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Ausgabe:

1892 Nr. 18

Spalte:

447

Autor/Hrsg.:

Duff, David

Titel/Untertitel:

The early church: a history of christianity in the first six centuries 1892

Rezensent:

Harnack, Adolf

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447

Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 18.

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fichtlichen Zurückhaltung gehört doch zu den ficherften
Stücken der Ueberlieferung, und die pädagogifche Abficht
liegt auf der Hand, fobald man anerkennt, dafs
die jüdifche Meffias-Idee politifch war, Jefus aber kein
politifcher Meffias fein wollte.

Auch diejenigen aber, welche gegen die Haupt-Re-
fultate des Verfaffers ftärkere Einwendungen zu machen
haben als Referent, werden aus feinen Ausführungen
vielfache Anregung fchöpfen. Er weifs auf Grund der
Einzelbeobachtung anfchauliche Gefammtbilder vorzuführen
und uns einen Einblick zu eröffnen in das Walten
lebendiger Kräfte.

Kiel. E. Schürer.

Duff, Prof. David, M. A., D. D., L. L.D., The early church:

a history of christianity in the first six centuries.
Edited by his son David Duff, M. A., B. D. Edinburgh
, T. & T. Clark, 1891. (8 u. 623 S. gr. 8.) geb. 12 s.

Aus einem nachgelaffenen, fortlaufend gefchriebenen
Collegienhefte, vom Verf. nicht für den Druck benimmt.
Wann es gefchrieben ift, ift nicht gefagt und läfst fich
nicht leicht ermitteln; vermuthen mufs man, dafs die Zeit
ziemlich weit zurück liegt. Merkwürdig ift, dafs der
Verf. wohl von Petrus, Johannes und Paulus ziemlich
ausführlich handelt, am ausführlichften von Petrus, aber
nicht von Jefus Chriftus. Lebens- und Verfaffungsge-
fchichte treten hinter der politifchen und der Dogmen-
Gefchichte faft ganz zurück. Biographifches ift für eine
üarftellung, die auf 600 S. bis Juftinian führt, zu breit
dargeftellt. Neue Unterfuchungen liegen fchwerlich zu
Grunde. Ob das Werk in der fchottifchen Literatur eine
Lücke ausfüllt, wage ich nicht zu entfcheiden. Beigegeben
ift eine vom Verf. gehaltene Vorlefung über die
Entwicklung der Lehre von der päpftlichen Suprematie.
Auch fonft find, wie der Herausgeber bemerkt, Einzel-
vorlefungen des Verfaffers benutzt.

Berlin. A. Harnack.

Treppner, Religionslehr. Max, Das Patriarchat von Antiochien

von feinem Entftehen bis zum Ephefinum 431. Eine
hiftorifch-geographifche Studie. Mit Bild und Karte
von Antiochien. Würzburg, 1891. Mainz, Kirchheim.
(XII 252 S. gr. 8.) M. 4. —

Wer fich irgend eingehender mit der Gefchichte der
alten Kirchen des Ostens befchäftigt, der wird immer
deutlicher gewahr, welche geradezu bewundernswürdige
Leiftung ftaunenswerthen Gelehrtenfleifses und einer für
feine Zeit nicht zu unterfchätzenden Akribie das Werk
des franzöfifchen Dominikaners Michael Le Quien ist.
Um fo empfindlicher ift der Mangel, dafs der Orlens
christianus feitdem trotz den überaus reichen neu er-
fchloffenen Quellen keine Ergänzung und keine Fort-
fetzung erhalten hat. Der Unterzeichnete hatte bereits
vor Jahren die Abficht, eine folche Ergänzung zu unternehmen
; allein ohne Unterftützung des ökumenifchen
Patriarchats, in deffen Archiv allerdings nur für die letzten
Jahrhunderte vielerlei hochwichtiges und authentifches
Material zur Herttellung der Bifchofsliften fleckt, war das
nicht auszuführen. Er fetzte fich deshalb mit einem wiffen-
fchaftlich fehr tüchtigen Priefter desPhanars in Verbindung;
allein die Refignation des der kirchlichen Wiffenfchaft wohlgeneigten
Patriarchen Joakim und die Erhebung des lediglich
praktischen Erzbifchofs Dionyfios auf den oekume-
nifchen Thron machte alle Hoffnungen zu Schanden.
Mein griechifches Schreiben wurde felbftverftändlich gar
nicht beantwortet, und ich liefs den Plan fallen. Mittlerweile
theilen franzöfifche Zeitfchriften mit, dafs unter
Leitung des rühmlichft bekannten Profeffors Gedeon die
Gelehrten des Phanar die Sache felbft in die Hand genommen
haben. Das Unternehmen kann nützlich werden,
wenn fie fich auf die orthodoxe griechifche Kirche be-
fchränken. Wollen fie dagegen den Plan in derfelben
grofsartigen Weife, wie Le Quien, fortführen, bedürfen
fie gar fehr auswärtiger Hülfe, wenn das Unternehmen
auf ernfthafte Beachtung Anfpruch machen will.

