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Ausgabe:

1892

Spalte:

362-364

Autor/Hrsg.:

Franz, Ad.

Titel/Untertitel:

Lehrbuch des Kirchenrechts. 2. verm. u. verb. Aufl 1892

Rezensent:

Köhler, Karl

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362

feinen Vater' herleitet. Bekennt nicht auch Ludwig KO.
Bl. Ajj6, er habe gehandelt , dem Allmachtigen zu
fchuldigem Dienft und Ehren, auch von wegen unfers
anmahnenden und treibenden Gewiffens'? Und wenn er
Joh. Kalimir ein gewiffes Paritätsftreben beilegt, das
ihn zunächft nur beiden Confeffionen habe neben
einander Raum gewähren wollen, und welches gerade
in feiner KO. (vom 1. Juni 1585) fich Ausdruck fchaffe,
fo genügt es wohl, dagegen einen Heidelberger Brief
vom 4. März 1585 zu citiren, der triumphirend von der
Abfetzung eines luther. Profeffors der Medicin berichtet,
,quia natum sibi infantem in nostrorum contentptum suae
extra urbem factionis ministro baptizandnm exportari
fecerat1 (Hagen, Briefe von Heidelberger Profefforen.
Pleidelb. 1886 S. 52)! Ich wüfste nicht, dafs die Calvi-
niften des 16. Jahrh.'s in puncto paritatis weitherziger ge-
wefen wären, als die verfchrieenen Lutheraner. — Höchft
intereffant ift ja nun, dafs Joh. Kafimir's KO. neben der
Spendeformel aus 1 Kor. 10 auch eine lutherifche zum
Parallelgebrauch freiftellt. B. nennt diefelbe ,freilich
keine ftrenglutherifche Formel, allein fie klingt an lutherifche
Formeln an' (S. 99). Er hat vergehen, dafs es
wörtlich diefelbe Formel ift, die er S. 58 aus der
luther. KO. von 1556 mitgetheilt hat, und diefelbe Formel
kann er in einer Reihe anderer, gut lutherifcher KOO.,
z. B. Pommern 1568, lefen. Hier flammt fie natürlich
aus der älteren Pfälzer Liturgie. Ihre Aufnahme in die
reform. KO. verfolgte offenbar die Tendenz, fich den
lutherifch gewöhnten Gemeinden annehmbarer zu machen.
Bei der nächften Recenfion der KO. glaubte man diefer
Conceffion nicht mehr zu bedürfen und tilgte fie daher
wieder. Aber auch wenn die Formel ,über die Stoffe
etwas der luth. Abendmahlslehre Entfprechendes aus-
gefagt hätte', würde man diefelbe reformirterfeits haben
fich aneignen können; haben doch im Colloquium Lipsia-
cum 1631 die Reformirten mit den Lutheranern bekannt,
,dafs im heil. Abendmahl . . der wahre wefentliche
Leib und das wahre wefentliche Blut Jefu Chrifti,
vermittelft des gefegneten Brots und Weins wahrhaftig
und gegenwärtig gereichet, ausgetheilet und
genoffen werde, kraft der facranientlichen Vereinigung'.—
Welche lutherifche Spendeformel wäre ihnen damit unmöglich
gewefen? — Von der KO. von 1601 (S. 101)
liegen mir 2 im Titel verfchiedene Ausgaben vor; die
eine hat hier das Impressum: ,Gedruckt in der Chur-
fürftlichen Statt | Haidelberg, bey Gothard Vögelin,
Anno 1601. |', die andere ftatt deffen: ,Für die Kirche
zu . . . .' — Unerwähnt läfst B. die Verordnungen von
1610 wegen eines Extra-Bettages wider ,die Praktiken
der verfchlagenen, heuchlerifchen, unruhigen Jefuiten'.
Ich hebe hervor, dafs fchon in dem hier vorgefchrie-
benen liturgifchen Gebete der Paffus vorkommt: ,Wende
von diefen Landen und unferm ganzen Vaterland
Teutfcher Nation gnädiglich ab . .', ein Ausdruck,
den er ,erftmals' in der Agende von 1720 (S. 133) meint
aufweifen zu können. — Die KO. von 1652 ift auch im
Corpus Juris evangel. ecclesiast. Züllichau 1738 II, 816—
953 vollftändig abgedruckt. — Intereffant ift die in der
KO. von 1724 erflmals auftretende ,Formula in Baptiza-
tione der Wiedertäuffer, fo zu der Reformirten Religion
tretten' (p. 342—358; B. S. in). Er hätte vielleicht
erwähnen können, dafs es fich hier doch gewifs nicht
um eine Rebaptizatio, fondern auch nur um eine erft-
malige Taufe folcher handelt, welche noch nicht die
Erwachfenen-Taufe jener Secte, in der fie aufgewachfen
waren, erhalten hatten. — S. 112 vermifst man den Hin-
weis, dafs die Confirmationsformel von 1724 ,Gott Vater,
Sohn und heil. Geift gebe euch feine Gnade, Schutz und
Schirm u. f. w.' eine angemeffene Verbefferung der Hef-
fifchen Formel .Nehmet hin den heil. Geift, Schutz und
Schirm u. f. w. ift. — Doch genug folcher kleinen Nach-
lefe zu der fchönen und lehrreichen Arbeit des Verf.'s.
Die badifche Geiftlichkeit darf fich freuen, an diefem

