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Ausgabe:

1892 Nr. 15

Spalte:

387-388

Autor/Hrsg.:

Zezschwitz, Gerhard von

Titel/Untertitel:

Der Hirt und seine Herde 1892

Rezensent:

Bassermann, Heinrich

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387

Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 15.

388

leicht wird er uns als theologifche Gröfse intereffiren,
wenn es ihm unter Beihülfe buddhiftifcher Gelehrter gelungen
fein follte, uns feine Weltreligion in deutlicheren
Umriffen zu zeigen.

Da Pfl. nach feinen hiftorifchen Gundfätzen der
Dreizahl bedarf, fo hat er unter dem Titel ,Ritfchl,fche
Schule' neben mir noch Kaftan und Bender abgehandelt
. Der erftere wird ohne Zweifel, wenn er es für
nöthig halten follte, Gelegenheit finden fich felbft mit
Pfl. auseinanderzufetzen. Die Verhandlung aber, die Pfl.
mit Bender führt, ift eine interne Angelegenheit der von
beiden Gelehrten betriebenen ,Religionsphilofophie', in
die ich mich nicht mifchen will.

Marburg. W. Herrmann.

Zezschwitz, f Prof. Gerhard v., Der Hirt und seine Herde.

Predigten, gehalten in der Univerfitätskirche zu Erlangen
(in den Jahren 1868 — 1884). Zufammenge-
ftellt zu einem Jahrgang und hrsg. von Pfr. Gerh. v.
Zezfchwitz. Erlangen, Merkel, 1891. (XII, 587 S.
gr. 8.) M. 6. —; geb. M. 7. —

Der Eindruck, den Referent von diefen Predigten
des verewigten Zezfchwitz empfangen hat, ift fehr ver-
fchiedenartig, und es ift zu vermuthen, dafs es auch
andern Lefern derfelben damit ebenfo ergehen wird.
Auf der einen Seite imponiert der reiche, tiefe, bedeutende
Gedankengehalt, wie das bei Z. nicht anders
zu erwarten ift; da ift nirgends Trivialität, wohl aber
manch geiftvoller Gedanke, manch feine Textauslegung,
manch kräftige und packende Ausführung zu finden.
Nach diefer Seite hin find die Predigten lehrreich für
Theologen. Dazu kommt die Echtheit und Wahrheit
des frommen Lebens, das fich in ihnen Ausdruck verleiht
: man fpürt es, dafs,was der Prediger fagt, aus feinem
Herzen kommt, und das macht feine Predigten zum
gröfsten Theil warm, lebendig, glaubensfroh — befonders
an den Fefttagen —, es macht fie aber auch ernft, oft
tiefernft. In letzterer Beziehung ift ganz befonders be-
merkenswerth die am Anfange des 1870er Kriegs gehaltene
Predigt vom 12. nach Trin. über 2 Mof. 14,14:
es dürfte wenig Kriegspredigten geben, welche eine ebenfo
geiftvoll-bedeutende, wahrhaft-fromme, zugleich erhebende
und demüthigende Betrachtung des Gegenftandes darbieten
, fo ganz frei von allem Chauvinismus und gewaltig
-nüchtern, trotz aller patriotifchen Wärme. Diefe
Predigt mufs tief gewirkt haben auf alle Hörer. Im
Uebrigen aber, und damit berühren wir diejenige Seite
der Predigten, nach der fie uns nicht fympathifch find,
können viele von ihnen nur bei einem beftimmt gearteten
Hörerkreis wirkfam gewefen fein. Das ift an
fich kein Fehler, fofern gewifs jeder Prediger mit den
Vorausfetzungen feiner Gemeinde ganz vorzugsweife zu
rechnen hat, wenn er auf fie wirken will; aber die allgemeine
Erbaulichkeit eines an das grofse Publicum fich
wendenden Buches wird dadurch beeinträchtigt. Soll ich
mit Einem Worte diefe Enge der Predigtweife Z's. bezeichnen
, fo möchte ich fagen: er ift doch altmodifch,
in feinen Vorftellungen wie öfter auch in feinen Formen.
Altmodifch ift fein Hängen an den Perikopen (befonders
S. 443, wo er fich wegen freier Textwahl förmlich vor
fich felbft entfchuldigt), altmodifch ift meift die Formulir-
ung und Ankündigung der Dispofition (vgl. 21. n. Trin. S.
544, wo diefelbe 9. Zeilen ausfüllt; Sexagef. S. 126: Vorausblick
, Umblick, Einblick; I. Pfingft: die Lebensquelle
der Menfchheit, woher fie fliefst, wer ihrer geniefst, und
wie fie dann ftrömend fich weiter ergiefst u. a. m.), alt-
modlich ift endlich vor Allem die theologifche Rüftung,
wenn ich fo fagen darf, in der er auf die Kanzel tritt:
es wird doch recht viel Theologie hier geboten ftatt
Evangelium, viel in die Schrift, befonders in das A. T.
und fein Verhältnifs zum N. hineingeheimnifst, was bei

unbefangener Prüfung nicht ftichhält, und wenn dann,
was übrigens verhältnifsmäfsig feiten gefchieht, dies
noch in jener fchwerfälligen, zuweilen (z. B. S. 310) über-
ftiegenen Sprache vorgetragen wird, welche dem Verf.
in feinen wiffenfchaftlich-theologifchen Werken eigen ift,
dann wird die Predigt wirkungslos, unerbaulich, wenigftens
für moderne Menfchen, und leicht ermüdend. Das ift
nichts für unfre Zeit, fofern in ihr die Predigt wieder
eine für das heutige Gefchlecht einigermafsen bedeutende
Macht werden foll. Da mufs recht menfchlich, einfach,
natürlich, obwohl felbftverftändlich defswegen nicht platt
und feicht, geredet werden. Und ftatt des, übrigens
ebenfalls feltenen (z. B. S. 199. 210, dagegen 553),
Scheltens auf andersgeartete Auffaffungen des Textes
oder Gegenftandes dürfte z. B. bei einer Predigt über
die Teufelaustreibung Luc. 11, 14 ff. (S. 160) ein klares,
offenes Wort über die Nichtthatfächlichkeit von dämon-
ifchem Befeffenfein fo wenig fehlen, als bei der Predigt
über den ungerechten Haushalter eine ganz energifche Abwehr
der in der Perikope nun einmal vorhandenen
ebionitifchen Grundanficht; dafs hiebei die in der alten
Perikope gegebene Verknüpfung des Gleichnifses Luc.
16, 1—8 bezw. 9 mit den darauf folgenden Ausfprüchen
v. 10—13 nur hinderlich wirkt, fei nur nebenher bemerkt
.

Werden demnach diejenigen Kreife, in denen Z. 's
Name bekannt und verehrt ift, zweifellos die Predigt-
fammlung mit Freude und Dank begrüfsen und ift diefelbe
auch aus obigen Gründen Theologen, auch folchen,
die nicht auf feinem Standpunkte ftehen, zu — freilich
nicht unkritifchem — Studium zu empfehlen, fo glaubt
dagegen Referent — trotz der durchaus nicht zu beftreiten-
den Vorzüge — nicht, dafs fie fich für eine weitere Verbreitung
in der heutigen chriftlichen Gemeinde eignen
und eine folche finden werden.

Fleidelberg. Baffermann.

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von Bibliothekar Dr. Johannes Müller.

Berlin W., Opernplatz, Königl. Bibliothek.

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