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Ausgabe:

1892 Nr. 16

Spalte:

407

Autor/Hrsg.:

Hausrath, Adolf

Titel/Untertitel:

Arnold von Brescia 1892

Rezensent:

Mirbt, Carl

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Seite 1

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407

Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 16.

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als der erfle verfuchte, an diefem frommen Glauben zu
rütteln, die Kirche des Irrthums zu zeihen' etc. (Vorw., p.
VII). Schonim 9. Jahrhundert ift ,die Kirchenlehre', die kirchliche
Orthodoxie' (vgl. z. B. p. 209) fo feftgelegt, dafs fie
als ficherer Mafsftab fungirt. Bei diefer Gebundenheit
des Verf's. welche ihn in Ber. den offenbaren Haeretiker'
(p. 21) fehen läfst, ift fein Urtheil über die Bedeutung
feines Auftretens (p. 404 ff.) für die kirchliche Lehre und
das kirchliche Leben faft überrafchend. Die durchaus
rchtige Behauptung, dafs die Legenden von Verwandlungen
der Hoftie in blutiges Fleifch (238. 239) mitgewirkt
haben, die Meinung zu beftärken, als fei die
Gegenwart Chrifti im Sacramente eine finnlich-fleifch-
liche etc., glaubt Verf. fich nur geftatten zu können,
nachdem er verfichert, es liege ihm fern, an ,diefe Wundererzählungen
das Meffer einer glaubenslofen Kritik fetzen
zu wollen', und nachdem er die Annahme betrügerifcher
Abheilten bei Wundererzählungen als ,unwürdige Verdächtigung
' gebrandmarkt hat. Gegen Reuter richtet
hch die letztere Bemerkung; dafs he von grofser Kühnheit
zeugt, wird man zugeben dürfen.

Eine Wirkung desfelben Grundfehlers ift die Umgehung
heikler Punkte wie z. B. des Umftands, dafs die
Verurtheilung des Ber. durch Papft Leo IX. auf der röm.
Ofterfynode 1030 (p. 24 ff.) erfolgte, ohne dafs der Angeklagte
gehört wurde. Ganz ebenfo wird von Schnitzer
in der Befprechung des Concils von Vercelli (p. 40 ff.)
darauf nicht eingegangen, ob Leo den Ketzer hier aufs
neue verurtheilt hat, obwohl er wufste, dafs Berengar
durch feine Verhaftung durch den franzöfifchen König
aufser Stande war, der päpftlichen Citation Folge zuleiften.
Die Art, wie der Verf. die fich widerfprechenden Zeugnifse
Lanfranc's und Berengars nebeneinanderftellt und fein
Urtheil über Leo's Verhalten zurückhält, ift fehr inftruetiv.
Auch die Erörterung über das Verhältnifs Gregors VII.
zu Berengar ift für den Verf. charakteriftifch. S. 114 fteht
der Satz: ,Die Annahme, Gregor VII. habe felbft dem
nüchternen Realismus eines Berengar gehuldigt, beruht
auf gänzlicher Verkennung des Charakters desgrofsen
Papftes, deffen ganzes Wirken getragen war von der
i dealften Auffaffung des prielterlichen und hohe-
priefterlichen Berufs, die eben durch Berengar's
Haerefie den Todesftofs hätte erleiden müffenf
Deutlicher würde Verf. feinen Gedankengang wiedergegeben
haben wenn ergefchrieben hätte: beider Annahmeeiner Verwandlung
im Abendmahl ift die Bedeutung des Priefters,
welcher das Opfer vollzieht, gröfser als bei Berengar's
Abendmahlslehre — Gregor vertrat als Papft, zumal als
,grofser' Papft, felbftredend die Auffaffung vom Priefter-
thum, welche dasfelbe möglichft hoch flehte — alfo kann
Gregor die Berengar'fche Abendmahlslehre nicht vertreten
haben! Die directen Angaben Berengar's, Beno's,
Synode zu Brixen, welche das Gegentheil behaupten' —
der Brief des Egilbert von Trier Jaffe Bibl. rer, germ.
V, 128 hätte auch genannt werden müffen — werden
ebenfo rafch befeitigt (p. 110).

Marburg i. Heffen. Carl Mirbt.

