteren Ausgaben Schritt für Schritt zu vergleichen
oder auch nur den Otto'fchen Commentar forgfältig
durchzuarbeiten. Wo Otto flüchtig gewefen ift und dadurch
Fufsangeln legt, ftrauchelt auch S. So hat 1622 Otto
gjöts als feine Conjectur bezeichnet, während doch fchon
Gesner bemerkt: pro coq legendum puto coöze (p. 137 zu
p. 1724). Dechair hat das richtig angegeben und Paul hat
die Aenderung aufgenommen. 3019 hat Otto als feine
Conjectur vorgetragen: xal ezi (pro zo) zovzov dövva-
zcozeqov (seil. IvöuiGEv) pezastsloat. Gesner kurz: zo malim
ext (p. 145 zu 2923); vgl. auch Dechair. 443 ift kv bereits
von Gesner eingefetzt, was Otto freilich verfchweigt.
18 10 ift S. etwas Ergötzliches pafflrt. Er fchreibt: ,Xöycp
Ducacus, Xoyoq A'. Xoycp flammt aber bereits von H.
Stephanus (p. 195 zu 192), wie auch Otto richtig angiebt.
Allein um das zu finden, hätte S. die ganze 11 Zeilen
lange Anmerkung bei Otto durchlefen müffen, deren Anfang
lautet ,coq Xöyco elstslv] sie recte Ducaeus edidit'.
Gerechte Anerkennung des Verdienftes der Früheren würde
hier um fo weniger eigenen Ruhm verdunkelt haben, als
noch genug Stellen übrig bleiben, an denen S. und v. Wilamowitz
den Text gebelfert oder wo iie doch wenigftens
auf Schäden aufmerkfam gemacht haben. Von der Er-
kenntnifs aus, dafs der Text der legatio hervorragend
fchlecht überliefert ift, wird in der neuen Ausgabe von
Conjecturalkritik reichlich Gebrauch gemacht. Vieles ift
ftichhaltig, nicht Weniges geiftvoll, aber auch Manches
bedenklich.

Bei der Verwandtfchaft des behandelten Stoffes, der
fleh ja in dem oder jenem Zufammenhang bei allen
Apologeten, fowie bei Clemens Alexandr. und Origenes
wiederfindet, müfsten die Parallelftellen möglichft voll-
ftändig herangezogen und für die Textkritik verwendet
werden. Das fcheint mir nicht in ausreichendem Mafse
gefchehen zu fein. Auch hier mufs ich mich mit wenigen
Beifpielqn begnügen. P. I18 ftreicht S. öcpsiq als
Gloffe zu aömöaq ftatt mit Arethas davor ein xal einzu-
fetzen. Allein die Reihe a'iXovgoq, xooxöÖEiXoq, öcpiq ift
durch Clem. Alex., Protr. $ 39 (p. 34 Potter) feftgelegt;
für öqpic neben döxlq ift zu vgl. Pf. 584. Clem. Alex., Protr.
105 (p. 83). Auch Aristides, Apol. 12 (p. 46. 108 bei
Harris) und Orig., Contr. Cels. IV 54 find zu beachten.
39 hat v. Wilamowitz eine Lücke nach xexoivcövnxe angedeutet
und elorjvrjq ergänzt. Für xoivcovelv c. dat. vgl.
Rö 1527. 1 Tim. 522. iPetr. 413. 2 Joh. Ii; dazu Winer,
Gramm, d. neuteft. Sprachidioms 7 § 30, 8. 1717 fcheint mir
die Nothwendigkeit der Aenderung von ätoi zu ald-lgi
nicht erwiefen. Zwar fchreibt auch Ariftoteles in ähnlichem
Zufammenhange aid-toa (bei Aiitius, de placit.
philosoph. II 7 5). Aber auch da fchwanken die Hff. zwi-
fchen al&toa und dtga (Diels, Doxogr. Graeci p. 336,
vgl. praef. p. 35) und wie die Citate aus Athamas und
Empedocles (bei Clemens Alex., Str. VI2 17 [p. 746]) lehren,
gebrauchte man beide Worte abwechfelnd. Auch die genauere
Beachtung biblifcher Parallelen — deren Notirung i
fehr viel zu wünfehen übrig läfst — hätte hier und da |
geholfen. So p. 1610 sq., wo Rö 921 und Hebr. 1110 benutzt
find. Andererfeits würde manche Conjectur an
Sicherheit dadurch gewonnen haben. So 13 17. A fchreibt
hier vstvcoi xal daväxcoi diövuäove. Homer hat (II. 19672)
vjtvco xal llaväxop öiöv/moGi. Wik vermuthet vnvoq xal
{rävazoq öiövpäovs und fo fchreibt auch Clemens AI.,
Protr. 102 (p. 80). — Bedenklich fcheint mir 66 die
Aenderung von dtpa in IqocÖQa mit Streichung des folgenden
alD-tQoq, yijq. Dafs die beiden letzten Worte
ohne Grund unter den Tifch fallen, ift doch wohl ein
Zeichen für eine unberechtigte Aenderung. Am fchlimm-
ften ift c. 8 davongekommen. Die von S. und Wik eingeklammerten
Sätze find aber, wie die Dispofition des
Cap. lehrt, theils nicht zu entbehren, theils jedenfalls zu
vertheidigen. io7 ift dvrptöovq trotzp. 36 10 nicht glücklich;
dvorjzovq^ ift freilich auch nicht zu brauchen. Vielleicht
ift z. 1. aövvEzovq (wie Bio Chrysost., or. II [1 37 25 Din-

dorf|). 159 ift 'Exzooa kaum zu entbehren; denn die
Verfchiedenheit der Götter bei den einzelnen Stämmen
foll nachgewiefen werden. Ich breche hier ab. Es kam
mir nur darauf an, zu zeigen, wo fich die Conjecturalkritik
Anhaltspunkte und Fingerzeige verfchaffen kann,
und dafs S. fich darum nicht hinreichend bemüht hat.

