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Ausgabe: | 1892 |
Spalte: | 469-473 |
Autor/Hrsg.: | Friedensburg, Walter (Bearb.) |
Titel/Untertitel: | Nuntiaturberichte aus Deutschland, nebst ergänzenden Actenstücken. 1. Abth. 1533 - 1559. 1. u. 2. Bd 1892 |
Rezensent: | Virck, H. |
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Wahrheiten', die die Mitte zwifchen den Dogmen und den
,Schulmeinungen' einnehmen. Es wird uns eingefchärft,
die Annahme fei ganz irrig, als wäre nur das ein Dogma,
was die Kirche bei einer feierlichen Gelegenheit definirt
hat. Aber wir erfahren auch, dafs das, was von Vielen
nur für eine ,Schulmeinung' gehalten, von Anderen als
,theologifche Wahrheit' angefehen wurde, jetzt als formelles
Dogma gilt. Wir fragen uns bei folchem Avancement
immer wieder, was fleht noch Alles zu erwarten?
und in welcher Verfaffung mufs der katholifche Chrifl fein,
der angewiefen wird, feine Seligkeit auf den Glauben an
jene Labyrinthe und Stockwerke zu gründen, die noch
Niemand ermeffen hat, deren Breite und Höhe Keiner
kennt und die ohne Grenzen in die Abgründe und luftigen
Räume der Schulmeinungen übergehen. Die Antwort
lautet: er wird feine Seele beruhigen bei der ent-
fchloffenen Abficht, Alles zu glauben, was die Kirche
glaubt.
Der Verf. bezeichnet meine dogmengefchichtliche
Auffaffung als den .Darwinismus in der Theologie' (S. 18).
Aber er ift fo wahrheitsliebend, einzuräumen, dafs ich
ein, wenn auch willkürlich combinirtes .Evangelium Jefu'
übrig laffe, ,das nur die Gründung des meffianifchen
Gottesreiches mit Sündenvergebung und Seligkeit durch
ihn als den verheifsenen Meffias, feine dereinftige Wiederkunft
und einige fittliche Regeln für die Mitglieder feines
Reichs zum Inhalt gehabt haben foll'. Ich bin mit
diefem Zugeffändnifs nahezu zufrieden und laffe mir
unter diefer Vorausfetzung den Vorwurf des .Darwinismus
' auch gefallen. Wir haben die Perfon und das
Evangelium Jefu und wir haben die jüdifche und griechifch-
römifche Zeitgefchichte: aus diefen Prämiffen hat fich die
Kirche und die Kirchenlehre entwickelt, freilich fo, dafs
dort fchon die Zeitgefchichte und hier immer neue per-
fönliche Elemente wirkfam gewefen find. Die altpro-
teflantifche Auffaffung, nach der (ich die Kirchenlehre
,aus der h. Schrift' entwickelt hat, ift gefchichtlich angefehen
nicht haltbar; aber fie ift der katholifchen doch
unendlich überlegen, welche Alles als eine Entfaltung
einer .apoftolifchen Hinterlage' betrachtet, in der bereits
die unbefleckte Empfängnifs Mariä und die fieben Sacra-
mente enthalten waren.
Der Verf. ift gelehrt und allem Extravaganten abhold
. Er hat auch neuere Arbeiten hie und da berück-
flchtigt. Sein Werk gehört zu den refpectablen Leiftungen
der katholifchen Theologie. Auf dem Stundpunkt, auf
dem er fleht, kann man Dogmengefchichte, auf die Sache
gefehen, nicht viel beffer, man kann fie aber viel fchlimmer
fchreiben. Diefe Leiftung wird wohl nicht mehr lange
auf fleh warten laffen.
Berlin. A. Harnack.
Nuntiaturberichte aus Deutschland, nebft ergänzenden Acten-
flücken. 1. Abth. 1533—1559- Hrsg. durch das k.
preufsifche hiftorifche Inftitut in Rom und die k.
preufsifche Archiv-Verwaltung. 1. u. 2, Bd. Im Auftrage
des k. preufsifchen hiftorifchen Inftituts in Rom
bearb. von Walter Friedensburg. Gotha, F. A.
Perthes, 1892. (Lex.-8.) M. 34.—
Inhalt: I. Nuntiaturen des Vergerio 1533—1536- (LVII, 615 S.)
M. 20.—. 2) Nuntiatur des Morone 1536—1538. (VIII, 470 S.) M. 14.—
Nachdem durch Papft Leo XIII. das vaticanifche
Archiv der hiftorifchen Forfchung geöffnet war, durfte
man die Hoffnung hegen, dafs nunmehr in ab fehbarer j nicht unwefentlich das Auffinden.— Aufser der allgemei-
preufsifchen Archivverwaltung, Herrn v. Sybel. Er felbft
hat in dem oben genannter Publication voraufgehenden
Vorwort über die Mafsnahmen berichtet, welche die ihr
entgegenftehenden Hinderniffe befeitigten und die Durchführung
des Unternehmens ficherten. Zu diefen Mafsnahmen
gehört vor allem die a. 1888 erfolgte Begründung
des kgl. preufs. hift. Inftituts in Rom und das zwifchen
diefem und dem Istituto Austriaco di studj storici
erzielte Einvernehmen über die gemeinfame Durchführung
der geftellten Aufgabe. Die Hauptpunkte des
Uebereinkommens find folgende: Die Veröffentlichung
der Nuntiaturberichte aus Deutfchland wird die Jahre
1533 — 85 umfaffen und in 3 Abtheilungen zerfallen.
