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Ausgabe: | 1892 Nr. 19 |
Spalte: | 476-479 |
Titel/Untertitel: | Ho en Konstantinoupolei Ellenikos Philologikos Syllogos und dessen gleichnamige Zeitschrift 1892 |
Rezensent: | Meyer, Ph. L. |
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Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 19.
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mit ihren eigenen Begriffen, ihrem kirchlichen Leben mit
feinem bunten Heer von Gebräuchen, ihrem kirchlichen
Recht mit feinen eigenthümlichen Ausdrücken kennen.
Dazu kommt, dafs fich bei Luther, was bisher noch gar
nicht beachtet ift, in Sitte und Sprache fränkifch-ober-
deutfche und fächfifch-niederdeutfche Elemente mifchen.
Viele Ausdrücke waren feinen Zeitgenoffen alsbald ver-
ftändlich, aber uns find fie fremd. Die fatyrifche Schärfe
z. B., mit der Luther Alveld gegenüber immer deffen
Angehörigkeit zum Orden der Barfüfser-Obfervanten
betont, fetzt eine Kenntnifs der Gegenfätze im Franziskanerorden
voraus. Wie viel Mühe hat es die gelehr-
teften Theologen und Germaniften gekoftet, bis Kawerau
in der Zeitfchrift für deutfche Philologie Band 24, S. 424
ff. zeigen konnte, dafs der fonderbare Ausdruck in pus
correptaid ein Schülerwitz für erebus Hölle ift, wie hat
fich Köftlin a. a. O. Mühe gegeben, den Ausdruck:
,Queckfilber in den Teich werfen' in feinem wahren Sinn
zu erfaffen! Wer weifs ohne Weiteres, was ,erarnen' in
Luther's Sprache heifst, was arbor Porphyriana in der
Schrift ,Wider das Papftthum zu Rom' bedeutet (vgl. die
Braunfchw. Ausgabe 4, 168 und die Erläuterung 481)?
Von dem unmittelbar vorausgehenden Sprüchwort: Nullus
et nemo mordent se in sacco gefteht der Bearbeiter, dafs
alle Erkundigungen bei den Gelehrten vergeblich gewefen
find. Der Sinn ift wohl: Similis sitnili gaudet oder kein
Wolf beifst den andern. APilus undÄJemo find gute Brüder,
die fich höchftens etwas zu leide thun, wenn es niemand
fleht und controliren kann. Immer wieder mufs man zu
einem Dialektwörterbuch greifen, um veraltete Ausdrücke,
wie Bötel, Lungen etc. verftehen zu können. Die Herausgeber
haben hier manchmal noch Lehrgeld bezahlen
müffen, fodafs immer wieder Berichtigungen in Nachträgen
nöthig fein werden. Denn jeder billig urtheilende
Lefer wird erkennen, wie fchwer ihre Aufgabe war.
Nehmen wir noch dazu, wie unzuverläffig die biblifchen
Citate z. B. in der Erlanger Ausgabe gegeben find, wie
nirgends die Aufgabe in Angriff genommen ift, die Citate
aus den Claffikern und Kirchenvätern nachzuweifen,
und wie ernftlich fich diefe Lutherausgabe der Aufgabe
nach beiden Richtungen unterzieht, dann darf man gewifs
fein, dafs nicht nur der Gebildete, fondern auch der
Mann der Wiffenfchaft feine Freude an diefem Werke
haben wird. Man wird ja bei einzelnen Stellen mit den
Herausgebern rechten können, wie Referent bei Be-
fprechung der einzelnen Bände an einem anderen Ort
fich bemüht hat, Beiträge zu Nachträgen zu geben. Hier
bei diefem zufammen faffenden Urtheil über die erfchie-
nenen 6 Bände mögen einige wenige Beifpiele genügen.
Band 1, X bei ,non ero melior patribus meis' dürfte
1 reg 19,4 nicht fehlen. Band 2, 267 und Band 5 S. 563
follte das Citat bei Ariftoteles nachgewiefen fein. Band 1,
154, 188 dürfte der Ausdruck ,Buben', der zu Luther's Zeit
eine unzüchtige Nebenbedeutung hatte, vgl. Bubentanz,
Bübin und den Ruf, in welchem die Curtifanen (landen,
erläutert fein. Zu Autokatakriten Band 2,S.8wäreauf S. 45
zu verweifen gewefen. Zu S. 68 möchte man bei dem
Unterfangen der Curtifanen, dem Satz Matura petit exituni
Lehrgiltigkeit zu verschaffen, einen gefchichtlichen Nachweis
wünfchen, ob etwa für das Lateranconcil etwas Derartiges
im Plane war. Band 5, S. 555 wäre Thierwefen
einfacher mit beftialifchem Zuftand zu erklären. Ebd.
S. 271 heifst verdriefslich nicht widerwillig, fondern Ver-
drufs erregend, widerwärtig. Band 6, S. 380 ift fchlechts
nicht völlig, fondern einfach (,fchlichter' Abfchied).