Die Einleitung fchleppt auf 17 V2 Seiten eine Collation
von Hff. mit fich, deren Werthlofigkeit im Vorhergehenden
deutlich genug auseinandergefetzt wird (p. Vllsq.). S. giebt
als Grund dafür fein Wohlwollen mit den honwies artis
criticae male periti an, denen dadurch ein richtiges Ur-
theil ermöglicht werden foll. Ob das als Erklärungsgrund
ausreicht, mag dahingeftellt bleiben, wenn auch
die armen Kritikafter S. auf jeden Fall zu Dank verpflichtet
fein müffen.

Das Regifter ift dankenswerth und erfetzt in vielen
Fällen für den, der es zu gebrauchen verlieht, einen
Commentar. Aber es hat dadurch nicht gewonnen, dafs
in den indices nominum et rernm einzelne Capitel angebracht
find, in denen man erft herumfuchen mufs. Der
Index Graecus berückfichtigt den platonifchen Sprachgebrauch
nicht hinreichend. Athenagoras war durchaus
Platoniker(Harnack, RE21 749. Man fei, DChrB. 1 205 k
S. praef. I), und das zeigt auch fein Stil. Aus S.'s Index
läfst fich das aber kaum erkennen und die — im übrigen
werthvolle — Zufammenftellung 87 erfetzt den
Mangel nicht. Auch fonft fcheinen die Belege nicht
überall glücklich gewählt. So wäre z. B. unter d{rs6zrjq
ftatt des nichtsfagenden philonifchen Gemeinplatzes zum
minderten Bio Cass. LXVII 142 zu vergleichen gewefen
(weiteres Material ift zu finden bei L.Lange, Expositio etc.
in Illgen's hiftor. theolog. Abhdlgg. 2. Denkfchrift (1819)
127 ff. A. Rechenberg, Exercitationcs in NT., hist.
ecel. et liter. (1707) 287sqq. Kortholdt, de obtrectat.
pagan. adv. Christ, c. IIX p. 57sqq. Bingham, Origines
12$). Dafs die testimonia fehlen, ift ebenfalls kein Vorzug.
Die Scholien hat O. v. Gebhardt bereits früher in genauem
Abdruck veröffentlicht (T. u. U. 1 3 186 ff.).

Die von Lindner angebrachte §§-Eintheilung aufzunehmen
, würde nicht gefchadet haben. Ebenfo wäre es
gut gewefen, wenn der Wunfeh Hefele's zu Otto's Athe-
nagorasausgabe (ThQS 1858, 148), dafs die Capitelzahl bei
den Seitenüberfchriften angegeben werden möchte, hier
Berückfichtigung gefunden hätte. Da S. nur abfetzt, wo
der Sinn einen Abfatz verlangt, find die Capitelzahlen
nicht feiten im Texte verdeckt, und es koftet jedesmal
ein ärgerliches Suchen, um fie herauszufinden. Dem hätte
eine kurze Angabe in den Ueberfchriften einfach abgeholfen
.

Berlin, 13.8.92. Erwin Preufchen.

Duncker, Confift.-R. Dr. H., Anhalt's Bekenntnisstand
während' der Vereinigung der Fürstentümer unter Joachim
Ernst und Johann Georg (1570—1606). Nachwort.
Deffau, Baumann, 1892. (59 S. gr. 8.) M. 1._

Duncker's Schrift ,Anhalt's Bekenntnisftand' (angezeigt
in Nr. 13 der Theol. Lit.-Ztg. d. J.) hat in dem
Anhalter Heimathlande von gewiffer Seite lebhaften
Widerfpruch erfahren. Der Verf. fleht fich dadurch ver-
anlafst, den Gegenftand nochmals aufzunehmen, wobei
er die anfänglich eingehaltene Zeitgrenze (1606) theilweife
überfchreitet und auch fpätere Vorgänge, bis in's 18. Jahrhundert
, in die Erörterung hereinzieht. Der Gegner, mit
dem er fich auseinander zu fetzen hat, ift ein in Anhalt,
wie es fcheint, als Specialität vorfindlicher reformirter
Confeffionalismus, unter allen den -ismen, mit welchen
wir heimgefucht find, vielleicht der wunderlichfte. Ohne
in's Einzelne der Unterfuchung einzugehen, mufs dem
Verf. vom Standpunkte unbefangener Gefchichtsforfchung
bezeugt werden, dafs es ihm gelungen ift, feine Auf-
faffung überzeugend zu begründen und zu rechtfertigen.