Die erfte Abth. 1533 —1559 giebt das kgl. pr. Inftitut
in Gemeinfchaft mit der kgl. pr. Archivverwaltung heraus
; die zweite Abth. 1560—72 das Istituto Austriaco di
studjstärkt'in Rom; die dritte Abth. 1572—85 fällt wieder
den beiden erft genannten Inftituten zu.
Der erden Abth., von der uns die beiden erften Bände
vorliegen, ift eine ziemlich umfangreiche allgemeine Einleitung
von dem Bearbeiter Prof. W. Friedensburg vor-
aufgefchickt, die uns 1) über den Umfang der Sammlung
und die Behandlung der Texte, 2) über das handfehrift-
liche Material, 3) über frühere Publicationen und endlich
4) über die Anfänge der deutfehen Nuntiatur unterrichtet.
Aus Nr. 1 erfahren wir auch den Grund, warum die
Sammlung der Berichte nicht, wie man erwarten follte,
mit 1519, dem Jahr des Regierungsantritts Karl's V.,
fondern erft mit 1533 beginnt. Er ift darin zu fuchen,
dafs bis zum Jahr 1530 aufser den fchon von Brieger
und Balan veröffentlichten Depefchen Aleander's vom
Wormfer Reichstag und den von Balan hinzugefügten
Berichten der folgenden Jahre nichts von Bedeutung
erhalten ift. Von den aus den Jahren 1530—32 vorhandenen
Depefchen ift fodann ein erheblicher Theil fchon
von Lämmer in feinen ,Monunicnta Vaticana' gedruckt.
Mit dem Jahre 1533 beginnt überdies in Deutfchland eine
neue Entwickelung, und endlich fetzt in diefem Jahr die
eigentlich deutfehe Nuntiatur ein. Allerdings bleiben fo
eine Reihe wichtiger Berichte aus den Jahren 1530—32
unberücksichtigt; nichtsdestoweniger wird man den für
die Publication gewählten Anfangspunkt als zweckmäfsig
bezeichnen müffen. Vielleicht bietet fleh Gelegenheit,
die ausgefallenen Stücke in einem Anhang zur I. Abth.
nachzutragen. — In den vorliegenden beiden erften
Bänden theilt der Bearbeiter mit ganz verfchwindenden
Ausnahmen durchweg den vollftändigen Wortlaut der
Depefchen mit. Ob er fleh damit wirklich, wie er hofft,
den Dank feiner Lefer verdient, dürfte doch zweifelhaft
erfcheinen. Schon jetzt hat fleh eine gewichtige Stimme
gegen dies Verfahren erklärt, und wir fchliefsen uns ihr
vollständig an. Denn fo intereffant die Depefchen der
beiden hier in Betracht kommenden Nuntien im allgemeinen
auch find, es finden fich daneben doch auch recht
unbedeutende Dinge und dazu fehr viele Wiederholungen
in ihnen, von denen ein gut Theil unteres Erachtens im
Auszug hätte wiedergegeben werden können, ohne dafs
man etwas Wefentliches entbehren würde. — In der Behandlung
der Texte hat man fich thunlichft an die von
Weizfäcker für dieReichstagsacten aufgestellten Grundfätze
angefchloffen. So fehr wir hiermit einverstanden find,
fo hätten wir doch in einer Beziehung eine kleine Abweichung
hiervon gewünfeht: die Hervorhebung des Ab-
fenders und Adreffaten durch fetten Druck, wie fie bei
Publicationen von Depefchen aus der neuen Zeit fonft
üblich ift. Sie thut dem Auge wohl und erleichtert
Zeit auch die während des XVI. Jahrhunderts zwifchen j nen Einleitung geht den Depefchen der jedesmaligen Nun
der Curie und ihren Nuntien in Deutfchland geführte
Corrcfpondenz ans Licht treten und damit ein lange
gehegter Wunfeh der deutfehen Hiftoriker in Erfüllung
gehen werde. Dafs dies verhältnifsmäfsig fo früh gefchah,
tiatur noch eine fpecielle Einleitung voraus. Diefe zerfällt
in 3 Theile. Der erste handelt über die Quellen. Wir
entnehmen daraus, dafs das Vaticanifche Archiv nur
zum Theil das Material für die Veröffentlichung geboten
verdankt man vornehmlich dem oberftem Leiter der | hat. Für die Nuntiaturen Vergerio's 1533—1536 kommt
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