Buche nunmehr ihre Cultusgefchichte im Lichte ihrer
heimifchen Kirchengefchichte und wiederum ihre Kirchen-
gefchichte im Lichte ihrer Cultusgefchichte ftudiren zu
können. Möge des Verf.'s Wunfeh fich erfüllen, dafs
feine Arbeit der Antrieb werde, in den Pfarrhäufern
diefe Cultusgefchichte zu ftudiren und aus den Pfarrarchiven
die Nachträge zu liefern und die Lücken zu
ergänzen, die noch der Nacharbeit harren. Ein folider
Grund ift gelegt. Möchten auch kundige Männer in
andern Landeskirchen dem Beifpiel folgen!

Kiel. G. Kawerau.

Frantz, Prof. Dr. Ad., Lehrbuch des Kirchenrechts. 2. verm.
u. verb. Aufl. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht,
1892. (XII, 342 S. gr. 8.) M. 6. —; geb. M. 7. —

Das vorliegende Buch ift in erfter Auflage 1887 er-
fchienen. Dafs bereits eine zweite nöthig geworden ift,
läfst darauf fchliefsen, dafs es einem Bedürfnifs entfpricht.
Ein folches ift in der That vorhanden, und zwar bei Ju-
riften nicht allein, für welche der Verf. zunächft gearbeitet
hat, fondern auch bei den Theologen. Die mangelhafte
Kenntnifs des Kirchenrechts bildet von je her eine der
fchwächften Seiten des proteftantifchen Theologenftandes.
Und doch ift es für den, der an der Leitung der Kirche
mitarbeiten will, fo höchft nöthig, ja geradezu unerläfs-
lich, über ihre Rechtslage im Klaren zu fein. Wir wollen
hoffen, dafs fich unter denen, die nach dem Buche von
Frantz gegriffen haben, recht viele Theologen befinden,
und dafs der Wunfeh, der ihm in diefer Lit.-Ztg. bei
feinem erften Erfcheinen mitgegeben worden ift, es möchten
,die Studierenden der Theologie und die Pfarrer an
diefem Werke nicht vorübergehen', feine Erfüllung gefunden
hat. Während Werke wie die von Richter oder
Hinfchius durch den gewaltigen Umfang und die fchwer
zu bewältigende Stofffülle den Nichtfachmann abfehrecken,
bietet das Buch von Frantz in knapper, zweckmäfsiger
Auswahl und lichtvoller, dabei ftreng wiffenfehaftlicher
Darfteilung das für den Praktiker zur Orientirung Wefentliche
. Die neue Auflage erweift fich im Vergleich mit
der erften als forgfältig durchgearbeitet und als eine wirklich
,vermehrte und verbefferte'. Neue Paragraphen find
nicht hinzugekommen, dagegen manche zweckmäfsige
Aenderungen in der Anordnung gemacht, die neueren
Erfcheinungen in der Literatur forgfältig nachgetragen.

Von Bemerkungen, die fich im Einzelnen ergeben,
feien nur einige erwähnt, um nicht zu weitläufig zu werden.
Die Frage, ob das Kirchenrecht dem öffentlichen oder
dem Privatrecht zuzurechnen fei, beantwortet der Verf.
dahin, dafs es zwifchen beiden eine felbftftändige Stellung
einnehme (S. 2). Worin follte das unterfcheidende Merkmal
diefer eigenthümlichen dritten Rechtskategorie beliehen
? Das Richtige wird fein, dafs das vorhandene
Kirchenrecht entweder der einen, oder der anderen Claffe
angehört je nach der Rechtsftellung, welche der betreffende
Kirchenkörper einnimmt. Eine Freikirche kann nur Privatrecht
hervorbringen, das Recht deutfeher Landeskirchen
ift ein Stück öffentlichen Rechts. Von dem Ideal einer
dereinftigen .Wiedervereinigung' der getrennten Confeffionen
urtheilt der Verf., diefelbe ,liefse fich nur erreichen
auf Grund der erheblichften gegenfeitigen Zugeftändnifse',
und dazu werde es fchwerlich jemals kommen (S. 57).
Er hätte auch fagen können: fie wäre nur zu erreichen,
wenn der Katholicismus aufhören würde katholifch oder
der Proteftantismus proteftantifch zu fein. Dafs die heil.
Schrift (S. 65), desgleichen für die ev. Kirche dieBekennt-
nifsfehriften (S.90) die Bedeutung von Rechtsquellen haben,
läfst fich doch nur in fehr mittelbarer Weife fagen. Sie
find es, fofern aus ihnen die grundlegenden Principien
über Wefen und Ziel der Kirche zu erheben find, auf
welche die Rechtsordnung derfelben fich aufzubauen hat:
ein Gefetzbuch ift, wenigftens nach evang. Auffaffung,