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Ausgabe:

1892

Spalte:

516-517

Autor/Hrsg.:

Calvin, Johannes

Titel/Untertitel:

Calvini in Novum Testamentum commentari. Vol. I 1892

Rezensent:

Weiß, Johannes

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515 Theologifche Literaturzeitung. 1892. Mr. 21. 516

saec. XIV, Buch I—XV und das vierte Makkabäerbuch
enthaltend. Sein Text kommt für Buch XI—XV dem
des Palatinus am nächften.

3) L — Lcidensis 16 J (dies ift nach einer brieflichen
Mittheilung Niefe's an den Ref. die richtige Bezeichnung,
nicht wie prol. p. V u. LIV angegeben ift, A13), saec.
XI—XII; enthält Buch XI—XV.

4) A = Ambrosianus F 128 sup. (in den Vorbemerkungen
zu Bd. IV ift diefelbe Handfchrift mit F 128 inf.
bezeichnet; welches ift die richtige Signatur?), saec. XI,
enthält die zweite Hälfte der Antt. Ind., Buch XI—XX,
mit nur ganz geringen Lücken.

5) M (Medicaeus) = Laurentianus plut. 69 cod. IO;
enthält alle zwanzig Bücher der Antt. lud., ift aber aus
zwei ganz verfchiedenen Beftandtheilen zufammengefetzt.
Der ältere Beftandtheil, saec. XV, geht von der Mitte
des XII. Buches bis zum Schlufs. Das Uebrige, Buch
I—XII Mitte, ift von einer noch jüngeren Hand fpäter
hinzugefügt. Niefe berückfichtigt nur das von der älteren
Hand Herrührende als allein für die Textkritik in Betracht
kommend.

6) V= Vaticanus gr. 147, saec. XIV, Buch I—XV der
Antt. lud. enthaltend. Sein Text fleht dem von F am
nächften.

7) W= Vaticanus gr. 984, datirt vom J. 1354 n. Chr.
Er enthält Buch XI—XX mit zwei Lücken (einer in Buch
XIV und einer in Buch XVII), aufserdem die Epitome
der erften zehn Bücher und das Bellum Iudaicum.

Aufser diefen heben Handfchriften find zur Con-
ftituirung des Textes wie überall auch die Epitome und
der alte Lateiner herangezogen.

Die Handfchriften zerfallen in zwei Familien: PFLV
und AMW. Doch nimmt P vermöge feiner Güte eine
eximirte Stellung in der erften Claffe ein, während
andererfeits L häufig mit der zweiten Claffe geht. FLV
enthalten nur die erfte Pentade (Buch XI—XV), AMW
beide Pentaden (Buch XI—XX). Auch ihr Text geht
aber auf Handfchriften zurück, welche nur je eine Pentade
enthielten, fo dafs das Verwandtfchaftsverhältnifs für die
beiden Pentaden ein verfchiedenes ift. Die führende
Stellung von P bewährt fich auch hier. Leider fehlen
aber in ihm Buch XVIII—XX.

Wie durch die Lesarten von P der bisherige Text
nicht feiten in entfcheidender Weife geheilt ift, mag an
einigen Beifpielen gezeigt werden, die zugleich gefchicht-
lich von Intereffe find. Die Königin Alexandra heifst
im bisherigen Jofephus - Text Antt. XIII, 12, 1 XaXcö/ir].
Eufebius und die von ihm abhängigen Chroniften nennen
fie XaXlva (f. meine Gefch. des jüd. Volkes I, 229). In
diefer auffallenden Abweichung konnte man bisher eine
Stütze der Hypothefe finden, dafs das Material in
Eufebius' Chronik nicht nur auf Jofephus, fondern noch
auf eine andere jüdifche Quelle zurückgeht. Nun ftellt
fich aber heraus, dafs auch bei Jofephus zwei der beften
Handfchriften, P und F, XaXlva lefen. — Bei der Be-
fchreibung der Marfchroute des Pompejus durch das
Libanon - Gebiet nach Damaskus las man im bisherigen
Jofephus-Text XIV, 3,2: öieXd-cöv de zag nöXetg xrjv xe
'HXiojcoXlv xal xnv XaXxiöa xdl xi dtelnyov 6'poc vjteo-
ßaXcbv xrjv KolXt/v utQOGayoQevouevtjv Xvglav ccjiö rfg
IleXXng elg AapaGxov rjxev. Hiernach würde fich ergeben,
dafs Pompejus von Chalcis über Pella nach Damaskus
gezogen ift. Da dies unmöglich ift, hat man fchon bisher
Vorfchläge zur Verbefferung des Textes gemacht (f. meine
Gefch. I, 237). Das Richtige ergiebt fich aber allein aus
cod. P, welcher ftatt ctjio xrjg LTeXXr/g lieft ajtd xiqg aXXrg,
fo dafs gefagt ift, dafs Pompejus das Gebirge überfchritt,
welches Cölefyrien vom übrigen Syrien trennt. Die
Unterfcheidung von Cölefyrien und rj äXXrj Svota findet
fich auch bei Philo Legat, ad Cajum § 36, worauf Miefe
proleg. p. XXII treffend verweift. — Auch bei der weiteren
Marfchroute des Pompejus giebt cod. P, zwar nicht
das Richtige, aber doch den ficheren Hinweis auf das

