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Ausgabe:

1892 Nr. 21

Spalte:

527-529

Autor/Hrsg.:

Haferkorn, Max

Titel/Untertitel:

Die Hauptprediger der Ligue in den französischen Religionskroiegen 1576-1594 1892

Rezensent:

Löschhorn, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 21.

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S. 431 Büchfenfteine wären zu erklären. Zu Bifchof und
Bader (S. 483): Heunifch führt an: Heut'Bifchof, morgen
Bader, und als Wort eines Fürften nach einem unglücklichen
Krieg: Wir wollten Bifchof werden, fo find wir
Bader geworden. S. 485. Ihre Abenteuer (!) beftehen = ihre
Verantwortung tragen. S. 521: Das Haupt kratzen ift nicht
eigentlich Kopfzerbrechen, fondern hinter den Ohren
kratzen. S. 122 dürfte ftatt wehrhaftig währhaftig zu
fchreiben fein, denn das Wort kommt nicht vom wehren,
fondern währen = dauern, wie richtig erklärt ift. In
meinen Einleitungen zu den drei Bauernfchriften hätte
ich auf Köftlin's und Kolde's Lutherbiographien als
Quellen verweifen follen.

Nabern bei Kirchheim u/Teck. G. Boffert.

Haferkorn, Dr. Max, Die Hauptprediger der Ligue in den
französischen Religionskriegen 1576—1594. Programm
des Wettiner Gymnafiums zu Dresden. Dresden, 1892.
(Leipzig, Fock.) (33 S. gr. 4.) M. —.90.

Der Verf. verfetzt uns in der vorliegenden, auf Grund
quellenmäfsigerUnterfuchungen fehrfleifsig und gründlich
gearbeiteten Abhandlung mitten auf den Schauplatz der
für die Kirchengefchichte fo wichtigen franzöfifchen
Religionskriege von Heinrich's III. Thronbefteigung bis
zum Einzüge Heinrich's IV. in Paris. Aus der Profan-
gefchichte ift hinlänglich bekannt, dafs die Schwäche
des Königs Heinrich III., namentlich feine Milde gegen
die Auflehnungen der Proteftanten in Frankreich grofse
Unzufriedenheit erzeugt und 1576 zur Gründung der Ligue
unter Heinrich von Guife geführt hat.

Die Haferkorn'fche Abhandlung zerfällt in zwei Theile,
von denen der erfte S. 3—8 umfafst. Der Verf. führt
uns zunächft die Gründe vor, warum die Saat der refor-
matorifchen Beftrebungen des Mittelalters, die in Frankreich
fchon recht früh aufgegangen war, fchliefslich
unter dem Könige Franz I., fowie insbefondere unter
Heinrich IL, Franz II., Karl IX. und Heinrich III. erftickt
wurde. In Bezug auf Franz I. läfst der Verf. fowohl die
Anficht von Ranke, Franzöf. Gefch. Band 1, Buch 3,
S. 115, als auch die von de Meaux, Les luttes religieuses
en France au seizieme siede p. 37 neben einander beliehen
. Nach Ranke foll Franz I. nur wegen der grofsen
politifchen Bedrängnifs, in die er in den fpäteren Jahren
feiner Regierung gerathen war, die Sache der Reformirten
verlaffen haben; de Meaux meint, dafs der König in
Folge der öffentlichen Angriffe der Reformirten auf die
heiligften Lehren der katholifchen Religion fich allmählich
von erfteren abgewandt habe.

Den Haupttheil der Arbeit bilden S. 8—33, wo der
Verf. beftändig auf die vorzügliche Arbeit von Charles
Labitte: ,De la democratie chez les predicateurs de la
Ligue. These pour le doctorat presentee a la Faculte des
lettres de Paris1, 1841 Bezug nimmt. Da diefe Schrift
faft alles enthält, was fich über die Thätigkeit der
Liguiftenprediger ergründen läfst, erklärt es fich von
felbft, dafs die Arbeit von Haferkorn im ganzen nur als
eine gefchickte Wiedergabe oder Verarbeitung der Abhandlung
von Labitte zu betrachten ift; fie hat aber
dennoch grofsenWerth für dieKirchengefchichte,
weil die letztgenannte Schrift bisher fo gut wie unbekannt
war und überhaupt, wie der Verf. S. 8 treffend hervorhebt
, der überaus mächtige, alles leitende Einflufs der
Ligueprediger Boucher, des fogenannten Königs der
Ligue in ihrer erften Zeit, Rofe, Guinceftre, Pigenat,
Aubry, Launay, Feuardent, Genebrard, Garin, Porthaife,
Le Petit-Feuillant u. a., fowie deren letzte Lebensfchick-
fale nach dem Einzüge des Königs Heinrich IV. in 1
Paris bisher felbft von bedeutenden Darftellern diefer
Zeit nicht genügend gewürdigt find. Aufser Labitte's
überaus gewiffenhafter Abhandlung find von Haferkorn
namentlich Lenient, La satire en France; de Meaux, Les

