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Ausgabe:

1892 Nr. 15

Spalte:

380-382

Autor/Hrsg.:

Jess, Thdr.

Titel/Untertitel:

Ueber den christlichen Glauben 1892

Rezensent:

Wendt, Hans Hinrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 15.

380

linken Arme, den Stab in der Rechten, mit (ich trägt. |
Als dem Kardagh Stephanus erfcheint und ihm einen
Traum deutet von Perlen, die auf ihn fielen, hatte K.
die Gefchichte von Stephanus noch nie gehört und mufs
fich von dem Mönch lfak, der ihm den Pfalter und die
h. Schriften vorzulefen pflegte (fo S. 52; S. 30 nur
,Pfalmen und das Buch des h. Evangeliums') erft fagen
laffen, dafs das in den ,Praxeis der h. Apoftel' flehe. —
Ein Mönch, der ,68 Jahre' nicht aus feiner Höhle geht,
heifst Beri, offenbar nach dem Schwiegervater des
Efau; denn diefen nennt er nachher (S. 29). Als K.
einen Eindruck vom Chriflenthum hat, ift das Erfle, dafs j
er das Kreuzeszeichen auf die Wand malt und beim
Effen den Magierfegen nicht mehr fpricht. Der Teufel, j
der ihm begegnet, wird beim Kreuzeszeichen das eine j
Mal ein alter Mohr, das andere Mal ein fchwarzes Thier.
Nach S. 26 oben müfste man annehmen, dafs weifse
Gewänder für die Chriften bezeichnend waren; dies be- [
ruht aber auf falfcher Ueberfetzung. ,Nazarener', auch
,Nazarenerthum' kommt vielleicht häufiger vor, als Chrift
und Chriflenthum. — Mt. 10, 28 ift S. 19 citirt ,fürchtet
mich, der ich Leib und Seele umkommen laffen kann
in der Gehenna'. — Als K. in den Kampf zieht, hängt er
nicht blofs das Goldkreuz um, in welchem ein Stück vom
h. Kreuzesholz befehligt war, fondern befprengt auch fich,
fein Pferd und feine Soldaten mit S35M (.Gnadenftaub'
überfetzt Feige) aus dem Sanctuarium. Auf goldenem
oilliov mit feuriger Rohrfeder fchreibt der Führer der j
Heerfchaaren (Michael?) die guten WerkeK.'s auf fchönes j
weifses Pergament (ocouanov). Vom Hinrichtungsbefehl
heifst es, dafs die Kirche folche Schreiben xaüaiQsöig I
zu nennen pflege, die Perfer aber Nibhistagh. Den Tod
kann K. erft finden, als fein eigener Vater mit verhülltem
Haupt einen Stein auf ihn wirft. — Die Ueberfetzung
Feige's ift faft durchaus zuverläffig; wie Ref. der Anzeige
in der DLZ entnimmt, ift dies wie feine erfle, fo feine
letzte Arbeit auf diefem Gebiet, da derfelbe inzwifchen
zum Studium der Medicin übergegangen fei. Möge ihm
feine Arbeit und diefe Anzeige, falls fie ihm zu Geficht
kommt, keine unangenehme Erinnerung fein. — Von den
Thefen, die der als Doctordiffertation ausgegebenen
erften Hälfte beigefügt waren, fei nachträglich die vierte
angeführt: ,Für ü^Bj» Jef. 6, 2 ift D^BfiTÖ zu lefen', womit
man G. Hoffmanh, Hiob S. 32 vergleichen möge.

Tübingen. E. Neftle.

Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters. Texte
und Unterfuchungen. Hrsg. von Prof. Dr. Clem.
Baeumker. I. Bd. 1. u. 2. Hft. Münfter i. W.,
Afchendorff. (gr. 8.) M. 4.75.

Inhalt: I. Die dem Boethius fälfchlich zugefchriebene Abhandlung
des Dominicus Gundisalvi de unitate. Hrsg. und philofophie-
gefchichtlich behandelt von Dr. Paul Correns. (56 S.) 1891.
M. 2.—. — 2. Avencebrolis (Ibn Gebirol) fons vitae. Ex arabico
in latinum translatus ab Johanne Hispano et Dominico Gundissalino.
Ex codicibus Parisinis, Amploniano, Columbino primum edidit Clem.
Baeumker. Fase. I. (VII, 171 S.) 1892. M. 2.75.

