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Ausgabe:

1892

Spalte:

529-531

Autor/Hrsg.:

Pank, Oskar

Titel/Untertitel:

Das Evangelium Matthäi, in Predigten und Homilien ausgelegt. 2. Hälfte 1892

Rezensent:

Wächtler, August

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529 Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 2t. 530

er mit der abziehenden fpanifchen Befatzung aus Paris
verfchwunden war, und nach Mezeray, einem feiner Zeit-
genoffen, ein ebenfo eifriger Franzofe in Spanien, als
früher eifriger Spanier in Frankreich gewefen. Rofe hat
einen fchimpflichen Widerruf, zu dem er durch das Parlament
verurtheilt war, geleiftet; er hatte fich, wie Haferkorn
angiebt, nach Heinrich's IV. Regierungsantritt in
die Abtei Beaumont-fur-Oife geflüchtet, fich aber immer
noch heftige Ausfälle gegen Heinrich IV. erlaubt.
Feuardent und Guinceftre haben nach Haferkorn fpäter
nur für den König gewirkt, Genebrard ift vom politifchen
Schauplatz zurückgetreten, hat in Avignon fein Werk
,De sacrarnm electionum jure et necessitate1 gefchrieben
und ift als Prior zu Semur in Burgund 1597 geftorben.
Porthaife aus Gaftin ift in feinen fpäteren Lebensjahren
zu wiffenfchaftlicher Berühmtheit gelangt, wie ein an
ihn gerichteter Brief von Ifaac Cafaubonus zeigt, ebenfo
Le Petit-Feuillant, wie aus einem Briefe des nieder-
ländifchen Philologen Juftus Lipfius {Opp. omn. 1637 t.
IL P- 355) hervorgeht. Garin hat als Spanier verkleidet
fliehen wollen, ift aber auf dem Dachboden eines
Haufes entdeckt, hat um fein Leben gebeten, auch ge-
fchworen, den König in Zukunft verherrlichen zu wollen.
Diefer hat ihn begnadigt; doch ift Garin nach Haferkorn
nie wieder nach Paris zurückgekommen.

Dresden. K. Löfchhorn.

Pank, Superint. Dr. Osk., Das Evangelium Mafthäi, in
Predigten und Homilien ausgelegt. 2. Hälfte. Bremen,
C. Ed. Müller's Verl., 1891. (VIII, 447 S. gr. 8.)
M. 7.50.

Mit diefem Bande ift die homiletifche Auslegung
des Matthäusevangeliums vollftändig geworden; er enthält
44 Predigten über die Capitel 15—28. In faft noch
ausgiebigerer Weife als bei den Predigten über die 14
erftcn Capitel find die Winke und Anregungen, die das
chriftliche Kirchenjahr und das Gemeindeleben für die
Verwerthung des Textes bieten, benutzt worden. Die
Frage: menfchliche oder göttliche Gefinnung ? nach
Matth. 16, 21—28 wird am Bufstage in der Paffionszeit,
und die Frage: was fehlt mir noch? (Matth. 19, 16—26)
am Bufstage zu Ende des Kirchenjahres behandelt. Die
Jahresfeier des Vereins für innere Miffion am Abend des
Todtenfeftes giebt zu einer fruchtbaren Betrachtung von
Matth. 25, 31—46 Veranlaffung; bei einem Miffions-
gottesdienft in der Paffionszeit wird auf Grund des
Textes von der Salbung in Bethanien (26, 1—10) ,das
doppelte Urtheil über die Miffion von Seiten der Jünger
und von Seiten des Herrn' zum Thema genommen. Die
Verklärungsgefchichte, 17, 1—13, wird am Sonntage
Septuagefimä 1891 bei der Eröffnung des Diakoniffen-
haufes in Leipzig unter der Ueberfchrift behandelt: ,Aus
der Stunde der Verklärung auf die Stätten der Bewährung
'. Am Sonntage vor des Kaifers Geburtstag
werden zwei Texte (22, 15—22 und 17, 24—27) einer
Predigt über ,die beiden granitnen Säulen der Volks-
Wohlfahrt': dem Kaifer, was des Kaifers und Gott, was
Gottes ift — zu Grunde gelegt. Allerdings ift dabei die
Gefchichte von dem Stater nur als Beifpiel der ,Gottes-
fteuer' herangezogen, und zu feinem vollen Rechte kommt
diefer Text nicht.