Richtige. Der gewöhnliche Jofephus-Text läfst den Pompejus
Antt. XIV, 3, 3 kommen dg Ai/Xcov jtoXiv. Eine
Stadt diefes Namens ift in dortiger Gegend nicht bekannt
. Ohne Zweifel hat bereits Dindorf das Richtige gefunden
, indem er conjicirte elg Alov nöXiv, denn Dium
mufs nach dem Zufammenhang gemeint fein. Cod. P lieft
nun elg JeiXov siöXiv. Dafs Niefe dies in den Text aufgenommen
hat, ift freilich nicht zu billigen. Aber die
Güte des Codex bewährt fich doch auch hier durch feine
dem Richtigen fo nahe kommende Lesart.

Wie in diefem Falle fo fcheint mir Niefe auch fonft
zuweilen den Werth feines Hauptzeugen überfchätzt zu
haben. Für ein ficheres Beifpiel diefer Art halte ich Antt.
XIII, 15, 4, wo es nach dem richtigen Texte heifst,
dafs Alexander Jannäus Pella zerftört habe, weil die
Einwohner fich nicht dazu verftanden, die jüdifchen Gebräuche
anzunehmen (ovy vsioo^ofievcov xcöv evotxovvxcov
dg xct xäxQia zcöv lovöaicov e&v utzaßaXeGvai). Niefe

j tilgt mit cod. P das ovy, wodurch der Text meines Erachtens
finnlos wird.

Von Intereffe für die Orthographie des Namens

| Herodes ift es, dafs cod. A denfelben conftant mit
Iota subscriptum oder vielmehr, nach der Gewohnheit
der Handfchrift, adscriptum fchreibt (Hoeoiöng). Niefe
verwirft diefe Orthographie mit der Bemerkung (proleg.
p. VII): IlQcööng idem est quod IlQcbvörjg sive Hgcovöag.
Dafs dies ein Irrthum und die Schreibung mit Iota subscr.
die richtige ift, beweifen zahlreiche Infchriften. In meiner
Gefch. des jüd. Volkes I, 307 habe ich bereits auf folgende
verwiefen: die grofse Infchrift von Heraklea Corp.
Inscr. Graec. $774—5775 — Kaibel, Inscr. Graecae Sici-
liae et Italiae n. 645 lin. 15, 42, 55, 87, 89, 114, 180; ferner
Corp. Inscr. Gr. n. 1574, 3155, 4893, Add. 2197= [/. II.

p. 1028], Le Bas et Waddington Inscr. t. III. n. 3. Seitdem
habe ich mir noch folgende notirt: Dittenberger
Sylloge n. 446 lin. 12, 463 lin. 19. Corp. Inscr. Attic. II,
3 n. 1672. Bulletin de corresp. hellenique XII, 1888 p. 359.
Fränkel, Die Infchriften von Pergamon (1890) S. 140.
Da auch die Grammatiker das Iota subscr. für Ilgcodrig
fordern (Etymologicum magnum ed. Gaisford p. 437, 56),
fo fcheint es mir richtig, dafs Weftcott und Hort in ihrer

Ausgabe des Neuen Teftamentes die Schreibung Ilcimdijg

durchgeführt haben.

Kiel. E. Schürer.

Calvini, Ioannis, in Novum Testamentum commentarii. Ex

Calvini operum collectione Brunsvigensi separatim
editi. Vol. I. Harmoniae evangel. partes 1 et 2.
Braunfchweig, Schwetfchke & Sohn, 1891. (X,
1217 S. 8.) M. 6.—

Die Vorzüge der Exegefe Calvin's find fo oft ge-
priefen und erprobt worden, dafs fie als anerkannt gelten
können. Fraglich ift allerdings, wie viele Theologen
fie aus eigener Anfchauung kennen oder das allgemeine
Urtheil ftillfchweigend hinnehmen. Auf alle Fälle ift es
dankenswert!), dafs die Herausgeber der grofsen Calvin-
Ausgabe von den Commentaren eine Handausgabe ver-
anftalten. Die vorliegenden Bände, eine harmoniftifche
Erklärung der fynoptifchen Ew., Rheinen mir, foweit ich
fie bisher kenne, fich zum Minderten durch ihre
Nüchternheit und Schlichtheit auch modernen Lefern zu
empfehlen. Freilich will ich nicht mit dem Urtheil
zurückhalten, dafs gerade diefe Bände mit einer gewiffen
Vorficht zu benutzen find. DerEvangelienforfchung find
heute zwei Aufgaben geftellt, die es zu Calvin's Zeiten
noch nicht gab: die Quellenkritik und die möglichft un-
dogmatifcherealiftifch-zeitgefchichtlicheErklärung. Wegen
der erften, immer dringender werdenden Aufgabe gilt
es nicht nur, von jeder harmoniftifchen Neigung fich frei
zu machen, fondern in jedem einzelnen Punkte die Frage
nach der pfychologifchen Vermittelung der Einzel-Dar-