Inhalt, Tendenz und Methode diefes neuen philo-
fophiegefchichtlichen Sammelwerkes müffen aus dem
Wortlaute des Titels und der Befchaffenheit der beiden
vorliegenden Hefte entnommen werden. Im erften erfcheint
der unter den Werken des Boethius gedruckte,
der Verbefferung und Ergänzung fehr bedürftige Text
der Schrift de unitate revidiert und mit kritifchem Apparat
der Basler Ausgabe von 1546 und dreier Parifer
Handfchriften aus dem 13. und 14. Jahrh. verfehen, wozu
ein Nachtrag die Lesarten zweier Wiener und einer
Münchener (13. u. 15. Jahrh.) aufführt. Von den beigegebenen
Unterfuchungen erörtert die erfle die Frage
nach dem Verfaffer des Tractats, in Hinficht deffen die
Angaben der Handfchriften abgefehen von Boethius

zwifchen Alexander von Aphrodifias, Alkendi und Alfa-
rabi fchwanken. Der Herausgeber beweift zunächfl durch
Aufzeigung zweier imTexte enthaltener neuteftamentlicher
Citate (1 Joh. 5, 8 u. 1 Cor. 6, 16; den chriftlichen Ur-
fprung der Schrift. Er zeigt weiter, dafs fie zwar (im
erften Abfchnitte) directe Entlehnungen aus Boethius,
im Weiteren aber auch entfehieden unboethianifche
Gedanken enthält, dafs ferner der gröfsere Theil aus
einer Aufreihung vielfach wörtlicher Citate aus dem Fons
vitae des Ibn Gebirol (Avicebron) befteht, und benimmt
als den frühmittelalterlichen Autor derfelben den Dominicus
Gundifalvi, mit deffen ficheren Schriften die vorliegende
nach Methode, Verhältnifs zu den Quellen, ins-
befondere aber auch nach Form und Inhalt der Gedanken
übereinftimmt. — Die zweite Abhandlung, in der es fich
um die philofophiegefchichtliche Stellung der Schrift
handelt, zeigt in knapper, aber einleuchtender Darfteilung
die Abhängigkeit feines Gedankenkreifes von neoplato-
nifchen und auguftinifchen Vorftellungen. Dafs die letzteren
übrigens dem Dom. Gundif. anders als durch Ver-
mittelung Avicebron's zugekommen feien, läfst fich aus
dem Inhalte des Tractats und den Nachweifen des
Herausgebers nicht mit Sicherheit entnehmen.

Heft 2 ift der erfte Theil einer längft erwünfehten
vollftändigen Ausgabe des Jwns vitae in der auf dem
Titel bezeichneten lateinifchen Ueberfetzung mit kritifchem
Apparat. Von den fünf Büchern des Werkes bringt
es zunächfl die beiden erften. Prolegomena zu dem
Ganzen werden für das dritte Heft der Sammlung in
Ausficht geftellt. Die Wichtigkeit und Erfreulichkeit
diefer Ausgabe bedarf bei der Bedeutfamkeit ihres
Gegenftandes für die genauere Kenntnifs der mittelalterlichen
Philofophie und angefichts der Bewährtheit des
Herausgebers keiner weiteren Begründung.

Giefsen. H. Siebeck.

Jess, Propft Paft. Thdr., Ueber den christlichen Glauben.

Vorträge. Freiburg i. B., J. C. B. Mohr, 1892. (VIII,
197 S. gr. 8.) M. 2.—

Diefe Vorträge find ein hinterlaffenes Werk des am
12. Dec. 1891 heimgegangenen Kieler Propftes. Sein
jäher Tod, der ihn im kräftigften Mannesalter aus voller
Wirkfamkeit herausrifs, war für feine Gemeinde in Kiel
und, wie man wohl fagen darf, für die ganze Provinz
Schleswig-Holftein, auf deren kirchliche Verhältnifse er
vermöge feines lauteren chriftlichen Charakters, feiner
gediegenen theologifchen Bildung, feiner im beften Sinne
vermittelnden Richtung und feiner ungewöhnlichen
Schaffenskraft einen weitreichenden fegensvollen Einflufs
ausübte, ein überaus fchwerer Verlud. Er hatte im
Winter 1889/90 in Kiel eine Reihe von Vorträgen über
den chriftlichen Glauben gehalten, welche er dann für
den Druck durchzuarbeiten unternahm. Diefe Arbeit
konnte er nicht mehr vollenden. Veröffentlicht find
jetzt nur die von ihm felbft druckfertig gemachten fünf
erften Vorträge. Prof. Fr. Nitzfeh in Kiel hat in dankens-
werther Weife die Herausgabe derfelben übernommen
und das Vorwort gefchrieben.

Die Vorträge find aus dem Wunfche hervorgegangen,
Abhülfe zu bringen für den ,Mangel unferer kirchlichen
Einrichtungen, dafs der kirchliche Unterricht als Zu-
fammenfaffung der Lehre vom Chriflenthum mit der
Confirmation aufhört', und für die hieraus erklärliche
Sachlage, ,dafs das Gefammtverftändnifs des Chriften-
thums, welches der Einzelverkündigung auf der Kanzel
und in den Häufern zum Grunde liegt, nicht immer fo-
gleich und nicht Allen deutlich wird' (S. 1). So find
die Vorträge nicht im gewöhnlichen Sinne apologetifch;
fie bieten keine ausführliche Befprechung und Widerlegung
der Einwendungen, die von einer nichtchriftlichen
Weltanfchauung aus gegen das Chriflenthum erhoben