Unterdeffen ift es nützlich, wenn wenigftens einige
Baufteine zu diefem grofsen Werke hergerichtet werden.
Einen folchen hoffte ich freudig in des Verfaffers Schrift
zu finden. Derfelbe giebt nicht etwa, wie man nach dem
Titel fchliefsen könnte, lediglich eine Gefchichte des
Patriarchats, fondern auch eine Gefchichte der fämmt-
lichen, zu Antiochien gehörenden, Metropolen und der
diefen unterworfenen Bisthümer bis zum Ephefinum. Es
kommt hinzu, dafs der Verf., wie die Vorrede meldet,
des Syrifchen mächtig ift, für den Geichichtfchreiber des
Patriarchats Antiochien ein grofser Vortheil. Indeffen die
genauere Lecture des Buches hat Ref. von Enttäufchung
zu Enttäufchung geführt.

Schon die Lifte der um die Erforfchung des Syrifchen
verdienten Gelehrten S. VII der Vorrede ift eine fehr
curiofe; es paradiren hier der Armenift Langlois und ein
paar dunkle Ehrenmänner; arg ift es aber, dafs neben
diefen weder Noeldeke und G. Hoffmann, noch was doch
dem Verf. nahe gelegen hätte, Abbe- Martin und Schoen-
felder genannt find.

Ehe der Verf. zur Gefchichte des Patriarchats übergeht
, giebt er S. 9 fr. eine Ueberficht der einzelnen
Kirchenprovinzen und der ihnen unterftehenden Bifchöfe
genau nach Le Quien. Diefer hatte verfprochen, die
griechifchen notitiae episcopatimm als Anhang feines
Werkes abzudrucken, war aber darüber weggeftorben,
alfo benutzt fie auch der Verf. nicht, und doch hätte
ihn die durch die Itinera Hierosolymitana jetzt fo zugängliche
Notitia Antiochena vor manchen Verfehen und
Unficherheiten bewahren können, und sie war neben der
kürzern, aber altern Notitia des Pfeudoeufebios die noth-
wendige Grundlage für eine brauchbare kirchengeogra-
phifche Arbeit. Allein der Verf. kennt diefelbe gar nicht,
und legt darum (vgl. S. 57) feiner Befchreibung der
Diöcefen des Orients ftatt der einheimifchen Quellen die
Anordnung Le Quien's zu Grunde.

S. 13 bis 56 handelt er von den Patriarchen von
Antiochien und ihrer chronologifchen Reihenfolge. Diefe
letztere einmal gründlich und methodifch mit forgfältiger
Berückfichtigung der fehr verfchiedenartigen Quellen zu
unterfuchen, wäre an und für fich ein fehr verdienftliches
Unternehmen. An Gutfchmid's fchöner Abhandlung ,Ver-
zeichnifs der Patriarchen von Alexandrien' hätte der
Verf. ein ganz vorzügliches Vorbild gehabt, woraus er
hätte lernen können, wie eine folche Arbeit in Angriff
genommen und durchgeführt werden mufs. Sein Elaborat
entfpricht auch nicht einmal den befcheidenften An-
fprüchen. Die Ueberficht der Quellen für die Patriarchenchronologie
ift ganz confus. Er erwähnt an erfter Stelle
ganz richtig Eufeb's Chronik, welche er freilich nicht
nach Migne citiren follte; dann führt er zum Vergleich
Samuel von Ani auf, als wäre das eine felbftändige
Quelle, während er, wie alle Armenier, natürlich nur
Eufebius ausgefchrieben hat. Auch den Hieronymus citirt
er nach Migne d. h. nach einem Abdruck von Roncalli.
Von Schöne's Ausgabe fcheint er nichts zu wiffen. Von
den fpätern Kirchengefchichten führt er Theodoret an,
als ob Sozomenos und Sokrates für Chronologie nichts
böten. Wie er vollends Garns series epp., der einfach
Le Quien ausfchreibt, unter den Quellen anführen kann,
ift unerfindlich. Arg ift es endlich, dafs ein fpeciell dem
Syrifchen feine Studien weihender Mann der historia
ecclesiastica des Barhebraeus mit keinem Worte gedenkt,
obfchon er S. VIII die beiden Herausgeber unter den
namhaften Syrologen aufzählt. Natürlich ift in Folge deffen
der chronologifche Abrifs der Patriarchen unbrauchbar.
Ungefchickt ift auch, dafs der Verf. nur die Zeit bis 431