Wenn wir fchon früher die Anwendung des Schriftwortes
als die ftärkere Seite der Predigten Pank's bezeichnet
haben, fo giebt der vorliegende Band hierfür
weitere Beweife. Die Meifterfchaft in der Anwendung
ift noch gröfser geworden; von ihr nimmt der Prediger
faft überall den Ausgangspunkt. Auch bei folchen
Texten, deren Auslegung gröfsere Schwierigkeiten bietet,
und deren verfchiedene Auslegung auch der Gemeinde
bekannt ift, läfst Pank fich nicht zu exegetifchen Aus-
einanderfetzungen verleiten, noch zu dem Nachweife,

dafs die eine oder die andere Auffaffung die richtige
fei. Ueberall führt er die Gemeinde in die Schrift hinein
und fucht ihr tiefftes Bedürfnifs zu befriedigen, dafs
fie das Schriftwort in einer für unfere Tage fruchtbaren
Weife gebrauchen lernt. Auch von derjenigen Auffaffung
, die er nicht theilt, weifs er die praktifche Spitze
hervorzuheben, fo dafs kein Zuhörer an der mageren
Befriedigung fich genügen laifen kann, er habe das
richtige Verftändnifs, andere aber nicht, fondern alle
müffen einen tiefen Eindruck von der lebendigen Kraft
des Wortes bekommen. P. nimmt auch keinen Anftand,
Fragen aufzuwerfen und unbeantwortet zu laffen, wenn
dadurch die Selbftthätigkeit der Aneignung des Wortes
gefördert werden kann. Die breite Grundlage fleifsigen
und umfaffenden Schriftftudiums giebt diefer fcheinbar
leichteren Behandlung des Textes eine unanfechtbare
Fettigkeit und unwiderftehliche Kraft, fo dafs niemand
zu der müfsigen Erwägung verleitet wird, ob der Prediger
recht hat oder nicht, vielmehr alle dazu gedrängt werden,
dafs fie Gott rechtgeben. Die reiche Kenntnifs älterer
und neuerer Predigtliteratur wird nur zuweilen durch
ausdrückliche Erwähnung erkennbar gemacht und ift es
in den gedruckten Predigten durch die nicht feltenen
Anführungszeichen. Die Vergangenheit unferes Volkes,
namentlich die Reformationsgefchichte, bietet dem Prediger
eine Fülle von treffenden Beiipielen. Eigene Erfahrungen
im Amtsleben werden in muftergiltiger Weife
mitgetheilt. Aber der gröfste Vorzug ift die reiche Beziehung
auf die Gegenwart. Man merkt jeder Predigt
das offene Auge für die Bedürfnifse der Hörer an; der
Prediger fleht mitten in unferer Zeit, und was die Herzen
bewegt, berührt auch ihn. Dabei werden die Dinge des
Tages fo gefchickt zur Sprache gebracht, dafs nicht nur
jedermann verlieht, was gemeint ift, nicht etwa nur einzelne
Hörer fich an der feinen, beziehungsreichen Andeutung
ergötzen können, fondern die Erwähnung der
Tagesfragen und der Zeitfragen, der Weltbegebenheiten
und der kleinen alltäglichen Vorgänge ftört auch in
keiner Weife die Erbauung. Die Predigten verdienen
weder das Lob noch den Tadel, dafs fie ,Zeitpredigten'
wären; auch nach Jahrzehnten noch werden fie eine unmittelbare
Wirkung haben, und die Lefer werden dann
wie heute eine heilfame Anregung und fruchtbare Anleitung
empfangen, ihr Leben und ihre Zeit im Lichte
der Wahrheit des Evangeliums zu betrachten. Bei dem
Gleichnifs von den Arbeitern im Weinberg z. B. werden
zwei Arbeiterfragen behandelt: die Arbeitsfrage,
warum fteht ihr den ganzen Tag müfsig? und die Lohnfrage
, fiehft du darum fcheel, dafs ich fo gütig bin? —
eine recht einfeitige Behandlung des Textes, und doch
in der Predigt keine Beeinträchtigung des evangelifchen
Vollgehalts und für die Gemeinde die allerwichtigfte
Handreichung zum Verftändnifs unferer Zeit wie der
Schrift. Auf die Reichstagswahl am 20. Februar 1890
wird fchon Wochen vorher, in der erwähnten Kaifer-
geburtstagspredigt, hingewiefen, und der Sturz Emin
Pafcha's vom Balcon in Zanzibar wird am Sonntag nach
dem Eintreffen der Nachricht mit eindringlichem Ernft
in der Adventspredigt erwähnt.

Dafs die Auslegung manchmal zu kurz kommt,
wollen wir auch diesmal um fo weniger verfchweigen,
als der Titel ausdrücklich davon redet. Am ehelten bemerkbar
ift diefer Mangel da, wo gröfsere Abfchnitte
in Homilienform behandelt werden, und dabei doch eine
Einheit im Thema ausgefprochen wird, die wieder durch
Aneinanderreihung vieler Theile geftützt werden foll.
Hin und wieder fällt auch ein vor andern wichtiges
Wort bei diefer Art der Auslegung ganz aus; fo wird
z. B. Matth. 18, 20 gar nicht einmal erwähnt. Indeffen
ift das ein geringer Fehler bei einer Auslegung, die der
Gemeinde unferer Tage das Evangelium fo gewinnend
nahebringt und dabei nicht verfäumt, zuzufchlagen und
zu treffen. An Pank's Predigten mögen die Gemeinde-