Der Referent weifs als ezpertus Rupertus, wie fchwer
es ift, den vielfeitigen Anforderungen, welche die Bearbeitung
von Luther's Werken macht, zu genügen, und
kann fich nur des Gebotenen freuen. Wer mit fcharfem
Auge etwas zu beffern findet, der helfe mit, unterem
Volk diefe Ausgabe in möglichft vollkommenem Gewände
darzubieten. Die Herausgeber wären z. B. dankbar für
den Fundort des Sprüchworts: Wer lügen will, der foll
I ein gutGedächtnifs haben. Luther citirt es als griechifches
i Sprüchwort, während es bis jetzt nur gelang, es bei den
Lateinern nachzuweifen. Aber es wird auch Sache der
Gelehrten fein, der mit grofser Hingebung hergeftellten
Ausgabe durch ihre Empfehlung bei den Gebildeten in
weiteften Kreifen Eingang zu fchaffen. Als Beifpiel für
die Vorzüge der Ausgabe mag ihnen die Bearbeitung des
! kleinen Katechismus von Kawerau dienen, die zu den
beften Stücken der Ausgabe gehört.
Nabern (Württb.). G. Boffert.
'O er KiuvOTavxivovnöXEi'Ekknvixöq 'Pikokoyixöq Evkkoyoq
und dessen gleichnamige Zeischrift.
Wer heute über die anatolifche Kirche fchreiben will,
kann fich nicht mehr damit begnügen, nach kirchlichen
Quellen zu arbeiten. Das griechifche Volk — das habe
ich hier befonders im Auge — ift in einer breiten oberen
Schicht durch feine höchft gebildeten und ernfthafteften
Männer aller Stände fo fehr von der modernen Bildung
j beeinflufst, und von ihnen geht, wenn auch langfam, ein
j fo nachhaltiger Einflufs auf breitere Volksfchichten aus,
dafs man bei der Schilderung der Kirche auch nicht ihre
Bezüge zum modernen Geiftesleben übergehen darf. Man
darf das um fo weniger, als die alte Verbindung der
Kirche mit dem griechifchen Culturleben nicht aufgehört
hat, fondern fich neu beginnt zu entwickeln, auch nachdem
die Cultur die moderne Form anzunehmen anfängt.
Dafs folcher Verbindung wieder auch feindliche Richtungen
, meift materialiftifcher Art, gegenüber flehen, ift
leicht zu begreifen; im Allgemeinen aber fcheint bei den
Griechen fich eine für die Zukunft bedeutfame Verbindung
zwifchen Kirche und moderner Entwicklung anzubahnen
.
Als Mittelpunkte folcher Beftrebungen, die dem Volk
die höchfte Bildung auf nationaler Grundlage in Ver-
I bindung mit der Kirche vermitteln wollen, fehe ich eine
grofse Reihe von Gefellfchaften und Vereinen an, die fich
in allen gröfseren Städten mit griechifcher Bevölkerung,
namentlich in der Türkei gebildet. Die bedeutendfte
von ihnen ift ohne Frage 0 ev KcovOzavxivovjtoXei
^EXXrivixoe, xdi <I>iXoXoyixdq EvXXoyoq, auf den ich heute
aufmerkfam machen möchte.
Für die kirchliche Stellung diefer ihrer Beftimmung
nach nicht kirchlichen Gefellfchaft führe ich als ein
äufseres Merkmal die überaus warme Begrüfsung des neu
erwählten Patriarchen Neophytos an (^ExxXrjo. 'AXr)d-. v.
15. Nov. 1891, S. 300). Ihre Bedeutung im Allgemeinen
für Kirche und Theologie will ich im Nachfolgenden
kurz ausführen.
Der Syllogos wurde gegründet im Jahre 1861 von
33 einflufsreichen griechifchen Perfönlichkeiten, Gelehrten,
Aerzten, Kaufleuten, Diplomaten und Theologen und
war bald das Vorbild einer Anzahl ähnlicher Gefellfchaften
, die fich in den gröfseren Städten der Türkei
bildeten. Die Syllogoi wurden aber die dgvcpojvoi dXtx-
xoQEq, EqEyEiQOVXsq xalh Ixäoxrjv xovq EXXr/vaq Ix xov
XrjOäoyov xnq cifictvEiaq xdi ävaipmvovvxEq JtQoq avxovq
ynrjyoQElxE. [EavirdüiovXoq, Ovvojix. ixt), x. avsvu. ävajixv-
gscoq etc. 1880. S. 85). Der Syllogos in Conftantinopel
will, wie es in feinem Kanonismos von 1861, der 1886
redivirt ift, heifst, die xcöv ynafifiäxiov xdi ßjciOxr/Hmv
| xaXXiEQ'/Eia xdi öidöooiq xaxu xr)v 'dvaxoXr'jv fördern.
[ Deutlicher kann SavOdjiovXoq von Athen aus fagen, Iva
xdi avd-iq kv xavxaiq xTjq AvaxoXr)q f xatq ytonaiq civa-
Xautpmai xd yvnoia xov tXXr/vixov eivEVimxoq yvcooiouaxa,
TO ipiXeXev&eqov, xo fpiXdjiaxQi.ro (piXo[iai)iq, xd <piXd-
xaXov, xd fiEyaXorpvhq xdi iisyaXdipv/pv. Als Mittel, feine
Zwecke zu erreichen, wählt der Syllogos fchriftliche und
mündliche Veröffentlichungen wiffenfchaftlicher Art, die
Herausgabe feiner Zeitfchrift, populäre Vorträge, Sorge
für das Schulwefen, befonders Untcrftützung oder Neugründung
von Schulen und dergl. Acht Commiffionen