Hausrath, Adf., Arnold von Brescia. Leizig, Breitkopf &
Härtel, 1891. (IV, 184 S. 8.) M. 3. —

Bisher unbekannte Quellen hat der Verfaffer für die
Zeichnung Arnold's nicht ausfehöpfen können, fondern
es find die um der Bedeutung des Mannes willen fchon
oftmals confultirten, welche er reden läfst. Die Abficht
des Verfs. war, ,den hiftorifchenHintergrund diefes merkwürdigen
Lebens deutlicher, als es bisher gefchehen, auszuführen
und dadurch die Bedeutung des Propheten von
Brescia auch weiteren Kreifen zum Bewufstfein zu bringen'.
— Die Stellung Arnolds in der Gefchichte will er vors
Auge führen weil er der Meinung ift, dafs fich auch aus
der Gefchichte des zwölften Jahrhunderts viel lernen
laffe für das neunzehnte'. Daher hat Verf. auch auf

kritifche Unterfuchungen verzichtet; es ift eine abgerundete
Darftellung, welche er bietet. Die lebendige
Erfaffung der handelnden Perfönlichkeiten, die feine
Charakterifirung der ganzen Atmofphäre jener Zeit, die
pointirte und das hiftorifche Detail gefchickt gruppirende
Schreibweife wirken zufammen, bei dem Lefer einen
tiefen Eindruck von der Tragödie zu erzielen, welche
Hausrath dem gröfseren Publicum hier zugänglich machen
will. Das Gefammturtheil desfelben unterfcheidet fichvon
dem herkömmlichengrundfätzlichnicht, aber H. accentuirt,
indem er das ,heilige Bild' des Märtyrers fchildert,
deffen Name ,ein Lofungswort der Sache der Geiftes-
freiheit' geworden ift, das ideale Moment in feinem
Helden. Die Koften diefer Ehrenrettung trägt Bernhard
von Clairvaux, den Schiller einen geiftlichen Schuft,
Neander einen Heiligen nannte (p. 42). In Arnold's
Perfönlichkeit hat der Verf. fich fo hineinzuverfetzen ver-
ftanden, dafs diefelbe uns klar vor Augen liegt — faft
zu klar. Dagegen ift Bernhard nur als wirkungsvolles
Pendant verwerthet. Wäre derfelbe nur das gewefen, als
was H. ihn fchildert — die Wirkungen, welche von ihm
ausgegangen find, und der Eindruck, den er erregt hat,
wären unlösbare Räthfel. In der Unterdrückung Arnold's
ift auch gerade von Bernhard viel gefehlt worden, aber
diefem Manco flehen andere Vorzüge gegenüber.

Marburg i. Heffen. Carl Mirbt.

Maltzew, Alexios, Propft an d. Kirche d. K. Ruff. Bot-
fchaft zu Berlin u. an der orthodoxen Kirche zu
Potsdam, Die göttlichen Liturgieen unserer heil. Väter
Johannes Chrysostomos, Basilios des Grossen und Gregorios
Dialogos. Deutfch und flawifch unter Berückfichtigung
der griechifchen Urtexte. Berlin, Siegismund, 1890.
(XXXIV, 568 S. 8.) M. 6. —

Derselbe, Die Nachtwache oder Abend- u. Morgengottesdienst
der Orthodox- Katholischen Kirche des Morgenlandes.
Deutfch u. flawifch unter Berückfichtigung der griechifchen
Urtexte. Ebd., 1892. (LXXXIX, 827 S. 8.)
M. 12. —

Der Verfaffer diefer Werke, denen ein dritter und
vierten Theil folgen foll, hat in feiner Gemeinde Mitglieder
, die die flawifche gottesdienftliche Sprache nicht
verftehen, fei es, weil fie fchon in der zweiten Generation
in Deutfchland leben, fei es, weil fie Rumänen, Griechen
u. f. w. find. Er hat auch deutfch fprechenden Kindern
Religionsunterricht zu ertheilen. Defshalb hat er fich
entfchloffendie Textealler liturgifchen Handlungen deutfch
und flawifch herauszugeben, dazu noch den laut gefproche-
nen Theil der Sonntagsliturgie in lateinifcher Transfcription
des flawifchen Textes mitzutheilen. Aus der Vorrede
erfahren wir beiläufig, dafs der Verf. in der ruffifchen
Colonie Alexandrowka bei Potsdam die Liturgie und
die Sacramente in deutfeher Sprache vollzogen hat.

Ueber den nächften Kreis derer hinaus, für die
diefe Ueberfetzungen beftimmt find, haben fie für alle,
die die ruffifche Kirche kennen lernen wollen und das
Slawifche nicht verftehen, ein hohes Intercffe. Bisher hat
man fich an Rajewski's Arbeit ,das Euchologion der
orthodox katholifchen Kirche' (Wien 1861) gehalten.
Allein es ift unvollftändig. Die Troparien, Kontakien,
Prokimena, Kinonika und Irmen fehlen; fie find hier
zum erften Male überfetzt. Dazu entfpricht jene Ueber-
fetzung nicht allen Anforderungen. Auch das, was fonft
an Verfionen geleiftet worden ift, wird durch das vor-
ftehende Werk, welches mit grofser Sorgfalt gearbeitet
zu fein fcheint, überholt. Der Verf. hat auf Grund
eines reichen Materials (h. Vorrede p. XVIII f.) fein
Werk hergeftellt. Die Ueberfetzung ift in vortrefflichem
Deutfch gegeben. Dem erften Theile geht eine Ein-