luttes religieuses en France au seiziemc siede; Darme-
steter et Hatzfeld, Le seizieme siede en France; Lestoile,
Journal de Henri III, edit. Champollion 1839 und Journal
de Henri IV., von deutfehen Werken felbftredend Ranke,
Franzöf. Gefch. und die römifchen Päpfte und Herrmann,
Frankreichs Religions- und Bürgerkriege im 16. Jahrhundert
, auch von fonftigen, damit im Zufammenhange
flehenden Schriften De Thou, Hist. sui temp. und die berühmte
Satire Menippie, edit. de Ratisbonne 1726 zu Rathe
gezogen. Die Gefammtthätigkeit der Ligueprediger bezeichnet
der Verf. S. 9 fehr richtig als eine durchweg
politifche, ja er beweift, dafs ihr Streben nur darauf gerichtet
war, die Kirchen zu politifchen Clubs zu machen,
um auf diefe Weife das Volk zur Uebertragung der
franzöfifchen Königskrone an Spanien anzufeuern. Namentlich
intereffiren uns die Reden der beiden Hauptprediger
der Ligue, des Boucher und des Rofe. Erfterer
ift 1580 Rector der Univerfität und 1581 Pfarrer von
St. Benoit geworden, letzterer war ftändiger Prediger
Heinrich's III. und fpäter Bifchof von Senlis. Auch von
den weniger einflufsreichen Liguiftenpredigern giebt uns
Haferkorn — und gerade diefer Umftand verleiht
der Schrift für deutfehe evangelifche Theologen
ganz befonderen Reiz — die Hauptdaten über Leben,
Studiengang, öffentliches Auftreten und letzte Schickfale;
er charakterifirt auch eingehend die von Heinrich von
Guife gegen die Thronbefteigung Heinrich's von Navarra
1585 geftiftete, im Solde Spaniens flehende Ligue der
,Sechzehn' und den von Karl, Herzog von Mayenne,
in Paris in's Leben gerufenen ,Rath der Vierzig', beide
Bünde gegen den König felbft gerichtet. Nun traten
Boucher, Rofe Aubry, Pfarrer von Saint Andre des Ares
Pigenat, Pfarrer von Saint Nicolas u. a. mit unglaublicher
Anmafsung gegen Heinrich III. auf. Aubry veranlafste
Pierre Barriere zu einem Mordverfuche gegen den König,
Feuardent forderte in feiner Theomachia calvinistica
ganz unverblümt die Ermordung desfelben. S. 16 fchreibt
der Verf. fehr treffend die That des überfpannten Dominikaners
Jacques Clement dem Einfluffe der Ligueprediger
zu.

Wichtig ift auch, dafs Haferkorn S. 17 verfchiedene,
fehr wenig bekannte Flugfchriften aus diefer Zeit anführt
, fo die fchamlofe ,Reponse du P. Dom Bernard a une
Lettre qtee lui a escrite Henri de Valois,1, 1589, in der
Heinrich III. mit der Hölle bedroht und aller feiner
Rechte für verluftig erklärt wird, die ebenfo feindfelige
des Genebrard, Erzbifchof von Aix, bekannt als Herausgeber
des Origenes und Ueberfetzer des Jofephus, ,de
Clericis quipartieiparunt in divinis seiender et sponte cum
Henrico Valesio post Cardinalicidium assertio', 1589,
insbefondere aber die beiden Schriften von Boucher
,La vie et Faids notables de Henry de Valois tout au
long, Sans en rien requerir, ou sonl contenucs les trahisons,
perfidies, sacrileges, exaetions, cruautes et hontes de cet
hypoerite et apostat, 1589 und die noch wichtigere ,de
justa Henrici III. abdicatione', welche Haferkorn richtig
für ein wunderliches Gemifch aus Bibel, Scholaftikern,
Decretalen und zwei bedeutenden zeitgenöffifchen Schriften
über Staatsverfaffungen, nämlich aus Hotmann
,Franco-Gallia' und aus Languet , Vindiaae contra ty-
rannos1 erklärt. S. 21—30 behandeln die Verhältnifse
der Ligue in ihren letzten Zeiten von der Aufhebung
der Belagerung von Paris bis zum Einzüge Heinrich's IV.
in die Stadt. Hierbei richtet der Verf. fein Augenmerk
hauptfächlich auf Jean Garin, einen favoyardifchen Franziskaner
, der ähnlich wie Boucher als König der Ligue
bezeichnet wird, ferner auf zwei Schriften von Boucher
,Les sermons de la simulee conversion et nullite de lab-
solution de Henri de Bourbon,' ^ Paris, Chaudiere, 1594
und die ,Apologie de Jean Chätel. S. 30—33 handeln
von den fpäteren Lebensfchickfalen der Hauptprediger.
Boucher ift nach Haferkorn's Angabe vom fpanifchen
Hof zum Erzdechanten von Tournay ernannt, nachdem